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Plastische Tiefenschärfe für den Kurbezirk

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Bad Homburg lässt derzeit ein digitales Gebäudebuch der Stadt erstellen. Nun wurde ein Zwischenbericht vorgestellt. Die Stadt erhofft sich damit, weitere Pluspunkte für die Bewerbung zum Unesco-Weltkulturerbe „Great Spas of Europe“ sammeln zu können.

Zwischen 1830 und 1910 erfuhr Bad Homburg einen grundlegenden Wandel. Die Kur nahm einen immer größeren Raum ein, die Stadt stieg zum Weltbad auf. Eine Möglichkeit, diesen Wandel von der kleinen Residenzstadt zum mondänen Kurort zu dokumentieren, ist die bauhistorische Entwicklung der Gebäude im und um den Kurbezirk.

Die Stadt hat deswegen Experten des Hessischen Landesamtes für geschichtliche Landeskunde, die mit den „Orten der Kur“ bereits eine vergleichbare Arbeit geleistet haben, beauftragt, ein digitales Gebäudebuch zu erstellen. Nun gab das Team unter der Leitung von Prof. Holger Th. Gräf einen ersten Zwischenbericht.

Erfasst wurden bislang 1498 Gebäude zwischen Kaiser-Friedrich-Promenade, Louisenstraße, Schöne Aussicht und Dorotheenstraße sowie deren Querstraßen. 6000 Personennamen wurden ermittelt. Ausgedruckt würden die erfassten Daten 1300 Seiten umfassen. Bis zum Ende des Jahres, wenn die Arbeiten an dem Projekt abgeschlossen sein sollen, wird sich die Anzahl der Personennamen noch deutlich erhöhen, denn auch die Kurlisten sollen noch ausgewertet werden, so dass dokumentiert werden kann, welcher Kurgast in welchem Hotel oder welcher Pension abgestiegen ist.

60 Merkmale

Insgesamt haben die Experten ihrer Datenbank 60 Deskriptoren, Merkmale, zugrundegelegt. Diese reichen von der alten Adresse des Gebäudes, der neuen Anschrift, Grundstücksnummer über die verschiedenen Besitzer, die Funktion der Nebengebäude bis hin zu den Architekten. Aktuelle Baubeschreibungen durch einen Kunsthistoriker ergänzen die Datenflut.

Die Historiker haben dafür Bauakten, Kontraktenbücher und Gebäudebeschreibungen, wie sie 1907 zur Nutzwertabgabe herangezogen wurden, ausgewertet. Anders als bei der Grundsteuererhebung wurde hierbei nicht die Grundstücksfläche, sondern der Nutzungswert der Häuser und Wohnungen beschrieben und taxiert. Je höher der qualitative Wert einer Wohnung, etwa durch Balkone, beheizbare Räume, Anzahl der Bäder, umso höher war auch der Nutzwert und daraus resultierend die Abgabe.

„Man kann die so gewonnenen Daten auf eine Karte übertragen und sieht beispielsweise, wo in dem scheinbar doch so homogenen Kurbezirk mit seinen ähnlichen Haustypen große Unterschiede bestehen, weil viele Häuser zu einem späteren Zeitpunkt durch Umbauten ,veredelt‘ wurden“, erklärte Gräf. „Die bauliche Entwicklung des Kurbezirks erfährt so eine plastische Tiefenschärfe.“

Phänomene der Großstadt

Man dokumentiere hier eine Herausbildung eines neuen Stadttyps durch einen sozioökonomischen und soziokulturellen Wandel, der für Kurstädte typisch sei, ist der Marburger Professor überzeugt. Früher hätten arme Leute zur Miete in den Städten gewohnt. „Nun sehen wir durch die Auswertung der Verträge, dass plötzlich reiche Leute sich zur Miete einquartieren“, so Gräf. Es entstehe eine Mobilität des Wohnens, Immobilienspekulationen ließen sich beobachten, ergänzte Stadtarchivarin Dr. Astrid Krüger, die mit ihren Mitarbeitern das Landesamt bei seinen Forschungen unterstützt. Das seien Phänomene, die eigentlich nur in Großstädten zu erwarten seien, sich in Kurstädten aber ebenfalls beobachten lassen.

Welche Folgen diese städtebauliche Entwicklung bis in die Gegenwart hinein hat, verdeutlichte OB Michael Korwisi (Grüne) beim Vergleich mit Friedberg. „Eine Stadt, die Ende des 19. Jahrhunderts mit Homburg vergleichbar ist, dann aber diesen Wandel nicht mitgemacht hat. Demzufolge zeigen beide Städte heute ein völlig unterschiedliches Stadtbild.“

Korwisi hofft, dass die Datenbank für Smartphones zur Verfügung steht. Das sei aber vorerst noch Zukunftsmusik. Denkbar sei auch, dass die Daten des Verzeichnisses über QR-Codes direkt mit den Handys heruntergeladen werden können. „Aber das ist noch Zukunftsmusik“, so Korwisi. Für die Bewerbung bei der Unesco sei die Dokumentation auf jeden Fall wichtig. Es gehe ja schließlich darum zu zeigen, warum Bad Homburg es verdiene, dieses Prädikat zu erhalten. „Damit können wir Pluspunkte sammeln.“

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