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Quandt-Stiftung ohne operatives Geschäft

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Von: Sabine Münstermann

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Die Nachricht war kurz, aber sie ist brisant: Der Stiftungsrat der Herbert Quandt-Stiftung beerdigt das operative Geschäft der Institution. Was aber macht die Stiftung künftig?

Der Stiftungsrat der Herbert Quandt-Stiftung hat eine „strategische Neuausrichtung“ beschlossen. Als Folge daraus wird es den „Trialog der Kulturen“ und auch das Projekt „Bürger und Gesellschaft“ von 2017 an nicht mehr geben. Diese machen das operative Geschäft der Stiftung (siehe ZUM THEMA) bislang aus. Die Unternehmerin, Stiftungsratsvorsitzende und Zustifterin Susanne Klatten möchte „ihren gemeinnützigen Aktivitäten angesichts ihrer großen Vielfalt eine neue Klarheit verleihen“, erklärt Stiftungs-Sprecher Roman Weigand. Danach möchte sich Klatten stärker auf die Themen Natur, Kunst und kulturelle Bildung konzentrieren.

Stiftungsrechtlich ist diese „Neuorientierung“ nach Angaben von Dieter Ohl, Pressesprecher des Regierungspräsidiums Darmstadt, „nicht zu beanstanden“. Denn Zweck der Herbert Quandt-Stiftung ist die Förderung von Wissenschaft und Forschung, der Erziehung, Volks- und Berufsbildung, von Kunst und Kultur sowie des bürgerschaftlichen Engagements – und „es ist in das Benehmen der Stiftung gestellt, in welcher Art und Weise sie ihre Stiftungszwecke erfüllt“, sagt Ohl. Mithin liege ein Verstoß gegen die Stiftungssatzung durch die beabsichtigte Einstellung der operativen Arbeit in den Themenfeldern „Bürger und Gesellschaft“ und „Trialog der Kulturen“ Ende 2016 nicht vor. Klatten will die Erträge aus 40 Millionen Euro Stiftungskapital anderen gemeinnützigen Zwecken zuführen (TZ berichtete).

Für die 15 Mitarbeiter in Berlin und Bad Homburg bedeutet das, dass sie sich „ab 2017 neu orientieren müssen – wobei der Stiftungsrat den Betroffenen hilft, Perspektiven zu finden“, sagt Weigand. Vorstand Dr. Christof Eichert ist davon nicht ausgenommen. „Er wird den Transformationsprozess bis Ende 2016 begleiten und sich danach, sofern es keine operativen Tätigkeiten mehr für die Stiftung gibt, umorientieren“, so Weigand weiter. „Wir wissen, dass das keine leichte Situation ist. Aber zum einen handelt es sich um hochqualifizierte Mitarbeiter, die Chancen auch in anderen Bereichen haben. Zum anderen stehen auch wir im Günther-Quandt-Haus mit unserem Netzwerk zur Verfügung, um ihnen bei der Neuorientierung zu helfen“, betont Dr. Jörg Appelhans, der Sprecher der Familie Quandt.

Und was wird dann aus der Stiftung? Weigand sagt: „Ich nehme nicht an, dass die Stiftung künftig eine fördernde sein wird. Aber darüber ist noch kein Beschluss gefasst.“ Appelhans betont: „Die Stiftung hat sich im Laufe ihres Bestehens mehrfach gehäutet. Zunächst war sie eine reine Wissenschaftsstiftung, dann hat sie sich gesellschaftspolitischen Themen zugewandt. Dass sie künftig keine eigenen Themenfelder mehr bearbeitet, bedeutet nicht, dass sie keine Arbeit mehr hätte. Sie kann Projekte anderer Organisationen fördern.“

Dafür braucht’s aber eben weniger Mitarbeiter und möglicherweise auch weniger Platz. Derzeit ist die Herbert Quandt-Stiftung Mieter am Pilgerrain, ebenso wie die Fresenius-Stiftung und die Altana-Kulturstiftung. Eigentümerin des Gebäudes ist die Harald Quandt Holding. Weigand: „Der Mietvertrag könnte der neuen Situation angepasst werden.“

Anpassen müssen werden sich die Schulen, so wie die Gesamtschule am Gluckenstein (GaG). Künftig wird es auch keine Schulwettbewerbe mehr geben. Die GaG dürfte das bedauern. Sie hatte 2006 mit zwei weiteren Schulen den ersten Platz beim Schulwettbewerb „Trialog der Kulturen“ gemacht, und zwar mit ihrer „Religio AG“, in der sie für Toleranz der drei großen monotheistischen Weltreligionen warb. Auch aktuell macht die GaG beim „Trialog“-Wettbewerb mit. Wie berichtet, wollen die Schüler ein „Trialog-Museum“ bauen.

Appelhans erklärt: „Unabhängig von der Neuausrichtung hat der Stiftungsrat schon im vergangenen Jahr die Beendigung des Schulenwettbewerbs beschlossen. Wir haben gesehen, dass die wettbewerbliche Förderung interkultureller Bildung an Schulen wegen G 8 und umfangreicher Lehrpläne an ihre Grenzen stößt. Stattdessen hat die Stiftung ihr interkulturelles Fortbildungsangebot für Lehrer gestärkt.“

Alt-OB Wolfgang R. Assmann, von 1998 bis 2004 Geschäftsführender Vorstand der Herbert Quandt-Stiftung, sagt: „Ich bin seit elf Jahren nicht mehr mit der Arbeit der Herbert Quandt-Stiftung beschäftigt. Ich kann nur sagen, dass sie immer gute Arbeit geleistet hat.“

Albrecht Graf von Kalnein, Assmanns Nachfolger als Vorstand in der Quandt-Stiftung und heute Vorstand der Reimers Stiftung, gab sich auf Anfrage ebenfalls diplomatisch: „Stiftungen sind ja Pfadfinder für das Gemeinwesen. Das kann durchaus bedeuten, dass sie langjährige Förderprogramme angemessen abschließen, um Kraft frei zu bekommen für neue Aufgaben und Pfade. Insbesondere, wenn die gefundenen Lösungen die öffentliche Hand schöpferisch angeregt haben. Beim Thema interreligiöse Kompetenz in der Schule ist das von Homburg aus beispielhaft gut gelungen.“ Es sei zu wünschen, dass von der Quandt-Stiftung, die ihre Findungs- und Lösungskompetenz immer wieder unter Beweis gestellt habe, auch künftig solche Pfadfinderdienste für neue wichtige Themen der Gesellschaft ausgehen.

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