Fakten für ein gutes Bauchgefühl

Citymanagerin seit fünf Jahren im Einsatz - „Gesunder Branchen-Mix“
Bad Homburg -„Die Klamotten habe ich im Internet bestellt.“ Weil immer mehr Menschen das sagen, hat es der stationäre Einzelhandel nicht leicht. Corona und jetzt die Energiekrise haben die Lage für die Händler noch verschärft, auch in Bad Homburg. Doch hier sei das Sortiment vielfältig, und die Leerstandsquote liege „konstant niedrig bei 5 Prozent“, resümiert Citymanagerin Tatjana Baric bei ihrem Fünf-Jahres-Rückblick. „Wir stehen im Vergleich zu anderen Kommunen hervorragend da“, sagt auch OB Alexander Hetjes (CDU).
Es sei ein „Versuchsballon“ gewesen, so Hetjes, als die Stadt 2018 befristet die Stelle der Citymanagerin ausschrieb. Dabei sei Bad Homburg eine der ersten Städte ringsum gewesen, ebenso beim Zentrenkonzept - es legt fest, welche Waren allein in der Innenstadt verkauft werden dürfen. „Wir wollten jemanden, der sich um die Innenstadt kümmert; eine feste Ansprechpartnerin für den Handel“, so Hetjes. Das sei gelungen; Baric habe ein exzellentes Gespür für die Belange des Einzelhandels. Da dieser weiter mit Veränderungen und Krisen zu kämpfen habe, wurde Barics Stelle nun in der Stadtverwaltung fest verankert.
Mehr als die Hälfte der Läden inhabergeführt
Als sie 2018 begann, sei ihr viel „Bauchgefühl“ begegnet, berichtet sie: „Die Innenstadt sei tot, und es gäbe ja nur noch Ketten und Filialen.“ Das Bauchgefühl müsse man ernst nehmen, denn das steuere ja, ob Menschen in die Stadt gehen oder nicht. Baric lief auch los und zählte nach. „Ich wollte die Lücke schließen zwischen Fakten und Bauchgefühl.“ 332 Geschäfte aus verschiedenen Sortimenten gab es. Nur die Hälfte waren Filialen, darunter die größeren Kaufhäuser.
Einmal im Quartal macht Baric Bestandsaufnahme. Heute sind es 310 Läden, davon 56 Prozent inhabergeführt. Baric: „Die Datenanalyse zeigt, dass wir eine relativ ausgewogene Ausrichtung der Branchen haben“ - ein Indiz für einen gesunden Branchen-Mix. Mehr als 20 Geschäftsräume seien seit 2018 durch Umbauten oder Schließungen weggefallen oder zusammengefasst worden.
In den fünf Jahren haben mehrere Filialisten aus der Mode-Sparte schließen müssen. „Dafür hat aber auch P&C Sortiment und Verkaufsfläche erweitert, und mitten in der Krise kam auf der Ex-C&A-Fläche ,Sinn‘ hinzu.“ Mit dem Restaurant „Isoletta“ am Waisenhausplatz sowie der Interimsfiliale der Volksbank auf der früheren Zeiss/Eifler-Fläche wurden langjährige Leerstände geschlossen. Die Zahl der Handyläden hat abgenommen, die von Gastronomie und Friseuren dagegen zugelegt. Ein zu kleines Angebot gebe es im Bereich junge Mode/Kinderkleidung, räumt Baric ein. Um den Menschen Gründe zu liefern, lieber auf die Louisenstraße zu gehen als im Internet zu bestellen, entwickelte das Citymanagement diverse Aktionen, die Einkaufen erlebnisreicher machen: Live-Musik im Sommer etwa, die Bimmelbahn und die Buden in der Vorweihnachtszeit, das digitale Schaufenster und Kampagnen während der Pandemie, die halfen, dass überhaupt noch Menschen in Geschäfte kamen.
Handydaten geben Auskunft für Aktionen
Stets wichtig für Baric ist das Netzwerken, also das Gespräch mit den Händlern und anderen Akteuren der Branche. Die Meinung der Besucher erfuhr sie durch Befragungen; Wlan-basierte Passantenfrequenzmessungen dienen als Grundlage für neue Projekte - auch hier sei man früher als andere Städte gewesen.
„Resilienz“ heißt das Stichwort für Aktionen, die jetzt geplant werden - der Einzelhandel soll widerstandsfähiger gegenüber Krisen werden. Dazu gehört, dass die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt auch unabhängig von Läden gesteigert wird. Die Aktionen wie Musik oder Weihnachtsstadt, Tennisturnier oder Ostergarten sind der eine, bewährte Teil. „Im Sommer ist es jetzt allerdings manchmal viel zu heiß in der Fußgängerzone, das sind dann No-go-Areas“, weiß die Citymanagerin. Hier will die Fachfrau für den Einzelhandel im Frühjahr mit Maßnahmen gegensteuern, etwa mit konsumfreien Sitzplätzen oder mehr Bepflanzung. Sie werden vom Landesprogramm „Zukunft Innenstadt“ gefördert.
Für Programm „Pop-up-Store“ können sich kreative Geschäftsleute noch bewerben
Bad Homburg erhält 250 000 Euro an Fördergeld vom Land Hessen. Das Programm „Zukunft Innenstadt“ ist für Sofortmaßnahmen gedacht, um schnell auf Herausforderungen zu reagieren. Ziel sei eine positive, erlebbare Wirkung. Erste Maßnahme ist der im November ausgerufene Pop-up-Store-Wettbewerb. Noch bis April können sich Selbstständige bewerben, die vorübergehend eine zu 50 Prozent gesponserte Ladenfläche möchten. Sechs Bewerberinnen konkurrieren bislang um vier Flächen, darunter mit Kunst, Fairtrade-Produkten, Spirituosen und Dingen, „die es hier noch nicht gibt“, heißt es
