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Bad Homburg: Lebensschule unter Bäumen

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Von: Manuela Reimer

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Begrüßen, Singen, Durchzählen: der Morgenkreis des Bad Homburger Waldkindergartens an seinem Treffpunkt im Hardtwald. Erzieherin Eva Schrader (links) leitet die Einrichtung von Anfang an. Cora Brandi (Mitte) ist Trägervereinsvorsitzende und an diesem Tag zu Besuch bei den Kindergarten-Kindern.
Begrüßen, Singen, Durchzählen: der Morgenkreis des Bad Homburger Waldkindergartens an seinem Treffpunkt im Hardtwald. Erzieherin Eva Schrader (links) leitet die Einrichtung von Anfang an. Cora Brandi (Mitte) ist Trägervereinsvorsitzende und an diesem Tag zu Besuch bei den Kindergarten-Kindern. © MRM

Der Wald ruft - und das seit 25 Jahren: Der Homburger Waldkindergarten feiert Jubiläum. Das Interesse an der Natur-Gruppe ist groß, die Plätze sind jedoch begrenzt.

Bad Homburg - "Was ist das?", fragt das blonde Mädchen mit grüner Mütze und grüner Matschhose, als es seine Hand öffnet und Eva Schrader den kostbaren Fund zeigt: so grün wie der Wald im Frühling und die Kleidung des Kindergartenkinds, etwa zwei Zentimeter lang und lebendig. Die Erzieherin wirft einen prüfenden Blick auf das Tierchen und sagt: "Das ist eine Käferlarve." Käfer und Kind gehen stolz ihres Wegs, bis kurz darauf das erste Ritual des Tages ansteht: Die Erwachsenen rufen das Mädchen und die anderen Kinder, die ringsum spielen, zum Morgenkreis - Begrüßung, gemeinsames Singen und Durchzählen, dann den Tag besprechen, die Rucksäcke wieder aufsetzen und aufbrechen.

Raus ins Grüne - bei Wind und Wetter

Es ist ein ganz normaler Morgen am Treffpunkt des Homburger Waldkindergartens im Hardtwald, den die Gruppe Hügelplatz nennt. Heute bleiben Kinder und Erzieherinnen im Wald rund um den Ausgangspunkt am verlängerten Pilgerrain - der Kindergarten sucht täglich wechselnde Plätze auf, damit der Waldboden nicht leidet. Draußen ist man bei Wind und Wetter - außer bei Sturm -, und das seit einem Vierteljahrhundert: 2022 feiert der Waldkindergarten Bad Homburg 25-jähriges Bestehen. Der Ende 1995 von Claudia Linzbach und anderen Eltern gegründete Trägerverein Bad Homburger Waldkinder gehört damit zu den Pionieren der Waldpädagogik: Der Homburger Waldkindergarten, der mit allen notwendigen Genehmigungen, Fachkräften und den ersten Kindern ein gutes Jahr später starten konnte, war der erste Waldkindergarten im Rhein-Main-Gebiet. Bundesweit gab es damals nur rund 25 vergleichbare Einrichtungen.

Minus neun Grad und Schnee: Als Eva Schrader, die den Waldkindergarten Bad Homburg von Beginn an leitet, am 3. Februar 1997 mit einer Kollegin und neun dreijährigen Mädchen und Jungs aufbrach - damals noch auf der anderen Seite des Hardtwalds -, wollten die Kleinen trotz der Kälte gar nicht mehr weg. "Geplant war eine Eingewöhnungszeit, anderthalb Stunden am Tag. Aber schon nach der ersten Woche führten wir die geplanten drei Stunden ein", erinnert sich Schrader. Die Kinder hätten sich regelrecht beschwert, dass sie "so schnell" wieder raus sollten aus dem Wald. Für Erzieherin Schrader selbst, die eine Psychomotorik- und eine Waldpädagogikausbildung draufgesattelt hatte und dann aus einer Regeleinrichtung in den Wald wechselte, bedeutete der Start: Langeweile, wie sie lachend erzählt. "Die Kinder beschäftigten sich. Ich hatte die ganzen tollen Spielideen aus der Ausbildung im Kopf, aber die ersten zwei Jahre lehnte ich nur am Baum - dafür haben wir keine Zeit, haben mir die Kinder immer gesagt." Dass sich Waldkinder selbst ihre Projekte und Spiele gestalten - "ein Stück Rinde kann ein Puppenbett sein, ein Teller oder ein Puzzleteil" -, hat sich bis heute nicht geändert. Anderes dagegen schon, wie die 58-Jährige weiß: "Vor 25 Jahren mussten die Eltern und wir uns permanent rechtfertigen. Die Kinder lernten hier nichts, und überhaupt, bei jedem Wetter draußen, das könne gar nicht gut sein."

Heute sei Naturpädagogik "normal" geworden: "Sie gehört in jede gute Kita - und wenn es nur ein Tag im Vierteljahr ist." Sei Waldpädagogik doch das "ultimative Mittel, um Kinder gut auf die Schule und das Leben vorzubereiten", sagt Schrader. "Neurologen sagen, dass man Kindern nichts Besseres tun kann, als sie raus in den Wald zu lassen, wo sie sich ihre Aufgaben selbst suchen können", erklärt die Rosbacherin. Schließlich lernten Kinder hauptsächlich über den Körper, über Bewegung und - buchstäblich - das Begreifen. "Dazu kommt hier das Miteinander, das Soziale. Das Selbstwertgefühl wächst: Ich bin wer, weiß, was ich kann und wie ich mit Fehlern umgehe. So kann ich später aufrecht auf dem Schulhof stehen." Klar sei: "Diese positiven Effekte könnte ich als Erzieherin in einem Raum nur mit sehr viel Material und Vorbereitung initiieren."

Interesse ist groß, die Plätze sind rar

Der Wald sei einfach da, so Schrader, die immer nur ein paar Dinge mit sich führt: Schnitzmesser, Wolle, Seile oder Farben und Papier. "Alles andere finden die Kinder. Der Wald sagt, hier hast du Baumstämme, versuch' hochzukommen oder nimm dir einen anderen. Der Wald hat Angebote für alle Altersstufen, an denen man wächst." Dabei gilt Schraders goldene Baumkletterregel: "Ich helfe niemandem hoch. Denn nur, wer es allein hoch schafft, kommt auch wieder runter. Und die Kinder wissen, was sie sich zutrauen können." Zu sehen, wie sich die Kleinen entwickelten, wie sie selbstständige Persönlichkeiten und motorisch fit würden, sei nach wie vor "faszinierend", schwärmt die Erzieherin. "Mit drei Jahren stolpern sie durch den Wald, später rennen sie hier durch wie Rehe."

Auch der Kindergarten selbst ist gewachsen: Heute besuchen ihn rund 20 Kinder zwischen drei und sechs Jahren; weil immer auch ein integratives dabei ist, wird die Kapazität von 25 Plätzen nie ausgeschöpft. Das Team bilden Eva Schrader und drei weitere Fachkräfte. Wer einen Platz möchte - der die Familien wie überall in der Kurstadt keine Gebühr kostet -, kann sich melden, muss sich aber gedulden: Frühestens im Sommer 2024 können neue Kinder aufgenommen werden. "Es war nicht immer so, dass der Nachwuchs so gesichert war", sagt Cora Brandi, die Vorsitzende des Trägervereins ist. "Seit wir jeden Tag fest von 8 bis 15 Uhr geöffnet haben, sind wir für viele berufstätige Eltern attraktiver." Das Mittagessen, das seit Anfang 2020 täglich geliefert und serviert wird, nimmt die Gruppe im Kobel ein, also der angemieteten Wohnung an der Kinzigstraße, wo der Kindergartentag auch endet. Eine zweite Gruppe aufmachen - die Nachfrage gäbe es her. "Nur unsere Räume und der Wald nicht", sagt Schrader. Der sei gebeutelt durch drei trockene Sommer und die Stürme: "In 25 Jahren hat sich auch das Klima verändert."

Feier samt beliebter Kartoffelsuppe

Am Samstag, 7. Mai, feiert der Waldkindergarten seinen Geburtstag: Familien und Interessierte sind zwischen 11 und 16 Uhr auf den Waldspielplatz Hardtwald, Lessingstraße, eingeladen. Geplant sind eine Tombola, eine Bastel- und Werkzeugstelle und ein Barfußpfad. Serviert wird Kartoffelsuppe - das haben sich die Kindergartenkinder so gewünscht. mrm

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