Virtuoser Höllenritt des Meisterpianisten
Auch in diesem Jahr zog es Hardy Rittner in die Schlosskirche. Er spielte am Freitag zum Auftakt der Konzerte der Meisterpianisten zugunsten der Ebola-Hilfe.
Hardy Rittner spannte mit seiner Werkauswahl für dieses Konzert einen Bogen von dem genialen Johann Sebastian Bach (1685 – 1750) bis zum Jahr 2012, zu Beginn einen Choral, am Ende wieder einen und ganze Welten dazwischen. Sehr ruhig und in f-Moll die flehentliche Bitte „Ich ruf zu Dir, Herr Jesu Christ“, und aus der Kantate „Herz und Mund und Tat und Leben“ der Choral „Jesus bleibet meine Freude“.
Hier windet sich das Thema des Vorspiels in Girlanden um das ruhig gehaltene Hauptthema. Ruhig und dennoch heiter das Siciliano aus der Flötensonate Nr. 2 BWV 1031. Der Pianist spielte alle drei Werke in schlichter, ehrfürchtiger Art. Von Frédéric Chopin (1810 – 1849) gab es als Brücke zur Neuzeit drei Impromptus.
Keine Stegreifstücke sind das, wie der Name vermuten lässt, sondern ausgearbeitete Konzertstücke ganz unterschiedlichen Charakters. Weich und geschmeidig spielte Rittner die ruhigen Passagen, die Läufe perlten rasant und doch fein, mit kräftigem Anschlag hob er die erhabenen Sequenzen hervor. Als eines der bedeutendsten posthum veröffentlichten Werke gilt das dann folgende Fantasie-Impromptu cis-Moll op. 66. Nach sehr rasantem A-Teil folgen ein romantisch feiner Mittelteil und nochmals das Feuerwerk mit zart verhallendem Schluss. Die Zuhörer sparten an keiner Stelle mit Applaus. Episch, lyrisch, dramatisch brachte Rittner die Ballade Nr. 1 g-Moll op. 23, die musikalischen Gegensätze sehr nachvollziehbar, ein Höhepunkt vor der Pause, brillant und äußerst virtuos gespielt.
Den Erlös dieses großartigen Klavierabends erhält World Vision, das weltweit größte private Kinderhilfswerk. In Sierra Leone soll damit unter Ebola leidenden Kindern geholfen werden.
Ebenfalls von Chopin gab es drei Préludes aus op. 28, das bekannteste in Des-Dur, das nach dem Bericht von Georges Sand über die Entstehung auf Mallorca den Beinamen „Regentropfen“ erhielt. Rittner hat besonders variable Ausdrucksmöglichkeiten zur Verfügung, von höchst fulminant rasanten Passagen findet er nahtlos zurück in lyrisch-romantischen Klang; fein, zart, butterweich und alles völlig unprätentiös.
Ruhe und Chaos
Krönender Höhepunkt war die 2012 komponierte Klaviersonate „Wie schön leuchtet der Morgenstern“ von Christopher Tarnow (*1984). „Es geht um Ruhe und Chaos“, erzählte Rittner. „Letzteres siegt.“ Der Komponist habe menschliches Schaffen und Streben beschrieben, der Ausgang sei pessimistisch, das Streben als vergeblich dargestellt. Das Bedürfnis nach Ruhe werde ausgedrückt durch den Choral, durchwoben mit Chaos. Ein erster echter Ruhepunkt finde sich erst im 3. Satz, und unverfälscht stehe der Choral nur ganz am Ende.
Was folgte, war ein Höllenritt, ein virtuoser, musikalischer, physischer Kraftakt, mit Worten nicht zu beschreiben. Nicht allen Zuhörern gefiel das Werk. Die Leistung des Pianisten jedoch wurde stürmisch beklatscht, zur Beruhigung gab es noch zwei Stücke von Chopin.
(gai)