Ein Zeichen des Respekts für eine starke Frau

Schwarzes Band posthum an Marliese Bernecker verliehen
Bad Homburg -Außenstehende könnten diesen etwas anderen Neujahrs- oder besser Frühjahrs-Empfang für Karneval halten, wäre es nicht Aschermittwoch und würden nicht alle Schwarz tragen, einschließlich eines schmalen Bandes um den Kopf. Doch es sind keine Indianer in Trauer, sondern jene, die in der Kurstadt im Licht der Öffentlichkeit stehen.
Alljährlich kommen sie bei metallisch schmeckendem Heilwasser aus der Elisabethenquelle - später wartet noch der Rollmops - zu einer deutschlandweit einzigartigen Tradition zusammen: der Verleihung des „Schwarzen Bandes in Samt und Seide“. Hiermit wird seit 50 Jahren eine Persönlichkeit geehrt, die in hervorstechender Weise „die Narrheit im Ernst der Zeit erkannt und ihr in Tun und Lassen Rechnung getragen“ hat. Sie darf dann fortan ein breites statt schmales Band tragen.
Drei Jahre lang musste die Tradition ruhen: 2020, weil kurz zuvor Marliese Bernecker verstorben war - die Witwe des Band-Erfinders Helmuth Bernecker, die nach dessen Tod 2011 seit 2014 den Auserwählten die Trophäe um den Kopf knüpfte. Es folgten zwei Corona-Jahre, an denen auch die Fassenacht ruhte.
In diesem Jahr waren die Narren präsent wie nie, und auch das Schwarze Band wird wieder verliehen. Diesmal allerdings an keinen Anwesenden aus der Stadtgesellschaft wie sonst, sondern posthum an Marliese Bernecker selbst. Geknüpft wird daher diesmal nicht; dafür steht neben der mit einem Trauerflor umrankten HCV-Bütt, die als Rednerpult dient, ein Tischchen, auf dem ein Gedenkporträt der Verstorbenen platziert wird. Andächtig legen Peter Löw und Eberhardt Schmidt-Gronenberg, beide im Vorstand der Aktionsgemeinschaft, das Schwarze Band vor das Bild.
Die Einzelhändler-Gemeinschaft stieg bereits 1995 als Schirmherrin in die Tradition ein. Doch stets war Marliese Bernecker die treibende Kraft für die Fortführung der Veranstaltung gewesen, hatte auch Listen potenzieller Kandidaten geführt. Jetzt muss die Aktionsgemeinschaft selbst auswählen.
Magistratsspitze noch komplett ungewürdigt
Lebende Kandidaten und Themen hätte es nach drei Corona- und Krisenjahren nun mehr als genug gegeben. Johannes Hübner, langjähriger Freund Helmuth Berneckers, macht einen virtuellen Rundflug über die Kurstadt von der Kläranlage über die Baustellen und den Radverkehr bis zum Sparzwang. Überhaupt sitzt der gesamte hauptamtliche Magistrat aus OB, Bürgermeister und Stadträtin noch mit schmalen Bändern um die Köpfe - also bis dato ungewürdigt - beisammen und der Kurdirektor noch dazu. Wären nicht der Spar-Etat des Rathauschefs oder die Klimaschutz-Beteuerungen seines Vize gute Anlässe? Doch als der Rathauschef frühzeitig den Saal verlässt, ist klar: Er wird es nicht.
Es ist die Rückschau von Laudator Peter Löw, die in die richtige Richtung führt. Auch wenn diese aus der Feder von Ex-OB Michael Korwisi (Grüne) stammt. Der wusste, wie wichtig es Marliese Bernecker war, dass das Schwarze Band weiterhin verliehen wird. Sie habe im Grunde das Katerfrühstück am Aschermittwoch erfunden, denn in ihrer Küche in der Höhestraße 9 hatten sich die Mitglieder des HCV-Elferrats, deren Präsident ihr Mann lange war, seit Mitte der 1950er Jahre immer am Aschermittwoch um 11.13 Uhr zu einem Heringsessen getroffen.
Es werde viel geredet, ohne dass Taten folgen - hier habe Marliese Bernecker die Narrheit im Ernst der Zeit erkannt und mit dem Schwarzen Band Abhilfe geschaffen. 43 Mal habe sie es um die Köpfe der Auserwählten gelegt, von 2014 bis 2019 schrieb sie selbst die Laudatio. Aber viel vorsichtiger als ihr Mann. Sie sei kein Meister des geschliffenen Wortes wie er, und Hochdeutsch könne und wolle sie auch nicht. „Aber ihr ist es zu verdanken, dass das Schwarze Band weiterlebte“, so Löw.
Die Dankesrede hält ihr Enkel
Für die Dankesrede tritt ein junger Mann ans Rednerpult: Oliver Rudolf, Enkel der Verstorbenen. Er dankte den Aktiven der Aktionsgemeinschaft, posthum auch Jörg Hölzer, der 1995 in die Tradition des Schwarzen Bandes eingestiegen war. „Meine Großmutter wäre gerührt und glücklich, hätte sich aber auch gefragt, ob sie das Schwarze Band wirklich verdient hätte“, sagt er. Sie sei eine einzigartige Persönlichkeit gewesen, die nie Angst hatte, ihre Meinung zu sagen - und das auch schon in einer Zeit, in der Frauen nicht viel zu sagen hatten. Nach dem frühen Tod ihres Vaters hatte sie - 1945 geborene Maria Elisabeth Fritz - den Getränkebetrieb ihres Vaters in der Höhestraße mit badischem Weinkontor übernommen. Eine große Verantwortung.
Auch daran, dass die Rallye Monte Carlo Historique nach Bad Homburg zurückkam, dass es das Windhundrennen gibt, hatte Marliese Bernecker ihren Anteil. Ob letztlich sie oder ihr Mann die Idee dazu hatte, sei heute nicht mehr nachzuvollziehen, räumt Rudolf ein. „Aber sie ließ den Opa machen.“ Auch später habe sie stets „das wollen wir so“ gesagt und ihrem Willen so mehr Ausdruck verliehen. An diesen starken Willen erinnern sich einige im Saal gut.
Alljährlich wird eine Persönlichkeit ausgezeichnet
Helmuth Bernecker, Chefredakteur des 1970 gegründeten Taunus Kuriers (TK), hatte die Idee, aus dem Brauch, sich an Aschermittwoch zu treffen, eine Auszeichnung der besonderen Art zu machen: Künftig sollte alljährlich eine Persönlichkeit des Bad Homburger Stadtlebens besondere Erwähnung finden.
Der erste Schwarze Band-Träger, Stadtrat Erich Paesler (SPD), gab es allerdings aus Ärger über einen TK-Artikel wieder zurück. 1995 wurde die Postille eingestellt, seither ist die Aktionsgemeinschaft mit im Boot. Seit 1972 wurde das Schwarze Band jedes Jahr mit wenigen Ausnahmen an Politiker oder andere in der Stadt bekannte Menschen verliehen. 2012 fand die Veranstaltung in Gedenken an den verstorbenen Helmuth Bernecker statt. 2013 gab es keinen Träger; stattdessen übergab Marliese Bernecker dem städtischen Hutmuseum Band und Narrenkappe ihres verstorbenen Mannes. 2014 verlieh sie die Trophäe erstmals selbst - dem ebenfalls inzwischen verstorbenen Unternehmer Werner Wicker.