Erfahrung für die gefährliche Praxis sammeln

Politik und Feuerwehr wollen eine feste Übungsstrecke in Oberurseler Neubau integrieren
Hochtaunus -Jeder Handgriff muss sitzen und schnell ausgeführt werden, wenn die ehrenamtlichen Feuerwehrleute mit ihrer rund 30 Kilogramm schweren Schutzausrüstung in eine brennende Wohnung vorrücken, um das Feuer zu bekämpfen oder Menschen zu retten. Die Bedingungen sind kaum vorstellbar: Lufttemperaturen von bis zu 1000 Grad Celsius, durch den dichten Rauch eine Sichtweite von - wenn überhaupt - wenigen Zentimetern. Von der Gefahr durch in Flammen stehende Gegenstände oder der gefürchteten Rauchdurchzündung, bei der die Luft wegen der Anreicherung mit brennbaren Gasen plötzlich explosiv brennt, ganz zu schweigen.
27 Stunden dauert der Lehrgang, den Feuerwehrleute absolvieren und mit einer erfolgreichen Prüfung beenden müssen, um als Atemschutzgeräteträger (ATG) in solche gefährlichen Situationen gehen zu können. Norbert Fischer, Präsident des Landesfeuerwehrverbandes, und Kreisbrandinspektor Carsten Lauer finden deutliche Worte, die nachdenklich machen: „Das ist in etwa wie in der Fahrschule. Ich lerne das Fahren und absolviere anschließend eine Prüfung. Aber kann ich direkt danach wirklich sicher fahren?“
Fire Dragon spuckt echte Flamme
Zwar werde nie eine Einsatzkraft in ein brennendes Gebäude geschickt, wenn diese sich das nicht zutraue. Doch langsam Erfahrung als ATG zu sammeln funktioniere in der Praxis nur selten. „Zwar haben wir im Hochtaunuskreis rund 2300 ehrenamtliche Kräfte, von denen etwas mehr als die Hälfte als ATG eingesetzt werden kann. Im Einsatzfall, vor allem tagsüber, herrscht aber oft Mangel“, weiß Lauer. Zumal die Teams jeweils nur maximal 20 Minuten in dem brennenden Objekt haben, bevor sie den Rückweg antreten müssen.
Deswegen müsse ständig trainiert werden. Um unter halbwegs realistischen Bedingungen üben zu können, stellt das Land in der Regel alle vier Jahre eine mobile Simulationsanlage zur Verfügung, zuletzt war das im Taunus 2015 der Fall. Auf dem Gelände der Bad Homburger Feuerwache steht noch bis morgen der „Fire Dragon“, also der „Feuerdrache“ der Firma Dräger. Der Name passt. Denn in einem der beiden Container wird echtes Feuer gespien. Es faucht und qualmt, im Inneren lecken Gasflammen aus den Wänden und verrauchen die stilisierte Wohnung. Gelöscht wird mit Wasser, die Schläuche sind wie im realen Einsatz schwer und nicht wie auf der Atemschutz-Teststrecke leer.
„Bis zu 400 Grad wird die Luft hier heiß“, erklärt Lauer in der metallenen Umgebung, die an die Kulisse eines Steam-Punk-Films erinnert. Vom Leitstand aus können die Trupps, die hier den Schnellangriff mit Schläuchen üben, überwacht werden, die ehrenamtlichen Ausbilder besprechen das Szenario vor und nach.
Eine zweite „Wohnung“ wird ohne Feuer eingenebelt. Bei dieser Trockenübung geht es vor allem darum, den rudimentär eingerichteten Raum ohne Sicht systematisch abzusuchen und mögliche Personen zu retten. Der Feuerdrachen sei eine immens wichtige Ergänzung der Weiterbildung, die Umsetzung ein hoher organisatorischer Aufwand. „Trotzdem bekommen wir in den elf Tagen nur 400 Einsatzkräfte durch - zwei Drittel der ATG können das Angebot also nicht nutzen “, rechnet Fischer vor. Dabei gelte bei Einsätzen: „Nur wer die Gefahr kennt, kommt gesund wieder nach Hause“.
Politik stellt sich hinter Überlegungen
Dass beim Ortstermin auch die Politik mit Landrat Ulrich Krebs, Bad Homburgs Bürgermeister Dr. Oliver Jedynak und Oberursels Stadtrat und Stadtkämmerer Jens Uhlig (alle CDU) dabei waren, hatte denn auch seinen Grund: Um die Ausbildung der Atemschutzträger zu verbessern, gibt es die vorangeschrittene Überlegung, eine solche Anlage - ortsfest - in den Neubau der Feuerwache Oberursel zu integrieren. Der Vorteil einer baulichen Lösung wäre die größere Flexibilität im Inneren, wo dann beispielsweise Wände umgestellt werden könnten.
„Wir könnten die Anlage an den Übungsturm andocken, um die Szenarien noch abwechslungsreicher zu gestalten“, erklärt Oberursels Stadtbrandinspektor Valentin Reuter, der darauf hinwies, dass die Container-Lösung zwar sehr hilfreich, im Ergebnis jedoch auch sehr eng sei. Man sei derzeit dabei, einen Kostenplan aufzustellen. Billig wäre eine solche Lösung nicht, weiß Lauer. „Zu den Baukosten für die Räume käme die Technik mit einem mittleren bis hohen sechsstelligen Betrag und jährliche Betriebskosten im fünfstelligen Bereich.“ Wenn allerdings alle 13 Kommunen mit im Boot säßen - die Bürgermeister waren am gestrigen Freitag eingeladen, sich ein Bild zu machen - wäre das Projekt zu stemmen. „Wir wollen das künftig im Hochtaunuskreis haben“, stellte auch Landrat Krebs klar. „Wir stehen mit der Stadt Oberursel im Gespräch, dass trotz knappster Kassen die Real-Brandausbildung in den Neubau integriert werden kann.“
Bad Homburgs Branddirektor Daniel Guischard sieht in den Planungen eine „historische Chance“ für die Feuerwehrausbildung und erinnerte daran, dass das Ergebnis letztlich jedem Bürger zugute komme.

