Chemiker, Handwerker und Seelentröster

Schwimmmeister gesucht: Multifunktionales Fachpersonal ist zu jeder Sekunde am Beckenrand anwesend
Hochtaunus -Inzwischen gedenkt die Welt alles Möglichen mit einem speziellen Tag. Tag des Fahrradflickzeugs etwa - am 19. Mai. Die USA hat den Weltuntergangstag, der am 21. Mai wieder mal kläglich versagte. Einer allerdings, der nur in Deutschland im Kalender zu finden ist, brachte kürzlich der 22. Mai mit sich, da ging es nämlich um Bademeister, pardon, Schwimmmeister. Oder um noch genauer zu sein, um Geprüfte Meister für Bäderbetriebe. Wie in vielen Berufssparten gilt auch hier: Personal gesucht.
Seit Stefan Nagel vor fast 40 Jahren die Lehre zum Schwimmmeistergehilfen ablegte, hat sich das Berufsbild deutlich gewandelt. Das zeigt sich schon im Gespräch mit ihm im Usinger Hallenbad.
Während der wachsame Blick durch die Glasscheibe des Aufsichtsraums den Frühschwimmern gilt, bleibt auch der Monitor mit allen technischen Abläufen immer im Blick. Dann schnell eine Trennung im Becken einziehen, weil eine Schulklasse eintrifft. Ein netter Plausch hier, ein paar Worte dort, um dann im Keller bei den vielen Apparaturen nach dem Rechten zu sehen. Nicht ohne eine Kollegin zur Aufsicht zu bitten, denn während der gesamten Öffnungszeit muss mindestens eine Person den Badebetrieb überwachen. Jeden Tag wird das Wasser drei Mal getestet, einmal die Woche kommt ein Fachbetrieb und überwacht. Und: Pro Badegast müssen täglich 30 Liter Wasser ausgetauscht werden. Chemie spielt bei der Ausbildung eine große Rolle.
Umfangreiches Aufgabenfeld
Drei Jahre nach der Lehre hat Nagel seinen Schwimmmeister draufgesetzt und muss auch jetzt regelmäßig die Kenntnisse als Rettungsschwimmer auffrischen. „Ich habe in der Lehre sogar das Arbeiten mit Holz, schweißen, malern und vieles mehr gelernt. Gehört halt dazu“, schmunzelt er. Nicht nur das. Außer der Kasse und der ganzen damit verbundenen Technik ist Nagel autark, wenn es um Reparaturen geht, denn wenn etwas an Technik versagt muss es fix gehen.
„Wir holen die Angebote ein, beauftragen und planen alle anfallenden Arbeiten und die regelmäßigen Wartungen.“ Nur bei großen Investitionen läuft die Planung über den Kreis, dem das Bad gehört. In den Sommerferien ist es geschlossen um größere Arbeiten erledigen zu können - und die Mitarbeiter haben sozusagen feste Urlaubszeit.
Andererseits: In den Sommermonaten haben die Schwimmmeister in den Freibädern viel zu tun, Urlaub ist dann nicht. Deshalb gibt es auch eine Art Kooperation zwischen Hallen- und Freibädern. Wenn sich im Wehrheimer Bender-Bad 4000 Gäste tummeln, dann ist ein Schwimmmeister zu wenig, da helfen sich die Kräfte gegenseitig aus, wenn im eigenen Bad gerade wenig los ist. Hilfe ohne Bürokratie sozusagen. Und natürlich fallen dann auch Überstunden an, die im Herbst / Winter abgebaut werden müssen.
Mit Aushilfen Lücken füllen
Viele der Bäder im Taunus haben Personalbedarf. Im Seedammbad etwa „ist die Personalsituation angespannt, ein sicherer Betrieb lässt sich momentan nur aufrecht erhalten, indem Personal durch einen externen Dienstleister gestellt wird“, sagt Bad Homburgs Pressesprecher Marc Kolbe. Die Meister für Bäderbetriebe, Fachangestellte für Bäderbetrieb und Rettungsschwimmer sind im Seedammbad ganzjährig angestellt, da die Kreisstadt Hallen- und Freibad betreibt. Fünf offene Stellen stehen aktuell in der Ausschreibung.
Schmitten verfügt über zwei „langjährige und erfahrene Profis als Fachangestellte für Bäderbetriebe für unser höchstgelegenes Freibad in Hessen“, erklärt Marion Beuth vom Haupt- und Personalamt. Zum Glück haben beide noch einige Jahre vor sich, „jedoch spätestens in zehn Jahren müssen wir Nachfolger eingestellt haben.“ Spitzenzeiten werden noch mit Fachkräften im Rahmen einer Aushilfstätigkeit abgedeckt. „Aber weitere Aushilfen sind herzlich willkommen, die unser Personal auch in Spitzenzeiten, gerade an sehr warmen Sommertagen, unterstützen.“
Wehrheim hat zwei Mitarbeiter, eine Schwimmmeisterin sowie einen Schwimmmeister ganzjährig am Start. „Weitere Kräfte aus anderen Bädern werden bei Spitzenzeiten mit hinzugebeten“, sagt Bürgermeister Gregor Sommer (CDU). Und derzeit steht man „in Gesprächen zur Anstellung eines Auszubildenden für den Beruf des Fachangestellten für Bäderbetriebe“. Ähnlich auch in neu-Anspach, wo sich zwei Schwimmmeister die Aufsicht und Arbeit eilen. „Für diese Saison sind die Stellen mit eigenem Personal und Fremdpersonal aus Unternehmen für Schwimmbadpersonal besetzt. Zusätzlich wird der Schwimmmeister, den wir bereits für die Saison 2024 gewinnen konnten, tageweise zur Einarbeitung eingesetzt“, sagt Bürgermeister Thomas Pauli (SPD).
Hattsteinweiher: Baden auf eigene Gefahr
Im Kronberger Bad sind die Stellen derzeit besetzt. Sprecher Andreas Bloching betont, dass im Waldschwimmbad derzeit drei Fachkräfte eingesetzt sind, ein Mitarbeiter durchläuft ein Altersteilzeitmodell, „so dass dieses Jahr das Team um die dritte Fachkraft ergänzt wurde“. Nicht nur Schwimmmeister sind im Bad, denn „für die Wasseraufsicht genügen Rettungsschwimmer mit den Anforderungsprofil der Richtlinie der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen.“
Usingen mit dem Hattsteinweiher ist da außen vor. Denn hier gilt: Baden auf eigene Gefahr, lediglich an Wochenenden oder Hochbetrieb hat die DLRG ein waches Auge aus Geschehen - ehrenamtlich.
Für Nagel ist es ein Traumjob, der täglich andere Herausforderungen mit sich bringt. Und der Umgang mit Menschen ist ein großes Plus. Manchmal muss er auch durchgreifen und klare Worte sprechen. Im Fall der Schulklasse übernimmt das eine Lehrerin, die einen kleinen Übermütigen aus dem Wasser holt und auf die Bank setzt. Denkpause sozusagen.
Seinen Erste-Hilfe-Kurs hat er nicht vergebens gemacht. Denn oft muss er eingreifen, weil mal wieder ein Jugendliche zu nahe an den Beckenrand gesprungen ist, jemand sich beim Sprungbrett verletzt oder der Kreislauf Ärger macht. „Aber zum Glück hatten wir noch nie einen richtigen ernsten Vorfall“, klopft er gleich aufs Holz des Schreibtischs.
Eigentlich dürfte er auch Schwimmkurse geben, aber in Usingen übernimmt dies die DLRG. „Aber das hat sich schon geändert“, meint er mit Blick auf die Schüler. Meist könnten mindestens 50 Prozent gar nicht oder nicht richtig schwimmen. „Da hat Corona gleich bei drei Jahrgängen Lücken gerissen, denn diese Klassen haben ja in den höheren Jahrgangsstufen meist keinen Schwimmunterricht mehr.“