Herzensprojekt mit Herausforderungen

Sanierung der Engel-Apotheke ist auf der Zielgeraden - Putz muss nochmal untersucht werden
Bad Homburg -Ein Missgeschick vor fünf Jahren hatte sie in Gang gesetzt, die aufwendige Sanierung eines von Bad Homburgs Schmuckstücken: dem historischen Fachwerkhaus der ehemaligen Engel-Apotheke am Schulberg. „Ohne die Lichterkette wäre das Haus vermutlich irgendwann mal zusammengebrochen“, erklärt Hauseigentümer Marc Schrott.
Doch jetzt ist der Apotheker auf der Zielgeraden. „Im April wollen wir fertig sein“, so der Bauherr. Noch im Januar sollen die drei Wohnungen im Haus in die Vermietung gehen. Und auch fürs Ladengeschäft im Erdgeschoss, bis 2018 wurden hier unter dem alten Namen „Engel-Apotheke“ Medikamente verkauft, ist der Mietvertrag bereits aufgesetzt.
Hätte Schrott gewusst, was auf ihn zukommt, er hätte es nicht gemacht. Wegen der schlechten Bausubstanz mussten nahezu alle Wände geöffnet und das Dach komplett ausgetauscht werden. Zudem wurde das Dach des charakteristischen Polygonal-Erkers über dem Eckeingang temporär versetzt. „Klar, für mich als Apotheker ist das ein Herzensprojekt, aber die denkmalgerechte Sanierung hat auch diverse Herausforderungen mit sich gebracht“, erklärt der Pharmazeut, dem nicht nur die Engel-Apotheke jetzt auf der Louisenstraße, sondern auch die Zentral-Apotheke in Steinbach gehört.
Schicksalhafte Lichterkette
Doch zurück in den Januar 2017, als alles begann. Eine von der Stadt beauftragte Firma beschädigte beim Abnehmen der Weihnachtsbeleuchtung die Fassade - der Haken war an einem morschen Balken befestigt. Zimmerermeister und Restaurator Thorsten Raab wurde zu Rate gezogen, um den Schaden zu beheben. „Schnell wurde klar, dass die Substanzschädigung wesentlich umfassender war als angenommen“, erzählt Raab.
So schön das Gebäude ist - die Bausubstanz war äußerst mangelhaft. Die Vorbesitzerin hatte es nach der Sache mit der Lichterkette an ihn verkauft. Dass er die Sanierung dann gestemmt hat, sei „schon Liebhaberei“ gewesen, so Schrott - das teure Unterfangen hatte er auch mit seinen Kindern besprochen.
Drei Jahre lang dauerte die Verjüngung der alten Officin. Zunächst wurde durch Bohrproben festgestellt, welche Balken morsch sind. „Es war klar, da lag noch mehr im Argen - sonst wäre der Schaden nicht so großflächig gewesen“, sagt Raab. Der Gernsheimer ist auf denkmalgerechte Sanierungen spezialisiert und hat den gesamten Umbau begleitet. Das alte Fachwerk war größtenteils marode: Im Holz fand diverse Schädlinge, „von Insekten bis zum Hausschwamm“.
Balken für Balken, meist aus Eichenholz, Zierpfosten für Zierpfosten wurde möglichst originalgetreu ersetzt. Die Gefache wurden, wenn möglich, erhalten; meist handelt es sich um ein Stroh-Lehm-Gemisch. „Wir hatten aber auch einen großen Anteil an Backstein-Mauerwerk“, so Raab mit Verweis auf den Umbau durch Louis Jacobi 1901 bis 1904, der das Eck-Gebäude mit dem Nachbarhaus verband. Bei diesem Umbau, resümiert Hausbesitzer Schrott, wurde auf Schönheit geachtet, aber nicht in die Bausubstanz geschaut.
Schwebender Erker
Raab und der Statiker überzeugte die Denkmalbehörden, dass das Dach ersetzt werden musste. „Die Ämter haben die Hände überm Kopf zusammengeschlagen“, erinnert sich Raab. So wurde 2021 der Dachstuhl aus Nadelholz abgebaut und die oberste Geschossdecke mit Bitumen abgedeckt.
In diese Zeit fiel auch die temporäre Versetzung des Erkerdachs: In einer spektakulären Aktion wurde im Frühsommer 2021 das Dachrondell des Erkers abgehoben und auf der Bitumen-Abdeckung geparkt. Denn der 90 Zentimeter hohe Wandkranz - quasi der Sockel, auf dem das Erkerdach sitzt - musste ebenfalls saniert werden. Anschließend wurde alles wieder aufeinander gesetzt.
Zumindest konnte die historische Decke im Turmzimmer erhalten werden. Die Mieter einer der beiden Wohnungen, die im Obergeschoss entstanden sind, werden sie bewundern können. Die 90 bis 150 Quadratmeter großen Domizile, teils auf zwei Ebenen, sind laut Schrott noch zu haben, nebst einer kleineren Wohnung rechts im Erdgeschoss. Zugunsten von ihr wurde die Ladenfläche etwas verkleinert. Hinterm Haus wird noch ein Holzbalkon angebaut. Wer sich für die Wohnungen interessiert, kann sich bei Marianne Wieczorek per E-Mail an verwaltung@medicoline.eu melden.
Das alte Haus wurde nicht nur statisch erneuert, sondern auch nachhaltig gemacht: Statt mit Gas wird nun per Wärmepumpe geheizt und im Sommer gekühlt. „Eine Investition in die Zukunft“, so Schrott. „Gäbe es keine Abschreibungsmöglichkeiten für solche Ausgaben“, meint er, würde wohl niemand alte Häuser in die Gegenwart hinüberretten.
Noch immer ist der Bürgersteig am Schulberg abgesperrt, obwohl die Hauswand inzwischen weiß strahlt. „Es haben sich Teile des Putzes gelöst“, erzählt Schrott. Das wird nun erneut untersucht - es ist möglich, dass der Putz noch mal neu aufgetragen werden muss.
Seit 1747 wurde am Schulberg Medizin verkauft
Die Engel-Apotheke am Schulberg gilt als älteste Pharmazie im Umkreis - noch älter ist nur die Usinger Amtsapotheke (gegründet 1680). In Homburg hatte Landgraf Friedrich II. 1684 das Privileg gestattet, in den Gassen Medikamente zu verkaufen, weil “bey ermangelung weniger geringer Medicamenten öfters ein Halbbettlägerige Person in Lebensgefahr geräth“. Eine erste „Officin“ befand sich an anderer Stelle der Altstadt. Seit 1747 wurden am Schulberg 7 (dem Eckhaus mit dem Erker) von Johann Ludwig Heinzenberger Heilmittel verkauft.
Von 1901 bis 1904 wurden nach Plänen des Homburger Baumeisters Louis Jacobi die Fachwerk-Wohnhäuser Schulberg 7/9 zusammengelegt. Auch das historische Apotheken-Interieur, das eingelagert wurde, stammt von Jacobi. Der Raphael-Engel über dem Eck-Eingang wurde von August Stenger geschnitzt. 2018 zog die Apotheke um in die Louisenstraße, da sie auf der kleinen Ladenfläche am Schulberg nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben war.

