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Von: Anke Hillebrecht

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Immer was zu tun: Bibliotheksleiter Klaus Strohmenger und seine Mitarbeiter Daniel Penz, Uta Koch und Sabrina Butz (von links).
Immer was zu tun: Bibliotheksleiter Klaus Strohmenger und seine Mitarbeiter Daniel Penz, Uta Koch und Sabrina Butz (von links). © ahi

Stadtbibliothek als Treffpunkt und Lernort - Besucherzahlen erholen sich

Bad Homburg -Ein regnerischer Vormittag in der Stadtbibliothek. Das Dauergrau vor den großen Fensterscheiben ist schnell vergessen angesichts der vielseitigen Zerstreuung innen. Wer dem Kaffeeduft nachgeht, sieht im Café Hölderlix viele Tische besetzt. Menschen ab 50 sitzen hier und lesen Zeitung, zwei Frauen sind in ein Gespräch vertieft. Am Nachmittag wird sich das Bild „verjüngen“: Dann kommen etliche Jugendliche, um an den Pulten zwischen den Bücherregalen zu lernen, allein oder in Gruppen. Und die Kinder mit ihren Mamas, Papas, Omas - auch eine „starke Besuchergruppe“, so Bibliotheksleiter Klaus Strohmenger.

„Wir sind nicht mehr nur der ,Büchertempel‘, wie oft geschrieben wird“, sagt Strohmenger in Anspielung auf die ungewöhnliche Architektur der öffentlichen Bücherei. „Wir begegnen auch dem Bedürfnis der Menschen, sich zu treffen.“ Das ist konsumfrei in der Bibliothek möglich. Strohmenger weiß keine andere Institution in der Stadt, wo das so geht und die derart viele Menschen frequentieren.

Corona-Einbruch kam erst richtig 2021

Die Besucherzahlen des gerade zu Ende gegangenen Jahres spiegeln das Interesse der Homburger an ihrer Bücherei. Zwar erreichten sie nicht die Werte von vor Corona - 2018 und 2019 liefen übers Jahr jeweils mehr als 167 000 Menschen durch die Lichtschranke der Räumlichkeiten in der Dorotheenstraße und in Ober-Erlenbach -, aber nach der Pandemiedelle 2020 (100 915 Besucher) und 2021 (44 827) kletterte der Wert 2022 zumindest wieder auf 121 467.

Bei den Ausleihzahlen machte sich die wochenlange Schließung der Bücherei wegen Corona 2021 nicht so stark bemerkbar - man konnte Titel bestellen und diese dann in einem Körbchen im Vorraum abholen. „Die Leute hatten ja sonst nicht viel zu tun“, erinnert Strohmenger an die Zeit der Lockdowns, als Kinos und Theater zu waren und man sich mit möglichst wenig Menschen (drinnen) treffen sollte.

Vor Corona wurden stets mehr als 440 000 Medien - Bücher, Filme, Audio-Datenträger und E-Medien - ausgeliehen. Das blieb auch 2020 (411 780) und 2021 (405 000) mit nur unwesentlichen Abstrichen so. 2022, dem Jahr, in dem sich alles langsam normalisierte, sank der Wert allerdings sichtbar: Da wurden „nur noch“ 298 936 Medien mitgenommen - 26 Prozent weniger als im Jahr zuvor. „Jetzt holen die Menschen alles nach, was sie vorher nicht konnten“, interpretiert der Büchereileiter die Lage.

Vor allem Musik-CDs und DVDs, also Filme, werden nun nach Corona weniger ausgeliehen. „Die waren vorher der Renner.“ Bei der Musik zeigt sich dieser Trend dadurch, dass neuerdings in den Top 3 der ausgeliehenen CDs neben den beliebten „Bravo-Hits“ neu erschienene Klassik-Aufnahmen auftauchen.

Und zum Thema Filme fällt auf: Auch wenn so manche(r) in der Pandemie Gefallen an der ständig wachsenden Zahl von Serien gefunden hat - viele haben sich offenbar bei einem Streamingdienst angemeldet. Zudem haben die öffentlich-rechtlichen Sender inzwischen eine gut sortierte Mediathek, und nicht zuletzt kann man Filme auch aufzeichnen. Auch Hörbücher kann man streamen, also kostenpflichtig im Internet abrufen, wobei die in der Bücherei noch ganz gut nachgefragt würden, sagt Strohmenger - besonders oft übrigens von Müttern mit ganz kleinen Kindern.

Apropos Internet: Die Zahl der Onleihen steigt seit ihrer Einführung in der Kurstadt 2015. Damals wurden 1552 Exemplare von Buchtiteln ausgeliehen, die man für sein E-Book herunterladen kann. 2019 waren es schon 2343, und unbeleckt von der Pandemie kletterte der Wert kontinuierlich auf 3554 im vergangenen Jahr. Wobei es nicht für jeden Buchtitel ein E-Book gibt, aber da sich in dem hessenweiten Verbund immer mehr Bibliotheken beteiligen, wächst auch hier die Auswahl.

Ober-Erlenbach: „Open Library“ läuft super

Zurück ans gute alte Bücherregal: In der Dorotheenstraße wächst auch die Spezifizierung bei der Unterhaltungsliteratur; diese steht extra, neben den Klassikern/der Gegenwartsliteratur. Und weil so viele Menschen gerne Krimis lesen, werden die noch mal extra unter „Spannung“ einsortiert. Auch die wachsende Zahl an Regionalliteratur hat eine eigene Themenwelt.

Noch ein Wort zur Außenstelle Ober-Erlenbach: Dort, im Oberhof, lief geräuschlos im September 2021 die „Open Library“ an. Leser können sich Bücher ausleihen, auch wenn kein Personal zugegen ist. „Klappt super“, betont Strohmenger; nicht ein einziges Mal habe man sich die Kameramitschnitte ansehen müssen, weil ein Buch vermisst worden wäre. Vielleicht können die Öffnungszeiten dort noch erweitert werden. Die Besucherzahlen haben auch hier nach der Delle nicht wieder zu alter Stärke zurückgefunden: Nach 12 541 (2019; 16 002 Entleihungen) kamen 2021 nur noch 4160 Lesende (10 064 Entleihungen); 2022 waren es immerhin wieder 9217 (10 613).

Strohmenger weiß um die finanzielle Situation der Stadt und ahnt, dass der Sparzwang auch sein Personal- und Medienbudget treffen wird - derzeit wird im Rathaus am Haushaltsentwurf gearbeitet. Er erinnert an die Funktion als Aufenthaltsort - nicht zuletzt für Jugendliche. Einer habe ihm gesagt, ohne Bücherei hätte er sein Abi nicht geschafft.

Nele Neuhaus und Elizabeth George führen die Ausleihlisten an

Nele Neuhaus führt die Liste der 2022 am häufigsten ausgeliehenen Titeln der Unterhaltungs-Belletristik an. 73 Mal ging ihr neuester Taunus-Krimi „In aller Freundschaft“ durch den Ausleih-Automat. Es folgen Charlotte Link („Ohne Schuld“, 59 Mal) und Lucinda Riley („Die verschwundene Schwester“, 54). Bei den erst 2022 erschienenen Werken führt Elizabeth Georges 800-Seiten-Wälzer „Was im Verborgenen ruht“, 36) vor Eric Berg („Die Toten von Fehmarn“, 20) und Frank Goldammer („Im Schatten der Wende“, 19). Während Unterhaltungsliteratur eher von den Problemen dieser Welt ablenken möchte, beschäftigt sich Gegenwartsliteratur mit ihr. In diesem Genre war Juli Zehs „Über Menschen“ am gefragtesten mit 69 Ausleihen. 64 Mal wurde Eva Menasses „Dunkelblum“ mitgenommen, 29 Mal Antje R. Strubels „Blaue Frau“. Bei den neueren Werken stehen Kristine Bilkaus „Nebenan“ (16), Véronique Olmis „Die Ungeduldigen“ (11) und Abbas Khiders „Erinnerungsfälscher (9) vorne. Beim Sachbuch war Florian Illies („Liebe in Zeiten des Hasses“, 34) beliebt, vor Sahra Wagenknecht („Die Selbstgerechten“, 32) und Mai Thi Nguyen-Kim („Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit“, 26); bei denen von 2022 Manfred Krug („Ich sammle mein Leben zusammen“, 19), Gregor Gysi („Was Politiker nicht sagen“, 17) und Helge Timmerberg („Lecko Mio: Siebzig werden“, 17). Beliebteste Hörbücher: „Jetzt“ von Eckhart Tolle (20) und „Schreib oder stirb“ von Sebastian Fitzek (8).

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