Immer mehr Laien machen den Motorsägen-Führerschein
An kalten Abenden ein kuscheliges Kaminfeuer zu genießen ist eine feine Sache. Für immer mehr Menschen gehört auch das Schlagen des Kaminholzes zum Rundum-Wohlfühl-Erlebnis-Paket. Um vom Förster die Erlaubnis zu bekommen, mit der Motorsäge in den Wald zu gehen, muss man zuvor jedoch den „Motorsägen-Führerschein“ machen.
Ausgestattet mit speziellem Schutzhelm, Schnittschutzhosen, Sicherheitsschuhen und -handschuhen folgen die Kursteilnehmer Volker Guses Ausführungen zum Thema Baumschnitt. In der Theorie haben sie am vergangenen Abend schon viel über „Sicherheit bei der Waldarbeit“ gelernt: Unfallverhütung, Sicherheitseinrichtungen, Handhabung und Bauteile der Motorsäge sowie das Anlegen des korrekten Fallkerbs standen bis spät am Abend auf dem Programm. Nun heißt es, bei fiesem Dauerregen und mit klammen Fingern das Gelernte in die Praxis umzusetzen. Manch einer würde jetzt lieber vor dem heimischen Kaminfeuer sitzen, als das Brennholz für selbiges zu schlagen.
Wildwuchs brachte Schäden
Oberhalb der Saalburg kommen die Motorsägen derjenigen, die demnächst ihr Brennholz selbst „ernten“ oder Obstbäume mit Profigerät stutzen wollen, zum Einsatz. „Einen kleineren Baum unter einfachen Verhältnissen zu fällen“, lautet das Ziel der praktischen Übung.
Zehn Teilnehmer aus dem ganzen Hochtaunuskreis und aus Frankfurt haben sich zum insgesamt zwölfstündigen Motorsägenkurs angemeldet. Mit dem qualifizierten Zertifikat erhalten sie bei Forstämtern und Privatwaldbesitzern die Erlaubnis zum „Brennholz selbst werben“, wie es in der Fachsprache heißt. Seit 2012 ist die Bescheinigung Voraussetzung zum „Holzmachen“ im Wald. Früher wurde der Umgang mit der Motorsäge laxer gehandhabt; ein „Wildwuchs“, der zu vielen Unfällen und Beschädigungen in der Natur führte. Jetzt gelten also strengere Regeln: „Hessen war hier schon immer Vorreiter“, lobt Forstwirtschaftsmeister Guse, der bundesweit Profis und Privatleute im sicheren Umgang mit der Motorsäge schult.
50 Interessierte pro Jahr
Bei Günter Busch fragen pro Jahr etwa 50 Privatleute an, die sich ihr Brennholz aus dem Wald holen wollen. Vorausgesetzt, sie haben das Zertifikat, weist ihnen der Bad Homburger Stadtförster einen Platz zu, wo sie innerhalb einer bestimmten Zeit gegen einen kleinen Obolus (20 Euro pro Raummeter Holz) Liegendholz – also die Reste von gefällten Bäumen – kleinsägen und abtransportieren dürfen, Durchfahrtsgenehmigung inklusive. „Selbstverständlich kontrollieren wir das auch. Und jetzt ist sowieso wegen der Brut- und Setzzeit erst einmal für einige Monate Pause“, so Busch. Auch Kerbeburschen, die kleine Birken fürs Straßenschmücken holen, Katzenfreunde, die einen Kratzbaum suchen, und Hochzeitsgäste, die einen Baumstamm zum Durchsägen wollen, werden bei ihm vorstellig. „Aber zu 95 Prozent sind es Freizeitselbstwerber, die ihr Kaminholz holen.“ Für den Motorsägen-Kurs hat er der veranstaltenden Firma Volk (siehe Text unten) auf einer kleinen Lichtung Bäume markiert, an denen die Teilnehmer nun in Fünfer-Gruppen praktizieren.
Aber nicht alle Teilnehmer wollen in erster Linie relativ günstig ihr eigenes Brennholz schlagen. Gunnar Miller gehört dem Bad Homburger Landschaftsschutzverein Platzenberg an, und zur Pflege der dortigen Obstbäume gehört auch der professionelle Baumschnitt. „Je mehr Mitglieder mit der Motorsäge umgehen können, desto besser“, erklärt er seine Motivation. Dass er mit dem Zertifikat in der Tasche demnächst auch für den privaten Kamin Holz werben kann, ist für den Jäger ein schöner Nebeneffekt.
Freizeitgestaltung
Alexander und Marcus Steingräber betrachten das „Holzmachen“ als brüderliche Freizeitgestaltung mit sportlich-praktischem Nebeneffekt. Patrick Moise wiederum hat den Einsteigerkurs gebucht, weil er als Landschaftsgärtner tätig ist, will aber auch den Profikurs absolvieren. Denn für Feuerwehr, Landwirtschaft, Gartenbau und Kommunen (etwa Betriebshofmitarbeiter) bietet Volker Guse im Juni einen fünftägigen Profi-Kurs über 40 Stunden an, wo es dann richtig zur Sache geht, das Fällen großer Bäume gelehrt wird und auch eine Prüfung zu absolvieren ist.
Am Abend ist es geschafft, alle zehn Neulinge halten ihr Zertifikat in den Händen und freuen sich, denn: Einen Kamin haben viele, einen „Motorsägen-Führerschein“ nicht.