Die letzten Tage einer Klinik

Nach zehn Jahren ist es soweit: Das alte Krankenhaus wird in zwei Wochen abgerissen. 2015 sollte das leere Krankenhaus der Erstaufnahme von Flüchtlingen dienen. Doch es wurde nicht genutzt.
Bad Homburg -Hohläugig wirkt der breite Bettentrakt des ehemaligen Kreiskrankenhauses, fährt man über die Urseler Straße an ihm vorbei. Die Ruine, die seit dem Umzug der Hochtaunus-Kliniken 2013 leerstand, hat jetzt ihre letzten Tage vor sich. Dass sie abgerissen werden soll, heißt es schon lange. Doch zehn Jahre lang lag das Gebäude im Dornröschenschlaf.
Jetzt geht es aber zur Sache. Das Abbruch-Unternehmen Kolb aus Langen hat das Gelände in ein Geröllfeld verwandelt. Noch steht es da, das Krankenhaus, in dem vermutlich jeder Mensch aus dem Taunus schon einmal war - sei es selbst im Krankenbett oder auf Besuch. Hier haben viele das Licht der Welt erblickt oder selbst Kinder bekommen; hier wurden der Blinddarm oder die Gallensteine entfernt, das Bein geschient und die Oma abgeholt.
Seine medizinische Würde hat das Bettenhaus längst verloren. Sämtliche Vorbauten sind schon weg. Auf dem einstigen kleinen Parkplatz stehen Schuttcontainer; hinter dem Haus türmen sich große und kleine Geröllbrocken, Haufen mit dem Metall einstiger Geräte und Schächte; am Rand fein gestapelt die gefällten Baumstämme und Äste.
Bagger-Arm reicht 36 Meter in die Höhe
Das Gebäude selbst wurde gemäß einem Gutachten komplett entkernt; letzte Arbeiten von Hand oder mit kleinem Gerät laufen derzeit im Innern. Weil der Schutt sortenrein entsorgt werden muss, werden die Dämmmaterialien unter dem Estrich und in der Decke sowie die Dachabdichtungen vor dem großen Abbruch entfernt. Hier waren künstliche Mineralfasern verbaut. „In 14 Tagen wollen wir mit dem Abbruch beginnen“, sagt Kolb-Bauleiter Steffen Böhm und zeigt auf das siebenstöckige Hauptgebäude.
Doch auch dies wird nicht auf einen Schlag, sondern Stück für Stück vor sich gehen. Ein Longfront-Bagger mit einem bis zu 36 Metern ausfahrbaren Arm wird die Ruine von oben nach unten „scheibchenweise“ abknabbern. Das Gerät steht schon auf dem Gelände und hat bereits bei der Entkernung Container an den Fenstern der oberen Stockwerke bereitgestellt. Fünf kleinere Bagger werden ihm zuarbeiten. Bis Juli soll das Hauptgebäude verschwunden sein. In den nächsten Tagen schon soll der OP-Trakt hinter dem Gebäude verschwinden.
Die Bauteile werden von oben zwar kontrolliert fallen; Lärm und Staub wird es trotzdem geben. Um die Anlieger ringsum möglichst wenig zu belästigen, so Böhm, „arbeiten wir uns von der Jacobistraße zur Taunusstraße vor“. Die Nebengebäude bleiben noch als Schallschutz stehen, bevor auch sie in einem zweiten Bauabschnitt, also wohl im Herbst, abgetragen werden. Dabei handelt es sich um die Häuser „Schlesien“ und „Pommern“, in denen früher Krankenschwestern und zuletzt Flüchtlinge gewohnt haben, sowie das hohe „Haus Berlin“ an der Ecke Hessenring/Taunusstraße; dort sind die letzten Geflüchteten Ende Dezember ausgezogen.
Damit sich der Schulweg vieler Jugendlicher zum Humboldt-Gymnasium möglichst wenig mit Schutt-Lkws kreuzt, hat die Firma Kolb eine Baustraße auf dem Gelände angelegt und stellt dieses nun auf Wunsch der Schulleitung vom Hessenring/Ecke Taunusstraße zur Verfügung. Insgesamt, hat Böhm ausgerechnet, fallen 179 000 Kubikmeter umbauter Raum. 51 000 Tonnen an mineralischem Bauschutt werden direkt auf dem Gelände zunächst zerkleinert und dann in verschiedene Container geladen.
Metalle werden später mit dem Magnet extrahiert. Ein Teil des Bauschutts wird aber auch in Löcher im Boden verfüllt, die entstanden sind, als Keller entfernt wurden. „Die großen Bagger brauchen einen festen Untergrund, wenn sie möglichst nah ans Hauptgebäude heranfahren“, erklärt der Bauleiter.
2015 für Millionen umsonst umgebaut
Schadstoffe habe man nur wenige gefunden, so Böhm. Die wurden offenbar schon 2015 entfernt; da wurde das leere Krankenhaus als Erstaufnahme für Flüchtlinge hergerichtet - dafür hat das Land Hessen mindestens 5, laut TZ-Info sogar 11 Millionen Euro bezahlt. Als der Flüchtlingsstrom abebbte, war das Gebäude nur noch als Reserve vorgesehen, kam aber nie zum Einsatz.
Wohngebiet entsteht
Auf dem rund 30 000 Quadratmeter großen Klinik-Areal soll ein Wohngebiet („Louis“) mit 270 Domizilen entstehen. Auch Gewerberäume und eine Kita mit 100 Plätzen sind geplant. Investor ist das Frankfurter Unternehmen „Die Wohnkompanie“, das das Gelände 2021 für 50,4 Millionen Euro vom Hochtaunuskreis gekauft hat.
Im Zentrum entstehen Reihenhäuser, an der Taunusstraße frei stehende Stadtvillen. Auch Mehrfamilienhäuser wird es geben und ein Café. Der Abbruch des Krankenhauses hatte sich immer wieder verzögert. 80 Flüchtlinge lebten bis Dezember noch im „Haus Berlin“, dem Hochhaus an der Ecke Hessenring/Taunusstraße; sie wurden in anderen Unterkünften untergebracht: in Ober-Eschbach, im Niederstedter Weg und in Wohnungen.

