Wie Kinder Kunst im Blick haben
Die Blickachsen 2017 haben Konkurrenz bekommen: Denn auch die Kinderblickachsen sind in jeder Hinsicht sehenswert. Hier setzen Nachwuchskünstler Querköpfe in Szene und lassen Figuren aus Büchern steigen.
Muss man ein großer Künstler sein, um Kunst zu schaffen? Wohl eher nicht. Weder groß im Sinne von erwachsen, noch namhaft, um die Vielfältigkeit der Kunst zu zeigen.
Wie Nachwuchskünstler anfangen, was durch ihre Wahrnehmung und Sinne in die formbare Welt transportiert wird – das zeigt die neue Ausstellung Kinderblickachsen. Zu sehen ist sie sowohl in der Bad Homburger Stadtbibliothek als auch in der Orangerie.
An der Ausstellung der Nachwuchskünstler „nahmen dieses Mal weit über 170 Kinder teil“, sagt Petra Kirchberg, Leiterin der Kunstschule in Bad Homburg, die die Kinderblickachsen zum vierten Mal ausrichtet. Workshops in den Ferien und fortlaufende Kurse gaben den Kindern die Möglichkeit, ihrer Fantasie und Kreativität freien Lauf zu lassen. Binnen gut einem halben Jahr kam so eine Vielzahl von Werken zusammen, die nun das erste Mal in der gesamten Stadtbibliothek zu sehen sind.
Angesichts der Fülle von Kunstobjekten sei das eine sehr gute Entscheidung gewesen, gab’s viel Lob von den Besuchern. Denn durch das großzügige Aufstellen im Raum oder an den Bücherregalen kann jedes Kunstwerk seine ganze Pracht entwickeln.
„Das ist ein sehr unverstellter Blick auf Kunst“, sagt Kirchberg (siehe auch weiteren Text). Ganz unterschiedliche Werke gibt es zu bewundern, von denen viele eine Gemeinschaftsproduktion junger Künstler sind. Dazu gehört auch ein Baum, ganz offensichtlich eine Art Birke, der unter dem Titel „Das große Flattern“ steht. Viele der Kinder haben Schmetterlinge befestigt, die in Form und Farbe deutlich variieren. Zarte Schmetterlinge aus gefärbtem Papier, fast schon so zart, dass sie bei einem Windhauch davonzufliegen drohten. Sie schweben neben kräftigeren Exemplaren, die kunstvoll aus Wolle oder einem Materialmix entstanden. Bunt ist der Baum und überaus dekorativ. Figuren, die aus Büchern steigen und damit symbolisch die Bücherwelt zum Leben erwecken, faszinieren die Besucher ebenfalls.
In den anderen Stockwerken gibt es gleichfalls kleine und große Werke, überwiegend aus Pappmaché zu sehen.
Unter dem Titel „Querköpfe“ zeigt der 11-jährige Felix sein neuestes Kunstwerk. „Ich mag Kunst und male viel“, sagt er bescheiden. Sein Ausstellungsstück zeigt dieses Mal weder ein Rennauto noch ein sonst eher typisches „Jungenmotiv“. „Das ist ein Banker“, sagt er mit einem Schmunzeln und deutet auf einen Mann mit Schlips um den Hals. Den Kopf ein wenig schräg gelegt, die Zunge rausgestreckt und die Krawatte so gebogen, als wolle er sie sich über die Schulter werfen. Doch warum streckt er die Zunge raus? „Ich weiß nicht, ich fand es einfach witzig“, sagt er. Und vielleicht sei es eben genau das, was man angesichts der warmen Temperaturen gern einmal tun würde, vor allem mit Blick auf die strenge Kleiderordnung, die in Banken vorherrscht. Für die schrägen Köpfe hat es eine Gießform gegeben, in die er das Material hineindrückte. Das Ausprobieren, „einfach mal was anderes zu machen, das hat mir echt gut gefallen“, sagt Felix.
Mit Materialien gespielt
Nia hingegen entschied sich für eine Frau. Und auch wenn sie es nicht beabsichtigt hatte, wirkt die „Dame“ dann doch ein wenig älter. „Ich habe mit den Materialien einfach gespielt und ausprobiert, was ungefähr passen könnte“, erzählt sie. Richtig stolz auf ihre Gemeinschaftsarbeit ist Johanna. Die Sechsjährige präsentiert eine riesige gelbe Raubkatze mit schwarzen Flecken. Das Werk zieht viele bewundernde Blicke auf sich, nicht nur von Besuchern, sondern auch die der anderen Künstler. Denn schließlich scheint die Raubkatze aus Pappmaché direkt aus dem Urwald, den die Künstler aus langen Stöcken gefertigt haben, herauszuspähen.
Marie Lou auf dem Fahrrad, umgeben von kleinen Tieren, empfängt die Besucher in der Orangerie. Damit die niedlichen kleinen Tiere auch rechtzeitig bis zur Ausstellung fertig wurden, verwendeten die Künstler Klebeband und Papier, um Arme, Beine und knubbelige Körper zu formen.
Ikea-Lampen gaben wiederum für eine Familiengruppe den formstabilen Körper – so wird aus Alltagsgegenständen Kunst.
Die Ausstellung ist noch bis zum 12. August in der Bad Homburger Stadtbibliothek, Dorotheenstraße 24, und in der Orangerie im Kurpark zu sehen.