Neuer Bad Homburger OB: "Meine Tür ist immer offen"
Gestern morgen waren Sie noch ein 35 Jahre junger OB-Kandidat, Versicherungsvertreter und CDU-Fraktionsvorsitzender, in zweieinhalb Monaten sind Sie mit 36
Gestern morgen waren Sie noch ein 35 Jahre junger OB-Kandidat, Versicherungsvertreter und CDU-Fraktionsvorsitzender, in zweieinhalb Monaten sind Sie mit 36 Jahren OB von Bad Homburg. Ist das bei Ihnen schon angekommen?
ALEXANDER HETJES: Nein. Dafür ist der Abstand noch zu frisch. Ich denke, ich werde es erst in ein paar Tagen final realisiert haben, was das für mich bedeutet. In jedem Fall bin ich enorm dankbar für den Vertrauensvorschuss, den die Bürgerinnen und Bürger mir mit ihrem Votum gegeben haben. Jetzt gilt es für mich, alles zu geben und vor allem, nicht zu enttäuschen.
Ab welchem Zeitpunkt haben Sie gemerkt, dass es klappen kann, den Amtsinhaber zu kippen? Und sagen Sie jetzt nicht von Anfang an . . .
HETJES: Im Wahlkampf als Kandidat zu stehen, ist eine enorm spannende und lehrreiche Sache. Wir hatten ein detailliertes Konzept, genau festgelegte Zeitstufen und haben uns davon nicht abbringen lassen. Und das Interessante war: Nach jeder einzelnen Stufe habe ich gemerkt, dass die Rädchen allmählich ineinander greifen, also die Hausbesuche, die Haus-Partys, die Diskussionen an den Ständen. Wenn ich anfangs irgendwo geklingelt und mich vorgestellt habe, wurde ich noch argwöhnisch begutachtet, als ob ich von den Zeugen Jehovas käme (lacht). Mit der Zeit kannten mich die Leute und ich merkte, die Mobilisierung greift. In den letzten Wochen an den Wahlständen in der Innenstadt, da gab es dann tatsächlich den einen oder anderen Moment, an dem ich dachte, dass es klappen kann. Denn da habe ich bei vielen richtiggehend gemerkt, dass nach Gesprächen mit mir oder meinem Team die Entscheidung der Bürger zu meinen Gunsten gefallen ist.
Woran hat es gelegen, dass die Homburger mehrheitlich Sie gewählt haben?
HETJES: Ich denke, es lag vor allem an unserem sachlichen Wahlkampf – trotz der Anfeindungen vor allem während der Stichwahlkampfzeit. Wir haben Missstände aufgezeigt, aber zugleich auch Verbesserungs- und Lösungsvorschläge aufgetan, mithin also Inhalte transportiert. Das wollten und wollen die Leute.
Sie hatten am Sonntag den sachlichen Wahlkampf bereits als einen Grund genannt. Aber vor dieser OB-Wahl haben beide Lager zum Teil sehr geholzt. Es gab auf beiden Seiten persönliche Attacken . . .
HETJES: Wir haben nur Fakten genannt. Und die musste man auch nennen, denn für uns sind sie einfach nicht tragbar.
Dennoch müssen wir noch mal nachbohren: Bleiben nicht Verletzungen zurück?
HETJES: Es dürfen keine Verletzungen zurückbleiben! Ich habe allen politischen Vertretern am Sonntagabend gesagt, dass der Wahlkampf jetzt vorbei ist und meine Tür künftig immer offen ist und ich für Gespräche zur Verfügung stehen werde. Mein großes Ziel, und auch das der CDU, ist es, den harten rauen Ton aus dem Parlament herauszubekommen. Diese persönlichen Angriffe müssen aufhören. Daran müssen alle arbeiten – und ich werde mit gutem Beispiel vorangehen.
Der Wahlkampf war auch eine ordentliche Materialschlacht. Darf man fragen, was ihr Wahlkampf gekostet hat?
HETJES: Wir haben einen hohen fünfstelligen Betrag ausgegeben. Nachzulesen sein wird der in unserem Rechenschaftsbericht, in dem auch steht, wer uns was gespendet hat. Klar ist aber auch: Der Großteil des Geldes stammt aus der Parteikasse. Die wiederum greift auf Spenden der Mandatsträger und Mitgliedsbeiträge zurück. Allerdings wären Leistungen wie Texten und Layouten von Anzeigen, Türschildern und Co. überhaupt nicht zu finanzieren gewesen, hätte unser Parteivorsitzender Thorsten Bartsch sie nicht in endlosen Nachtschichten selbst übernommen. Das sollte an dieser Stelle auch mal gesagt werden.
Ist denn jetzt überhaupt noch Geld für die Kommunalwahl übrig?
HETJES: Es wird eine Herausforderung, ein halbes Jahr nach Amtsantritt eine Kommunalwahl zu führen. Schauen wir mal, wie wir das stemmen können. 2021 wird’s dann immerhin wieder leichte,r da fallen OB- und Kommunalwahl zusammen. . .
Apropos OB: Noch-OB Michael Korwisi war am Sonntagabend sichtbar geknickt. Haben Sie Mitleid mit ihm?
HETJES: Also das ist mir natürlich nicht verborgen geblieben. Und ich sage mal: Jeder, der einen Funken Menschlichkeit in sich trägt, den bewegt das natürlich.
Wie passiert zwischen heute und dem 18. September, Ihrem Amtsantritt? Wie bereiten Sie sich auf das Amt vor?
HETJES: Ehrlich gesagt, brauche ich jetzt eine ganz kurze Verschnaufpause. Nur eine Woche Ruhe. Danach werde ich mich mit den hauptamtlichen Dezernenten treffen und Gespräche über die Dezernatsverteilung führen, auch Korwisis Angebot annehmen, und mit ihm sprechen. Ich werde auch mit den Mitarbeitern der Verwaltung sprechen, mich mithin intern und extern auf die Amtsübernahme vorbereiten. Und bevor Sie fragen: Extern bedeutet, dass ich sicher viel mit unserem Parteichef Thorsten Bartsch sprechen werde oder mit meinen Vorgängern. Es wäre fahrlässig, nicht von ihrem oder dem Know-how anderer zu profitieren.
Es ist nicht davon auszugehen, dass Gabriele Korwisi Personalchefin bleibt, oder?
HETJES: Nicht nach dem aktuellen Stand.
Es gibt noch weitere spannende Personalfragen – was wird beispielsweise aus Beate Fleige? Wir sie Kulturdezernentin bleiben?
HETJES: Sie hat ja öffentlich gesagt, dass sie nicht mit mir zusammenarbeiten will. Ich bedaure das, werde mich aber insofern nach einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin umschauen
Und bleibt Herr Kraft fürs Soziale zuständig?
HETJES: Darüber kann ich erst etwas nach unserem Gespräch sagen.
Dass Herr Krug wieder mehr arbeiten muss, haben Sie bereits angekündigt. Wird er sich in Zukunft auch wieder um die Finanzen kümmern?
HETJES: Ja! Wir brauchen eine funktionierende Verwaltung. Wir müssen einen Haushaltsplan 2016 aufstellen und er hat Erfahrung darin. Es wäre fahrlässig, seine Kenntnisse nicht zu nutzen. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit ihm und hoffe, dass wir im Team gut funktionieren.
Haben Sie mit Ihren wohlwollenden Worten zu Krug die SPD bereits in der Tasche?
HETJES (lacht): Schauen wir bitte erst mal auf den Ausgang der Kommunalwahl. Bis März 2016 werden wir es mit wechselnden Mehrheiten zu tun haben, und da bleibt mein Angebot zur Gesprächsbereitschaft mit allen bestehen. Aber klar müssen wir immer danach schauen, wo die größten Schnittmengen sind.
Könnte es passieren, dass sie einen ihrer CDU-Kollegen im Magistrat befördern?
HETJES: Das zu sagen ist es noch zu früh. Aber grundsätzlich ist es sinnvoll, das bis zur Kommunalwahl zu tun. Danach muss man ohnehin auf die Mehrheiten schauen.
Welche Dezernate werden Sie übernehmen?
HETJES: Stadtentwicklung und Stadtplanung sowie Wirtschaftsförderung. Wir wollen ja auch das Stadtmarketing angehen, das hängt alles zusammen, das will ich mit Blick auf unsere strategische Stadtentwicklungsplanung nicht aus der Hand geben.
Okay, Sie sind noch nicht im Amt. Dennoch würden wir gerne das eine oder andere Thema abfragen. So geistert das Gerücht umher, dass mit Ihnen als OB der PPR-Tunnel wieder aktuell werden könne. Können Sie die Menschen da beruhigen?
HETJES: Ja, kann ich. Der Tunnel hat sich erledigt. Es gibt einen Parlamentsbeschluss, den hat man zu akzeptieren. Das bedeutet allerdings nicht, dass es in Sachen Infrastruktur Denkverbote gibt. Unser Stadtentwicklungsplan beinhaltet auch das Thema Verkehr, die PPR-Kreuzung ist allerdings nur eine kleiner Teil dieses Gesamtkonzepts.
Die CDU hat sich eindeutig für ein Kino und einen Club am Bahnhof ausgesprochen – aber nicht für das Move + Groove-Center. Wird dieses Projekt unter einen OB Hetjes eingestampft?
HETJES: Die angedachte Trendsporthalle wird, wenn es nach uns und auch nach einigen Verbündeten aus der SPD geht, entfallen. Wir sehen es nämlich nicht ein, dass wir alljährlich für sie einen sechsstelligen Betrag zuschießen müssen, nur damit ein Investor daran verdient. Was Kino und Club betrifft, sind wir der Überzeugung, dass sich da schnell etwas tun muss. Der Vertrag mit der Post läuft im Sommer 2016 aus. Da müssen wir schnell agieren, damit es da endlich vorangeht. Diesem Thema räume ich hohe Priorität ein.
Die CDU war stets für die Bebauung des Bornbergs, wo die Stadt sehr viele Grundstücke besitzt. Werden Sie eine Bebauung vorantreiben?
HETJES: Der Bornberg war Gegenstand vieler Gespräche an meinem Wahlstand. Ich habe von vielen gehört: „Bornberg, ja bitte!“, aber von ebenso vielen: „Bornberg, bitte nicht!“ Das zeigt mir: Das Thema muss moderiert werden. Man kann keine Stadtplanung gegen den Widerstand der Bürger betreiben. Das Thema ist aber noch Zukunftsmusik. Priorität hat der Hühnerstein in Ober-Erlenbach.
Wie wird es mit der Verlängerung der U 2 weitergehen?
HETJES: Ich möchte erst einmal verlässliche Zahlen darüber, was wirklich finanziell auf Bad Homburg zukommt, und zwar nicht nur die einmaligen Investitionskosten, sondern auch die Folgekosten für Wartung, Triebwerke, Unterhaltung und defizitäre Strecken. Da geht es immerhin um hohe zweistellige Millionenbeträge. Wenn diese Zahlen auf dem Tisch liegen, werden wir sie an die Bürger weitergeben und über Vor- und Nachteile sprechen. So was peitscht man nicht durchs Parlament, ohne die Bürger mit im Boot zu haben.
Wann dürfen sich die Bürger in Gonzenheim und Kirdorf über ihren eigenen Ortsbeirat freuen?
HETJES: Als CDU-Fraktion werden wir noch im Juli den Antrag stellen, in Bad Homburg flächendeckende Ortsbeiräte einzuführen. Wenn alles glatt geht, sollten sie bis zur Kommunalwahl 2016 eingerichtet werden.