Unpoetische Suche nach der schwarzen Null

Bei welchen Kulturbereichen die Stadt noch sparen will und was bleibt
Bad Homburg -Statt mit Poesien und Melodien hat der Fachbereich Kultur derzeit mehr mit schnödem Rechnen zu tun. Denn er muss wie alle anderen Abteilungen im Rathaus künftig enorm Geld einsparen. Das bedeutet Abschied nehmen von vielem Liebgewonnenen, wie ein dreiviertelstündiger Bericht von Fachbereichsleiterin Dr. Bettina Gentzcke in der Ausschusssitzung zeigte. Doch sie warf auch einen hoffnungsvollen Blick in die Zukunft.
Zwei Sparrunden habe der Fachbereich bereits hinter sich gebracht, und doch müsse erneut geschaut werden, wo man Geld einsparen könne, so Gentzcke. In zwei Bereichen sei beim besten Willen nichts mehr zu holen - beim Museum und dem Stadtarchiv. Das Gotische Haus, Sitz des städtischen historischen Museums, wird gerade saniert, was, so Gentzcke, mindestens acht Millionen Euro verschlingen werde. Es könnte, so ihr Wunsch, im Frühjahr 2024 mit einer Skulpturenschau teilweise eröffnen - die Räume müssen trocknen, bevor vielleicht im Herbst sensible Exponate hineinkommen. Doch die Gestaltung der Außenanlagen mit neuer Wegeführung sowie die Einrichtung des neuen Cafés im Gotischen Haus werden unvermeidliche Kosten sein.
Englische Kirche: Budget halbiert
Der Ableger Horex-Museum - das derzeit noch bei Bedarf als Schaudepot dient, dessen Schließung bereits besiegelt ist - hatte erst wegen Corona, dann wegen eines Wasserschadens lange zu, band aber das Personal enorm. Regelmäßig geöffnet sein kann es mit der Personaldecke nicht. Die Mitarbeiter scannen derzeit Tausende Grafiken ein, damit diese von anderen Museen online zu finden sind.
Auch das Stadtarchiv muss aufs Digitale setzen: Geplant ist ein digitales Langzeitarchiv. Alle Ämter müssen Unterlagen wie etwa Bebauungspläne, die archiviert werden, online abliefern. Derzeit sei eine Mitarbeiterin dabei, sich in die sehr spezielle Software einzuarbeiten.
Bleiben zwei städtische Kulturbereiche, in denen der weitere Sparzwang umgesetzt werden muss: die Stadtbibliothek und das Feld Veranstaltungen mit der Englischen Kirche. In der Bücherei wurden in diesem Jahr weniger Bücher und Zeitschriften angekauft und damit ein sechsstelliger Betrag eingespart. Etwa 50 000 Euro sollen durch die neue Nutzergebühr erzielt werden. Außerdem wird überlegt, wie man das Café Hölderlix kostengünstiger betreiben kann - mehr dazu am Ende des Artikels.
Bei den Veranstaltungen in der Englischen Kirche stehen laut Gentzcke statt 80 000 in diesem Jahr nur noch 40 000 Euro (2024: 45 000) zur Verfügung. Auch das Budget für die Kinder wurde halbiert auf 4000 Euro. Zudem wurden sämtliche Zuschüsse im Kulturbereich um 25 Prozent gekürzt. Der Hölderlinpreis wird nur noch alle zwei Jahre verliehen. „Insgesamt werden wir etwa eine halbe Million einsparen“, so die Kulturamtsleiterin.
Die Besucherzahlen haben sich seit der Pandemie noch immer nicht erholt: So kamen nach 10 099 Gästen 2018 im Folgejahr noch 8880 Kulturfans in die Englische Kirche. In den Coronajahren 2020 und 2021, als zeitweise alles geschlossen war, waren es noch 2642 (2021: 1001).
70 Prozent ist das neue Ausverkauft
2022 kamen zu 38 Konzerten und 10 Ausstellungen dann auch lediglich 3335 Personen, 2314 davon allein von Oktober bis Dezember, als die Lage sich entspannt hatte. „Wir müssen uns das Publikum zurückerkämpfen“, zitiert die Kulturamtsleiterin den Künstlerischen Leiter des Poesiefestivals. Große Veranstaltungen zögen die Leute an, aber das Mittelfeld wie die Schlosskonzerte oder eben Events in der Englischen Kirche hätten zu kämpfen. „70 Prozent ist das neue Ausverkauft.“ Gentzcke will mehr Werbung machen.
Nun, da das Budget für die Englische Kirche halbiert sei, will Gentzcke mit der städtischen Tochter Kur- und Kongreß-GmbH ein neues Nutzungskonzept ausarbeiten. Denn die Stadt muss der Kur für das Kulturzentrum Miete zahlen und auch deren Techniker per Stundenlohn bezahlen. „Jede Veranstaltung kostet uns mehrere Hundert Euro.“ Bei den Ausstellungen werde man darauf achten müssen, eher Künstler aus der Region zu nehmen, denen man keine Übernachtung bezahlen muss. Auch müssen die Künstler künftig 250 Euro berappen. Das Musikangebot in der Englischen Kirche soll bleiben - auch der „Young Friday“ werde weiterhin veranstaltet. Gentzcke: „Der ist regelmäßig ausverkauft.“
Kunstwerkstatt wird wiederbelebt
Da die Kur ein eigenes Programm hat und zudem viele private Veranstalter Events anbieten, sieht Gentzcke die Kultur in Bad Homburg weiterhin auf einem guten Weg. 2024 werde es wieder ein Kulturmeilenfest geben, im Juli ein Wandelfest im Gustavsgarten und das Jubiläumsfest in Dornholzhausen. Zudem werde das geplante Skulpturenband eröffnet und die erste Plastik am dann eröffnenden Gotischen Haus platziert. Und am 15. September 2024 soll auch die Kunstwerkstatt wiederbelebt werden - das wollten CDU und SPD im Ausschuss beantragen, die Verwaltung plant aber bereits, nachdem eine Künstlerin die Organisation in die Hand genommen hat. 2018 war die Initiative, bei der Homburger Kunstschaffende in ihrem Atelier zeigen, wie sie arbeiten, nach 18 Jahren zum Erliegen gekommen. Die Künstler sollen sich Sponsoren suchen, doch die Stadt will ihnen unter die Arme greifen.
Einstimmig hat der Ausschuss - trotz Sparzwangs - beschlossen, dass die Verwaltung ein Konzept für eine neue Veranstaltungsreihe „Fremde Kulturen - Literatur, Kunst und Kultur unserer ausländischen Mitbürger“ erarbeitet. Die Voraussetzung dafür allerdings ist, dass sich die Veranstaltungen dann selbst finanzieren, heißt es im Ausschuss.
Café Hölderlix in der Bibliothek soll bleiben, aber weniger kosten
Es ist ein Paradox: Kürzlich wurde die Stadtbibliothek mit dem Hessischen Bibliothekspreis bedacht, ist laut Gentzcke die einzige Bibliothek in Hessen, die diesen Preis bereits zum zweiten Mal bekommen hat - und doch muss gerade in diesem Bereich viel Geld eingespart werden.
Preiswürdig war diesmal nicht die Zentrale in der Dorotheenstraße, sondern die Zweigstelle im Oberhof, weil sie mit der dortigen ersten „Open Library“ in Hessen „ein innovatives Bibliothekskonzept gestaltet hat und damit auf unterschiedlichen Ebenen Nachhaltigkeitsimpulse setzt“. Das Angebot, sich Medien auszuleihen, auch wenn kein Personal da ist, wird laut Kulturamtsleiterin gut angenommen. Für die Zukunft kann sich Gentzcke ein Open-Library-Konzept auch für die Dorotheenstraße vorstellen.
Und sie wünsche sich, sagte sie dem Kulturausschuss, dass das dortige Café Hölderlix erhalten bleiben kann. Wegen der Sparzwänge arbeitet ihr Fachbereich gerade an einem „neuen Konzept“, das ausloten soll, wie die Nutzer der Bibliothek dort weiterhin einen Kaffee zur Zeitungslektüre trinken können, ohne dass das Angebot die Stadtkasse so sehr belastet wie im Moment.
Dr. Cornelia Haschtmann (BLB) fragte in der jüngsten Stadtverordnetensitzung, ob vor dem Hintergrund, dass Bibliotheken Orte der Begegnung sind, der Fortbestand des Cafés gewährleistet sei. OB Alexander Hetjes (CDU) erinnerte daran, dass auch der Kulturbereich sparen müsse. „Ob unter den schwierigen Bedingungen noch ein Angebot aufrechterhalten werden kann, wird gerade geprüft.“
Zur Frage des Personals wollte er aus Datenschutzgründen nichts sagen - sie sei Teil des Konzepts. Auch ob der befristete Vertrag einer Mitarbeiterin verlängert wird, soll dabei geklärt werden.
