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Kommunale Versorgung hat Potenzial

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Das Blockheizkraftwerk in der Gartenfeldsiedlung versorgt etliche Haushalte über ein rund fünf Kilometer langes Nahwärmenetz. Foto: Konopatzki
Das Blockheizkraftwerk in der Gartenfeldsiedlung versorgt etliche Haushalte über ein rund fünf Kilometer langes Nahwärmenetz. © hko

Bei der Heiz-Diskussion könnte den Bad Homburger Stadtwerken eine Schlüsselrolle zukommen, vor allem die Nah- und Fernwärme steht im Fokus.

Bad Homburg -Auch wenn es in Berlin derzeit knackt und knirscht: Irgendwann wird die Energiewende in den heimischen Heizungskellern ankommen (müssen). Dabei dreht sich die Diskussion vor allem um die individuellen Wärmepumpen. Doch es gibt auch andere Möglichkeiten, das Zuhause warm zu bekommen. Stichwort: „Wärmecontracting“ beziehungsweise Nah- und Fernwärmesysteme.

Die Stadtwerke Bad Homburg beschäftigen sich, wie der städtische Eigenbetrieb auf Nachfrage mitteilt, seit etwa zehn Jahren mit der „Transformation der Energieinfrastruktur“. In den vergangenen Jahren wurden unter anderem Nahwärmeinseln und ein zentrales innerstädtisches Fernwärmenetz, versorgt aus der Heizzentrale am Bahnhof, initiiert und errichtet.

Es sind meist unscheinbare Zweckbauten. Augenfällig ist hingegen die Heizzentrale an der Vilbeler Straße in Ober-Erlenbach. Von dort aus werden die rund 300 Wohneinheiten des Neubaugebiets Hühnerstein mit Nahwärme versorgt - die thermische Leistung des Blockheizkraftwerks beträgt 430 Kilowatt, die elektrische 387 Kilowatt. Das Nahwämenetz im Hühnerstein ist rund 3,2 Kilometer lang.

Insgesamt haben die Stadtwerke im Jahr 2020 - so weist es der Beteiligungsbericht aus - 19 271 Megawattstunden Wärme geliefert. Denn auch andernorts gibt es solche Netze. 2012 übernahmen die Stadtwerke das aus den 1970er Jahren stammende Heizkraftwerk in der Gartenfeldsiedlung - samt des rund 5000 Meter umfassenden Leitungsnetzes. Ebenso wie im kleinen Blockheizkraftwerk in den Homburger Höfen auf dem ehemaligen Stadtwerke-Gelände am Europakreisel wird dort Bio-Methanol verfeuert. Zumindest theoretisch. Denn das Gas „wird bilanziell vom Erzeugungsort in das deutschlandweite Gasnetz eingespeist“.

Netz soll klimafreundlicher werden

Das bedeutet, „dass die Stadtwerke zwar am Markt Bio-Methan einkaufen und bilanzieren, aber am Versorgungsort die Gasqualität aus dem örtlichen Verteilnetz entnommen wird.“ Im Endeffekt also so wie der Öko-Strom in Privathaushalten: Der eingekaufte Strom wird garantiert umweltschonend produziert und ins Netz eingespeist. Aber ob die Spannung daheim jetzt von Windkraftanlagen, Wasserkraftwerken oder Atomkraftwerken sichergestellt wird, lässt sich nicht direkt beeinflussen.

Dabei gibt es Überlegungen, die bestehenden Netze künftig klimafreundlicher zu machen. „Aktuell beleuchten die Stadtwerke die Transformationsmöglichkeiten der Wärmeerzeugung auf CO2-Neutralität hin, erklärt der für die Stadtwerke zuständige Dezernent, Bürgermeister Dr. Oliver Jedynak (CDU).

Anschluss ist für Nachbarn prinzipiell möglich

Auch könnten die bestehenden Netze noch erweitert werden. „Gerade im Umfeld der bestehenden Fernwärmenetze bieten sich noch viele Anschlussmöglichkeiten für interessierte Eigentümer von Gewerbe- oder Wohnliegenschaften“, sagt der für das Geschäftsfeld der Energiedienstleistungen zuständige kaufmännische Direktor Ralf Schroedter.

Und tatsächlich: Derzeit werden Anwohner und Eigentümer im Gewerbegebiet Mitte angeschrieben und informiert. Erste Kontakte bestünden bereits. Auch das aktuell im Umbau befindliche ehemalige Industrieareal in der Justus-von-Liebig-Straße erhalte eine Heizzentrale, die mittelfristig auf CO2-Neutralität ausgerichtet sei. „Dort möchten die Stadtwerke ebenso einen Beitrag zur Energiewende liefern, denn Nahwärme ist nur CO2-neutral, wenn die genutzten Brennstoffe und Energieträger dies sind.“

Dabei plant die Stadt vorausschauend. Der Raum für die Heizungsanlage des neuen Sportzentrums Süd etwa scheint auf den ersten Blick überdimensioniert. Doch von der dortigen Anlage aus könnte in Zukunft das erweiterte Gewerbegebiet Massenheimer Weg mit versorgt werden.

Um koordiniert vorgehen zu können, arbeitet die Stadt derzeit an einem kommunalen Wärmeplan, der Bedarfe und Möglichkeiten systematisch analysiert. An diesem Plan werden sich die Stadtwerke ausrichten. „Die Technologieanforderungen dieses kommunalen Wärmeplans werden für weitere Aus- und Umbaupläne der Stadtwerke maßgeblich sein“, betont Jedynak. Doch es gibt einen Haken: Der aktuell in ganz Deutschland beklagte Material- und Fachkräftemangel erlaube auch den Stadtwerken keine kurzfristige Umsetzung der Projekte, die man gerne umsetzen würde. Man setze daher verstärkt auf Ausbildung und sorge durch Weiterbildung des bereits sehr spezialisierten eigenen Personals für die notwendige Expertise im eigenen Haus. Jedoch seien auch Dienstleister in allen handwerklichen und technischen Bereichen knapp.

Andere aktuelle Projekte wie Photovoltaik für Gewerbekunden, der Ausbau der Ladeinfrastruktur für E-Mobilität im öffentlichen Parkraum und im Gewerbebereich dienen ebenso der Energiewende und Nachhaltigkeit in Bad Homburg, betont der Eigenbetrieb. „Gerne möchten die Stadtwerke diese Projekte auch auf Bestandsliegenschaften von Eigentümern kleinerer Wohn- und Gewerbegebäude, gerade auch als Contracting-Lösungen, ausweiten.“ Bei diesen Lösungen stellt der Auftragnehmer die Infrastruktur bereit, der Auftraggeber verpflichtet sich im Gegenzug, die Leistungen über einen meist längeren Zeitraum über den Auftragnehmer zu beziehen. Die Stadtwerke seien vorbereitet, „allerdings müssen die vorher zu prüfenden technischen Voraussetzungen den Umbau im Bestand erlauben“, sagt Lucas Scheid, der bei den Stadtwerken für die Themen Photovoltaik und Ladeinfrastruktur zuständig ist.

Doch noch einmal zurück zur Nah- und Fernwärme. Man will ja „weg vom Gas“. Gilt das auch für die Gas-Blockheizkraftwerke? „Sollen die politisch gesetzten Klimaziele erreicht werden, müssen auch in der Fern-/Nahwärme alternative Energien eingesetzt werden“, betonen die Stadtwerke. So beschäftige man sich bereits mit Alternativen wie Pellets, Biomasse, Geothermie und Großwärmepumpen. Insbesondere gebe der kommunale Wärmeplan die Ausrichtung der zukünftigen Art der Wärmeversorgung vor.

Energiesektor setzt auf Wasserstoff

Ein neues Netz braucht in absehbarer Zeit übrigens nicht verlegt zu werden. „Laut Studien und Pilotprojekten durch die Gasnetzbetreiber könne davon ausgegangen werden, dass generell eine Beimischung von Gasen mit anderer Qualität als Erdgas H bis zu einem gewissen Grad möglich ist“, teilen die Stadtwerke auf Nachfrage mit. Der Flaschenhals sei jedoch die heimische Anlage, „also die Heizkessel und Thermen in den Haushalten. Hier wird derzeit davon ausgegangen, dass eine Beimischung von 10 bis 20 Prozent Wasserstoff auch in Bestandsheizungen kein Problem darstellen.“

So gehe die Branche derzeit zwei alternative Wege, um die Wärmeversorgung nachhaltig zu gestalten. „Im Haushalts/-Gewerbebereich sollen Wärmepumpen und Solarthermie langfristig die klassische Heizung ersetzen und dabei die Gasversorgung generell verdrängen. Für den Industriebereich und die Energieerzeugung wird der Wasserstofftechnologie eine tragende Rolle zugesprochen.“

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