Ein großer „Schatz“ hinter kleinen Fensterläden

„Erstes Integrationsmuseum in Hessen“ im Waldenserhaus: Führung gibt erste Einblicke
Aufmerksame, wissbegierige Blicke tasteten den blanken hölzernen Fußboden, die Balken an den Decken und die mitunter offenen Wände mit teils ausgemauerten, teils mit einem Geflecht aus Lehm und Stroh gefüllten Gefachen ab. Zahlreiche Einwohnerinnen und Einwohner Dornholzhausens nutzten am Sonntagnachmittag die Gelegenheit, sich an Ort und Stelle über ein außergewöhnliches Vorhaben zu informieren. Denn wo sich weiland die Waldenser zum allmorgendlichen Gebet versammelten, soll in nicht allzu fernen Tagen ein Museum die Ortsgeschichte Dornholzhausens anschaulich machen.
Hinter der Fassade des eher unauffälligen Hauses an der Dornholzhäuser Straße verberge sich „ein besonderer Schatz“, verwies Ulrike Koberg auf dessen Rang und Wert. Es handele sich nämlich um eines der beiden letzten originalen Waldenserhäuser, die Anfang des 18. Jahrhunderts errichtet worden sind, hob die Vorsitzende des Dornholzhäuser Geschichtskreises hervor.
Entstehen solle gleichwohl nicht „das x-te Heimatmuseum“, ergänzte Ortsvorsteherin Simone Loewen. Vielmehr sehe das Konzept für das innen wie außen stark renovierungsbedürftige Haus nichts weniger vor als „das erste Integrationsmuseum in Hessen, wenn nicht in Deutschland“. Es gibt Auswandererhäuser in Bremerhaven und Hamburg, Migrationsmuseen in Köln und Berlin, das ehemalige Grenzdurchgangslager Friedland - aber offenbar noch kein Integrationsmuseum.
Menschen zu integrieren, die ihre Heimat im italienischen Piemont aus religiösen Gründen hätten verlassen müssen, sei vor mehr als 300 Jahren eine außerordentlich anspruchsvolle Aufgabe für alle Beteiligten gewesen, skizzierte die Vorsitzende des Ortsbeirats diesen Zeitabschnitt.
Landgraf Friedrich II. öffnete den fleißigen und beruflich tüchtigen Angehörigen dieser protestantischen Glaubensrichtung, deren Wurzeln bis zum Gründer Petrus Valdes ins hohe Mittelalter zurückreichen, seine Grafschaft zur Ansiedlung. Sein doch recht kleines Herrschaftsgebiet stärkte Kleists „Prinz von Homburg“ damit wirtschaftlich und kulturell beträchtlich.
Ursprünglich hatte die Stadt das Haus erwerben wollen, ihre schon gegebene Zusage jedoch aufgrund der angespannten Haushaltslage wieder zurücknehmen müssen, bedauerte OB Alexander Hetjes (CDU). Dass ein privater Erwerber gefunden worden sei, der noch dazu den „innovativen Gedanken eines Integrationsmuseums“ ermögliche und unterstütze, nannte Hetjes einen „großen Glücksfall“.
Kreis unterstützt mit 50 000 Euro
Bürgerschaftliches Engagement in diesem Umfang und dieser Qualität sei nicht alltäglich und verdiene alle Wertschätzung. Umso mehr, da sich die hoch motivierten Ehrenamtlichen auf dem mitunter schwierigen Weg nicht hätten entmutigen lassen und „drangeblieben“ seien. „Dornholzhausen setzt Maßstäbe“, lobte der OB den ehrenamtlichen Einsatz. „Ich bin super stolz auf euch.“ Die Integration der heimatvertriebenen Waldenser habe den heutigen Bad Homburger Stadtteil geprägt. Dergestalt schließt das Museum nach seinen Worten eine Lücke in der Ortsgeschichte. „Diese Einrichtung wird ein Magnet“, zeigte sich Hetjes überzeugt. Die Stadt übernimmt ihm zufolge die Nebenkosten des Gebäudes in Höhe von rund 15 000 Euro jährlich. Seine Unterstützung zugesagt hat ebenfalls der Kreis, genannt wurde die Summe von 50 000 Euro. Und die ist auch nötig: Das Dach muss neu gedeckt, im Keller ein Querbalken erneuert werden. Allein: Die Kernsubstanz ist gut. Auf Geschichte und Bedeutung des Hauses weist jetzt eine Tafel hin, die Hetjes enthüllte, ehe er die interessierten Bürgerinnen und Bürger einlud, sich ein Bild von den künftigen Museumsräumen zu machen. Stützen können sich die ehrenamtlich Aktiven nicht nur auf die finanziellen Zusagen der öffentlichen Hand, sondern auch auf die profunde Sachkenntnis von Heimatforschern. So untersucht der Dornholzhausener Walter Mittmann seit Jahrzehnten die Geschichte der Waldenser im Stadtteil. Der promovierte Bauingenieur und diesjährige Träger des Saalburgpreises hat selbst waldensische Wurzeln.
Fenster in die Vergangenheit
Bis Frühjahr 2024 soll das Untergeschoss mit den beiden Ausstellungsräumen noch nicht fertig, aber nutzbar sein - rechtzeitig zur Feier des 325-jährigen Bestehens Dornholzhausens im Juni 2024. Dann kann das Waldenserdorf seinen Geburtstag in dem Haus feiern, das 1701 vor der Kirche als Bethaus errichtet und 1832 aus demselben Gebälk ein Stück weiter oben in der Straße wieder aufgestellt wurde.
Ein Detail, wie denn das künftige Museum aussehen soll, verrieten Loewen und Koberg schon einmal. Eines der Gefache werde nicht mehr ausgefüllt, sondern bleibe offen, gleichsam als Fenster in die Vergangenheit. Einblick und Durchblick für die erwachsenen Museumsgäste, besonders jedoch für die Schüler der benachbarten Grundschule: ihnen den Blick auf das Gewesene zu öffnen, um das, was heute ist, im besten Sinne zu begreifen und daraus zu lernen.