Gefiederte Plagegeister

Bad Homburger Politik sucht nach der richtigen Strategie im Umgang mit den Nilgänsen
Im Juli hatte das Stadtparlament emotional über die Nilgans debattiert und sich dabei auf der Sachebene geschlossen gezeigt. Ob Koalition oder Opposition, in einem waren sich die Redner einig: Die Nilgänse und mittlerweile auch die Kanadagänse sind in der Kurstadt weiterhin ein Problem; und zwar eines, das man angehen müsse. Bürgermeister Dr. Oliver Jedynak (CDU) griff dabei einem Antrag der FDP vor und sagte zu, dass Kurdirektor Holger Reuter im nächsten zuständigen Fachausschuss Bericht erstatten werde.
Nun war es so weit und Reuter wie auch Jedynak betonten gleich zu Beginn, wie sensibel und emotional aufgeladen das Thema sei. So habe es in der Vergangenheit, als viele Details zu den „Vergrämungsmaßnahmen“ und „Entnahmen“ (verscheuchen, beziehungsweise erlegen) kommuniziert wurden, verbale und zum Teil auch tätliche Angriffe gegeben.
Möglichkeiten sind eingeschränkt
Zurück zur Sitzung: Die Maßnahmen seien, so erläuterte Reuter, trotzdem von Erfolg gekrönt gewesen. Bereits seit mehr als zwei Jahren gebe es ein Vogel-Monitoring. Dass es zwischenzeitlich einen deutlichen Rückgang der Population gab, habe auch daran gelegen, dass die Gänse, die Wasser und kurzen Bewuchs mögen, vorübergehend in der Baugrube des Sportzentrums in Ober-Eschbach ein neues Refugium gefunden hätten. Mittlerweile seien die Vögel zurück - und mit ihnen die Probleme. Reuter berichtete vom Kot im Froschkönigteich, der die Filteranlage verstopfe und regelmäßig abgefischt werden müsse. Von Beschwerden von Kurgästen, von Verschmutzungen auf den Wiesen und dem Rückgang der Stockenten-Population.
„80 bis 90 Gänse“ habe es zu Beginn der Saison gegeben, derzeit seien es aufgrund der getroffenen Maßnahmen rund 50. Dabei ist die Kur eingeschränkt. „Etwa die Eier aus den Gelegen zu nehmen ist nicht erlaubt. Außerdem sind die Gänse schlau und brüten teilweise hoch in den Bäumen, so dass wir da gar nicht rankämen“, so Reuter, der bilanzierte: „Wir werden mit den Tieren leben müssen - es fragt sich nur, in welcher Dimension.“ Man müsse aktiv bleiben, sonst drohe eine Entwicklung wie in Wiesbaden, wo mittlerweile auch Ornithologen den Abschuss empfehlen.
Im Parlament war mehrfach erwähnt worden, dass sich die Diskussion über die Nilgans nicht auf den Kurpark beschränken sollte. Und auch Reuter stellte klar: „Die Nilgans ist nicht nur ein Problem des Kurparks.“ Man müsse größer denken, „die anderen Parkbetreiber müssen mitspielen.“ Denn die Vögel seien clever und mobil. „Beim Tennisturnier war ihnen im Kurpark offensichtlich zu viel los, da sind viele in Richtung Kronenhof ausgewichen.“ Mit der Schlossverwaltung, so war Tenor im Ausschuss, solle geredet werden.
Mehr gab es dazu jedoch an diesem Abend nicht zu sagen - auch die Flächen in Eigentum der Stadt waren im Anschluss an den Bericht kein Thema. So stellt sich die Politik in der Nilgans-Thematik zwar weiterhin und betont geschlossen hinter Reuter, unternimmt jedoch zunächst keine konkreten Anstrengungen, das Thema ganzheitlich anzugehen. Stadträtin Lucia Lewalter-Schoor (SPD) bedankte sich im Namen des Magistrats bei Reuter und testierte ihm, „sein Bestmöglichstes gegeben“ zu haben. Hendrik Hofmann (CDU) mahnte, man müsse „über den Tellerrand schauen“, da es auch „um die Gesundheit“ gehe. Und Dr. Thomas Kreuder (SPD) spann den Bogen weiter. „Nilgänse sind eine invasive Tierart. Bei den roten Ameisen oder den asiatischen Hornissen würde auch keiner gegen eine Bekämpfung vorgehen.“ Im Gegenteil: „Gegen die Nilgänse muss man vorgehen. Das ist Tierschutz und Gesundheitsschutz“.
Dr. Mareike Possienke (Grüne) vom Ortsbeirat Kirdorf sprach Reuter ihren „Dank für Ihren Einsatz gegen die Tiere“ aus und wünschte dem Kurdirektor „viel Kraft“. Die Biologin stellte klar: „Die Tiere bedrohen die heimische Artenvielfalt. Tierschutz ist nicht gleich Tierschutz.“
Lösungsorientiert zeigte sich die Vertreterin des Jugendbeirats im Gremium. Während ihr Vorschlag, die Maßnahmen auf den sozialen Medien zu erläutern und damit bei den Bürgern Verständnis zu erzeugen, von Reuter mit Verweis auf den bereits über ihn und sein Team hinweggebrausten „Riesen-Shitstorm“ höflich abgelehnt wurde, erntete sie für einen weiteren Vorstoß breite Zustimmung. „Wir werden das Thema als Jugendbeirat aufgreifen und an den Schulen weitergeben.“ So sei möglicherweise vielen Kindern und Jugendlichen unbekannt, dass man die Wasservögel nicht füttern soll.
Füttern ist schon jetzt verboten
In der Tat sind die Hinweise klein. Und ob jeder Bürger die entsprechende Passage der Gefahrenabwehrverordnung (§11, Absatz 3: „Es ist verboten, verwilderte Tauben, Wildtauben sowie Wasservögel und Fische zu füttern“) kennt, darf bezweifelt werden. Darüber, dass das Unterbinden der Fütterung ein wichtiger Baustein eines erfolgreichen Nilgansmanagements ist, herrscht in der Literatur offenbar breite Einigkeit.
Ausschussvorsitzender Alexander Unrath (Grüne) drückte am Ende der Diskussion die Hoffnung aus, dass es zu keinen weiteren Drohungen oder Schlimmerem komme. „Unterschiedliche Meinungen sind gut und gehören zur Demokratie. Aber es darf keine Gewalt geben.“ Die Jagdsaison für Nilgänse hat in Hessen übrigens bereits begonnen, nach der Novellierung des Jagdgesetzes zum ersten Mal schon am 1. August. Mit der Gesetzesänderung soll, wie das Ministerium mitteilte, „die intensivere Bejagung dieser invasiven Art unterstützt werden“.