Wegbegleiter und Mutmacher

Es ist eine Anlaufstelle für Ukrainer in der Kurstadt: Das Willkommens-Café feiert sein Einjähriges. Dort können sich Geflüchtete austauschen, deutsch lernen oder einfach nur Kaffee trinken.
Bad Homburg -Nach ihrer Flucht aus ihrer ukrainischen Heimatstadt Dnipro hat sich Karine Arakelian in Bad Homburg einsam gefühlt, erzählt sie. „Dann habe ich vom Willkommens-Café gehört und bin dort sofort herzlich empfangen worden“, sagt die 49-Jährige, die seitdem jeden Dienstag ins Gemeindezentrum der evangelisch-freikirchlichen Gemeinde kommt. „Das fühlt sich wie Familie an“, sagt Arakelian. Dafür bin ich sehr dankbar.“ Diese Worte lassen Ilse Kairies, Gabi Jung und ihre Mitstreiter glücklich strahlen. „Wir sind dankbar, dass wir mit unserem Angebot einen Beitrag leisten können, den Menschen, die so viel Schreckliches erlebt haben, zu helfen“, sagt Kairies.
Seit vielen Jahren ist sie bereits, wie alle in ihrem Team, ehrenamtlich in der evangelisch-freikirchlichen Gemeinde, die ihr Zentrum in der Sodener Straße hat, im Bereich Flüchtlingsarbeit engagiert. Das „Offene Haus“ für Flüchtlinge, das 2015 initiiert wurde, ist seit einem Jahr „Willkommens-Café“ für Menschen aus der Ukraine. Jetzt hat der Treffpunkt sein einjähriges Bestehen gefeiert.
„Wir hatten die ukrainische A-cappella-Gruppe Bozhedray eingeladen. Chorleiterin Tetiana Ilchenko hat mit ihrer Gruppe für uns ukrainische Traditionals gesungen“, berichtet Kairies. „Es war bewegend, zu erleben, wie sehr unsere ukrainischen Café-Besucher diesen Abend genossen haben. Alle zusammen haben die Lieder aus ihrer Heimat gesungen, denn das gemeinsame Singen hat in der Ukraine einen viel höheren Stellenwert als bei uns. Die Lieder erzählen immer auch Geschichten. Das war auch für uns sehr emotional“, verrät sie. „Die Besucher haben es sehr zu schätzen gewusst, dass wir ein Fest mit traditioneller Musik aus ihrer Heimat gefeiert haben. So haben sie gespürt, dass es ihr Fest war.“
Das zeige, wie sehr die Gruppe der Ukrainer zusammengewachsen ist. Seit April 2022 gibt es das Willkommens-Café. Das 15-köpfige Team um Organisatorin Kairies hält für die ukrainischen Besucher Getränke und Snacks bereit. Doch es geht in dieser ungezwungener Atmosphäre um noch viel mehr als um Gespräche. „Wir sind einfach für sie da“, sagt Kairies. „Wir wollten einen Ort schaffen, in dem unsere Besucher zur Ruhe kommen, sich wohlfühlen und ihre Landsleute treffen können“, sagt sie. Ebenso wichtig sei die praktische Unterstützung: „Wir helfen beim Erlernen der deutschen Sprache, beim Ausfüllen von Formularen und bei Alltagsfragen, wie bei Anmeldungen von Kindern in Kita oder Schule und bei der Wohnungssuche“, schildert Kairies. „Unser Ziel ist, Menschen, die mit schwerem Leid kommen, ein wenig Entspannung zu bieten.“
Spontane praktische Hilfen
Es sei insgesamt eine behutsame Annäherung gewesen, beschreibt Jung ihre Erfahrung. „Wir haben nicht nachgefragt, was die CaféBesucherinnen Schlimmes gesehen und erlebt haben“, sagt sie. „Wir haben abgewartet, bis sie genug Vertrauen hatten, von selbst zu erzählen.“
Das Schöne: Auch spontane, praktische Hilfen seien möglich. „Neulich brauchte eine Mutter für ihr Kind, das mit der Schule auf Skifreizeit fuhr, einen Skianzug. Das Problem wurde spontan gelöst, dank eines kleinen Rundrufs in unseres Gemeinde.“ Während des Café-Nachmittags gibt es zudem für die ukrainischen Kinder eine Betreuung mit viel Bewegung, Toben, Tanzen und Basteln“, so Kairies. Die pensionierten Lehrerinnen im Team der Helferinnen freuen sich über einen treuen Kreis Ukrainerinnen, die hoch motiviert Deutsch lernen wollen. „Viele kommen an, wollen erst gar nicht Kaffee trinken und reden, sondern fragen, ob wir gleich mit dem Deutschlernen starten können“, erzählt eine der Lehrerinnen, Gitta Hildebrand. Kairies freut sich, dass alles so gut läuft. „Davon haben wir vor einem Jahr nur träumen können, jetzt können wir es leben“, meint sie.
„Wir engagieren uns in unterschiedlichen Arbeitsfeldern“, erläutert sie. Von Vorteil sei dabei durchaus der berufliche Hintergrund. Einige Lehrerinnen wie Hildebrand sind darunter. Kairies ist Sozialarbeiterin im Ruhestand. „Neben dem Einüben der deutschen Sprache wollen wir den aus ihrer Heimat Geflohenen mit offenen Herzen begegnen, ihnen Mut machen und zur Seite stehen, damit sie zuversichtlich ihren Weg weitergehen können“, fasst Kairies zusammen. „Wir wollen Wegbegleiter, Mutmacher, Ermöglicher sein, einfach eine Anlaufstelle rund ums ,Gewusst wo und wie‘“. Es sei auch für das ehrenamtlich engagierte Team eine wichtige und schöne Erfahrung. „Es ist beeindruckend zu erleben, wie stark die ukrainischen Frauen sind und wie sie für ihre Kinder kämpfen“, sagt Hildebrand. Die ukrainischen Familien wissen das Angebot zu schätzen, die meisten verpassen keinen Dienstagnachmittag.
„Was uns zu dieser Arbeit treibt, ist unser Glaube an den Gott der Liebe. Diese Liebe öffnet unsere Herzen für den Nächsten. Von ihr wollen wir weitergeben“, fasst Jung die Motivation der ehrenamtlich Engagierten zusammen. „Wir freuen uns über weitere Gäste.“
Ein Ort der Begegnung für Geflüchtete
Das Willkommens-Café der evangelisch-freikirchlichen Gemeinde ist Teil des Netzwerks Arbeitskreis Asyl Hochtaunus sowie des runden Tischs der Flüchtlingshilfe. Gestartet ist das Team um Ilse Kairies und Gabi Jung im Bereich der Flüchtlingshilfe unter dem Dach der Gemeinde bereits 2015 mit der Idee, ein „Offenes Haus“ als Ort der Begegnung für Geflüchtete anzubieten.
„Während der Pandemie ist das Ganze leider eingeschlafen“, berichtet Ilse Kairies. „Dann kam es vor einem Jahr zum Neustart, weil wir das Gefühl hatten, wir müssen wieder aktiv werden und für die vielen Menschen, die aus der Ukraine zu uns geflüchtet sind, etwas tun“, so die Organisatorin.
Hinzu kam, dass wir in unserer Gemeinde sechs neue junge Mitarbeiter begrüßen konnten, die Russisch sprechen“, informiert sie. „So kam der Gedanke auf, ein Willkommens-Café speziell für ukrainische Menschen anzubieten, die in dieser Zeit und dieser Situation unsere ganze Aufmerksamkeit brauchen“, ergänzt sie.
Das Willkommens-Café, Sodener Straße 11, hat immer dienstagnachmittags (auch in den Ferien), von 16.30 bis 18 Uhr geöffnet.