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„Kinderwasserwaage statt Lasergerät“

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Der Glasfaser-Ausbau schreitet in Bad Homburg voran - trotz einiger Schwierigkeiten. Anwohner und Stadt haben sich über die Qualität der Arbeiten beschwert, weshalb nun ein neues Bauunternehmen übernimmt.
Der Glasfaser-Ausbau schreitet in Bad Homburg voran - trotz einiger Schwierigkeiten. Anwohner und Stadt haben sich über die Qualität der Arbeiten beschwert, weshalb nun ein neues Bauunternehmen übernimmt. © dpa-tmn

Glasfaser-Vermarktung endet - Neuer Dienstleister nach Beschwerden über Unprofessionalität

Bad Homburg -Die Tinte ist trocken. Sechs Monate hatten Privatleute und Betriebe im Glasfaser-Ausbaugebiet „Bad Homburg Stadt“ die Möglichkeit, sich einen kostenfreien Glasfaseranschluss zu sichern, jetzt ist die Vermarktungsphase abgeschlossen. „Wir befinden uns aktuell in der Auswertung“, bestätigt Johannes Pöhle vom Anbieter GVG Glasfaser den Ablauf der zwischendurch bis zum 30. September verlängerten Frist. Wie in den anderen Ortsteilen auch konnte der Anbieter genügend Haushalte für die neue Technik begeistern. „Wir haben in allen abgeschlossenen Teilgebieten die für einen eigenwirtschaftlichen Glasfaserausbau benötigte Quote erreicht“, so Pöhle. Heißt: Mindestens 40 Prozent haben sich für den Anschluss entschieden.

Damit ist die Vermarktung der schnellen Internet-Leitungen in Bad Homburg nach annähernd zweieinhalb Jahren - los ging es im Mai 2021 in Dornholzhausen - abgeschlossen, denn die Kernstadt war der letzte Ortsteil, in dem nach Interessenten gesucht wurde. Bis Internetnutzer dort blitzschnell im Netz surfen können, wird es aber noch etwas dauern. Aktuell finalisiert GVG den ersten Bauabschnitt in Dornholzhausen. Hier seien die Arbeiten zu „98 Prozent abgeschlossen“, informierte Unternehmenssprecherin Verena Dittrich jüngst. Anschließend soll parallel zu den laufenden Arbeiten in Ober-Erlenbach dann auch in Kirdorf mit dem Ausbau begonnen werden. Mehr als zwei Ortsteile gleichzeitig dürfen GVG und deren Firmen nämlich nicht beackern. „Aufgrund der hohen Kontrollerfordernis ist das eine Auflage der Stadt“, sagt Stadtsprecher Thomas Steinforth.

Tatsächlich musste die Verwaltung einen Mitarbeiter vom Betriebshof extra für eine tägliche Kontrolle der Baustellen abstellen. Denn reibungslos verliefen die Bauarbeiten, die im Juni 2022 in Dornholzhausen gestartet waren, nicht - der Ausbau war im Sommer Dauerthema im Ortsbeirat. „Was hier abgelaufen ist, habe ich noch nie erlebt, eine unterirdische Erfahrung“, sagte ein Dornholzhäuser dieser Zeitung und meinte damit Bauarbeiter, die mehrere Wochen gebraucht hätten, um „ein einziges Kabel“ zu verlegen. „Ich habe hier drei bis fünf Bauleiter und fünf bis zehn verschiedene Bautrupps gesehen. Was die auf drei Metern veranstaltet haben, war unglaublich“, behauptete der Mann und zählte auf: „Unqualifizierte Arbeiter aus dubiosen Subunternehmen, lustlos, mit den falschen Instrumenten, ohne Sicherheitsschuhe, mit keinerlei Deutschkenntnissen und am Wochenende wurden im Ortsteil bis nachts um halb 10 Uhr ganze Straßenzüge durchwälzt.“ „Das war alles hochgradig unseriös“, so das Verdikt des Anwohners.

Gasleitung angebohrt

Auch aus Ober-Erlenbach kamen Anschuldigungen. Die Arbeiter hätten seine Gasleitung angebohrt, sagte ein Mann. Als Beweise hatte er dieser Zeitung einige Fotos zugesandt. Zu sehen waren ein großes Loch und eine notdürftig per Manschette geflickte Leitung. „Dabei habe ich den Arbeitern vorher extra Pläne vorgelegt“, sagte der Anwohner. 40 Zentimeter unter der Oberfläche sollte das Kabel verlegt werden. „Am Ende haben sie die Gasleitung, die zwei Meter unter dem Boden liegt, nach drei Metern Bohrung getroffen“, sagte er und kritisierte die „technisch primitiv“ durchgeführten Arbeiten. „Die hatten eine kleine Kinderwasserwaage dabei statt einem Lasergerät.“ Auch er monierte die Bedingungen auf den Baustellen im Ort. Dadurch geriet der Ausbau wohl ins Stocken. Eigentlich wollte GVG bereits im Frühjahr dieses Jahres in Dornholzhausen fertig sein. Ein Versorger habe durchgesetzt, dass der beauftragte Subunternehmer nicht mehr graben dürfe, berichtete diese Zeitung im Juni aus dem Dornholzhäuser Ortsbeirat - zu oft seien Leitungen beschädigt worden.

Die Stadt hat das teilweise bestätigt. Tatsächlich habe der Fachbereich Tiefbau insoweit Druck aufgebaut, dass er die Tätigkeiten der Subunternehmer konsequent kontrolliere, hieß es aus dem Rathaus. „Leider entsprechen die Firmen nicht den städtischen Ansprüchen an Qualität und Ausführung. Aus diesem Grund wurde auch Firmen die Weiterarbeit untersagt“, so Stadt-Sprecher Thomas Steinforth. Besonders „mangelhafte Baustellenabsicherungen, welche immer wieder nachgebessert werden mussten“, kritisierte die Stadt. Zudem habe die Ausführung oft nicht den anerkannten Regeln der Technik entsprochen. „Ein wesentlicher Punkt ist hier die Wiederverlegung des Pflasters. Unebenheiten, welche die zulässigen Toleranzen überschreiten, sowie auch die generelle Verlegung des Pflasters ist in Teilen mangelhaft gewesen“, sagte Steinforth. „Zudem kam es zu Beschädigungen an privaten Einfriedungen, hervorgerufen durch unsauberes und unkoordiniertes Arbeiten.“

Bei der GVG Glasfaser ist man darüber im Bilde. „Seit Baubeginn stehen wir in engem Austausch mit der Stadt und dem städtischen Tiefbauamt“, sagt Sprecherin Dittrich. Die Leistung des beauftragten Bauunternehmens Vitronet entspreche auch „unseren Ansprüchen in Qualität und Ausführung in keinem Fall. Daher haben wir uns dazu entschieden, ein neues Generalunternehmen zu beauftragen, welches die Ausbauarbeiten in den Stadtteilen Ober-Erlenbach, Kirdorf, Gonzenheim und Ober-Eschbach übernehmen wird“, so Dittrich. „Zeitnah“ wolle man mit dem neuen Generalunternehmen in den nächsten Bauabschnitt starten.

Parallel zu den laufenden Ausbauarbeiten würden die Mängel bereits ausgebessert, so GVG. Um zukünftig eine bessere Kontrolle zu gewährleisten, habe man eine Meldekette mit den Ortsbeiräten in Dornholzhausen und Ober-Erlenbach etabliert. Bürger könnten alle Fragen zum Netzausbau und Hinweise an das Tiefbauamt richten, das diese direkt an die GVG-Bauleitung weitergebe.

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