Die Schwaben aus Kamerun

Schmitten-Niederreifenberg. Die Familie Fonou ist in Niederreifenberg zu Hause. Geboren sind Lambert und Victoire in Kamerun. Ihr erster Blickkontakt geschah 1997 in einem Bibelkreis an ihrem Lycée. Doch kennen- und lieben gelernt haben sie sich 2002 hier in Deutschland. Sie kommen aus der größten Stadt Kameruns, Douala, jedoch wird Herkunft in ihrem Land anders definiert als bei uns.
Es sind die Dörfer ihrer Väter Bangoulap und Bandjoun, auch wenn sie selbst nie dort gelebt haben.
Zum Studium gekommen
Die beiden hoch qualifizierten Akademiker, die perfekt Deutsch sprechen, sind vor über 20 Jahren zum Studium nach Deutschland gekommen, er 1998, sie 2001. Grundlagen in Deutsch hatten sie auf dem Gymnasium gelernt, absolvierten zunächst hier einen Sprachkurs und studierten, Victoire belegte Wirtschaftsinformatik in Furtwangen, auf das sie ein Masterstudium in Fulda setzte. Lambert studierte Informatik in Darmstadt und absolvierte seinen Master in Wirtschaftsinformatik in Furtwangen. Deutschland ist in der Ausbildung von technischen Berufen sehr angesehen, daher kamen sie hierher. Ihre Familien hatten sich sehr angestrengt, ihnen das Flugticket nach Deutschland bezahlen zu können.
Das Studium mussten sie selbst finanzieren. Es war nicht immer leicht, jobben und lernen unter einen Hut zu bekommen. Mit viel Fleiß und Disziplin haben sie es geschafft. Teilweise ist Victoire um vier Uhr morgens aufgestanden, um noch für eine Prüfung zu lernen. In den Semesterferien arbeiteten beide in der Automobilherstellung. Der gute Verdienst dort hielt sie ein paar Monate über Wasser. Nun sind sie bei internationalen Unternehmensberatungen beschäftigt, Lambert als Berater im IT-Service und Management, Victoire in der IT-Qualitätssicherung. In den internationalen Projekten spricht Lambert Deutsch, Französisch und Englisch.
Seit 2015 wohnen sie mit ihren vier Töchtern in ihrem Eigenheim in Schmitten. Familienvater Lambert Fonou erklärt, er und seine Frau gehören der Volksgruppe der Bamileke an. Das seien »die Schwaben« der Kameruner, scherzt er, für die Häusle bauen und Geld sparen sehr wichtig sei. Die Töchter sind hier geboren. Für sie ist Deutschland ihre Heimat. Sie mögen deutsches Essen lieber als kamerunisches und haben laut ihrer Mutter bereits die deutsche Mentalität übernommen. Zu Hause wird Deutsch gesprochen. Lambert spricht Französisch mit den Kindern, damit ihnen die Sprache erhalten bleibt. Sehr wichtig ist den Eltern eine gute Ausbildung der Kinder. Die ältesten Töchter Nehemie (13) und Zoe (7) besuchen die bilinguale internationale Schule Phorms Campus Taunus in Steinbach. Gloria (6) wurde letztes Jahr in Niederreifenberg eingeschult, und Martella (3) geht in den Kindergarten. Die Mädchen sind auch in Sportvereinen aktiv.
Ressentiments von Anfang an
»Ich fühle mich in Deutschland wohl«, sagt Lambert. »Doch am Anfang war es nicht leicht«. Ihre Herkunft, ihre Hautfarbe und zu Beginn auch ihre mangelnden Sprachkenntnisse standen einer Integration im Wege. Viele Kameruner, die wie sie nach Deutschland gekommen waren, wohnen mittlerweile in Belgien oder Frankreich, nicht weil dort die Integration besser funktioniert, sondern weil die Community größer ist, in der sie sich bewegen können.
Auf die Frage, ob sie rassistische Ressentiments erlebt haben, antwortet Lambert: »Wo soll ich beginnen? Ich könnte ein ganzes Buch darüber schreiben.« »Es fing schon im Studium an«, erzählt Victoire zu diesem Thema. Bei Projektarbeiten haben sich die Gruppen gebildet - ohne sie. Sie blieb übrig, es sei denn, der Dozent hatte die Gruppen eingeteilt. Oft hat sie alleine ein Projekt übernommen. Wenn sie doch mit jemanden zusammenarbeitete und man sich auf der Straße traf, taten diese, als würden sie sie nicht kennen.
Der Glaube gibt ihnen Kraft
»Man muss lernen, einen Weg zu finden, so damit umzugehen, dass es einem nicht wehtut«, sagen beide. Was ihnen Kraft gibt, ist ihr tiefer Glaube. Sie sind Mitglied einer freikirchlichen evangelischen Gemeinde und über diese Gemeinschaft fühlt sich zumindest Victoire sehr integriert. Sie findet es auf eine gewisse Weise normal, dass Menschen zurückhaltend sind, wenn sie auf Menschen treffen, die »anders« aussehen. »Schade ist nur, wenn daraus gemacht wird, dass jemand weniger wert sein soll.«
Lambert hat seinen eigenen Frieden gefunden: »Ich warte nicht mehr darauf, dass ich integriert werde. Ich werde selbst aktiv. Meine Integration besteht darin, dass ich mich aktiv am gesellschaftlichen Leben beteilige und durch meine Arbeit zur Wirtschaft in Deutschland beitrage. Die doppelte Zugehörigkeit genießen wir als Bereicherung, denn wir dürfen auswählen, wann und wie wir beide Kulturen in unseren Alltag einbinden.«