Treffpunkt für Gäste aus Ost und West
Mit drei jüdischen Kurkliniken wurde Bad Homburg zum Anziehungspunkt jüdischer Gäste aus ganz Europa. Diese Einrichtungen sind aus der Geschichte der Bad Homburger Kur nicht wegzudenken.
Von Wolfgang Rüdell
Sanatorium Dr. Pariser, Kurheim Dr. Rosenthal, Jüdisches Sanatorium Dr. Goldschmidt: Wenn im deutschen Kaiserreich und auch noch in der Weimarer Republik jüdische Bürger Erholung suchten, dachten sie zuallererst an Homburg. In der Kurstadt am Taunusrand gab es gleich drei bekannte Kurkliniken, die nicht nur unter der Leitung jüdischer Ärzte standen, sondern ganz auf jüdische Kurgäste spezialisiert waren.
Die Sozialwissenschaftlerin und Historikerin Dr. Birgit Seemann zeichnete am Mittwochabend im vollbesetzten Gartensaal des Gotischen Hauses die Geschichte dieser Einrichtungen nach. Die Referentin ist Expertin für jüdische Pflege- und Kurgeschichte.
Schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts hatten jüdische Familien aus Frankfurt die Kurstädte in der Umgebung als Orte der Erholung entdeckt: Homburg, Bad Nauheim, Bad Soden und Königstein.
Schnell sprach sich die Qualität der Kur in Bad Homburg herum. So kamen bald jüdische und nichtjüdische Kurgäste aus Europa und sogar aus Übersee in den Vordertaunus. Pogrome in Osteuropa sorgten zusätzlich für einen Zustrom nach Deutschland, wo die Juden im Kaiserreich rechtliche Gleichstellung genossen, allerdings auch mit antisemitischen Ressentiments konfrontiert waren.
Prominente Gäste besuchten Bad Homburg, unter ihnen der Religions- und Sozialphilosoph Martin Buber, der Präsident der Zionistischen Weltvereinigung, David Wolffsohn, und der Medizinnobelpreisträger Paul Ehrlich, der Begründer der modernen Chemotherapie. „Bad Homburg wurde zum Treffpunkt des west- und des osteuropäischen Judentums“, hob die Referentin hervor.
Homburger Diät
Als erste jüdische Kurklinik öffnete 1900 Dr. Curt Pariser das Sanatorium „Clara Emilia“, benannt nach seiner Mutter, in der Landgrafenstraße. Der Gastroenterologe hatte die weithin bekannte „Homburger Diät“ mitentwickelt. Er gehörte 1913 zu den Mitbegründern der heute noch bestehenden Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS). Der Arzt betätigte sich auch politisch als Stadtverordneter der links-liberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP). Von antisemitischen Hetzkampagnen zermürbt und wirtschaftlich geschwächt, gab Pariser schon 1920 die Klinik auf. In dem Anwesen wurde 1921 „Ritter’s Parkhotel – Kurpark-Sanatorium (früher Dr. Pariser)“ eröffnet. In den 50er Jahren von der Bundesbahn erworben, ist es heute unter dem Namen „Paul-Ehrlich-Klinik“ eine Rehabilitationseinrichtung der Knappschaft Bahn-See.
Ebenfalls um 1900 eröffnete Sanitätsrat Dr. Abraham Rosenthal sein orthodox-jüdisches Kurheim an der Kaiser-Friedrich-Promenade. Im Nachruf zu seinem Tod 1937 wurde er als „thorakundiger und glaubensstarker“ Jude gewürdigt. 1936 hatten die Nazis sein Haus unter Zwangsverwaltung gestellt, ein Jahr später versteigert. Als „Sanatorium Geheimrat Dr. Trapp“ wurde es 1953 von der Landesversicherungsanstalt Hessen wiedereröffnet. Seit 1972 befindet sich auf dem Areal die Wicker-Klinik. Frühere Gebäude sind inzwischen zum Teil „überbaut“, berichtete 2011 die TZ in ihrem Beitrag „Wo Martin Buber einst kurte“.
Heim für Nervöse
Den Nervenarzt Dr. Siegfried Goldschmidt charakterisierte seine Tochter Prof. Rivka Horwitz als „deutschen Juden mit einer stark deutsch-jüdischen Identität“. Er eröffnete sein „Jüdisches Sanatorium“ („Taunus-Sanatorium“) 1911 in der Terrassenstraße. Dort sollten „Erholungsbedürftige, innerlich Kranke und Nervöse“ Genesung finden, warb er in Anzeigen und betonte in seinem Prospekt: „Jüdische Gäste werden es gewiss begrüßen, ein in jeder Beziehung erstklassiges Sanatorium kennen zu lernen, wo sie gesellschaftlichen Zurücksetzungen als Juden nicht mehr ausgesetzt sind.“ Das Haus verfügte sogar über eine eigene Synagoge.
Nach seinem Tod 1926 übernahm seine Frau Schewa die Klinikleitung. In den 30er Jahren gab sie unter dem Druck der Nazis die Kurklinik auf und ging nach Palästina. Das Haus wurde 1937 an die Deutsche Reichsbahn verkauft. Von 1952 bis 1998 beherbergte es das Bundesausgleichsamt und steht seitdem leer. Über seine Wiederbelebung werden zurzeit Überlegungen beim Kreis und der Stadt angestellt (die TZ berichtete).
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