"Es ist wie eine gemeinsame Reise"

Cellist Benedict Klöckner spielt Bach und spricht über die Nähe zu seinem Publikum
Oberreifenberg -Wer ein Cello-Solo-Konzert hören möchte, muss Glück haben, denn sie sind rar gesät. Was für eine Freude also, wenn dann ganz in der Nähe ein Künstler wie Benedict Klöckner - sonst in der weiten Welt unterwegs und in großen Konzertsälen zu Gast - quasi vor der Haustür auftritt: in der Wohnhalle von Esther und Ralf Groh in Oberreifenberg.
Und dann noch die Cellosuiten von Johann Sebastian Bach spielt. Klöckner hat die sechs Suiten in der Corona-Pandemie einstudiert und hob in seiner kurzen Einführung fast ehrfürchtig deren Bedeutung hervor: "Sie sind so etwas wie das Alte Testament der Musik für uns." Alt sollte dann seine Interpretation der bei der "Kammermusik am Feldberg" auf dem Programm stehenden Suiten 1, 2, 3 und 6 aber so gar nicht klingen. Ganz im Gegenteil. Beschwingt, gefühlvoll und hochpräzise den Bogen seines mit einem sagenhaft warmen Klang ausgestatteten Francesco-Ruggeri-Instruments führend, hauchte er den 300 Jahre alten Stücken aktuellen Zeitgeist ein. Mit der dritten Suite in C-Dur, der brillantesten des Zyklus, zündete der seit langem zu den herausragenden modernen Künstlern seiner Generation zählende und mehrfach ausgezeichnete 33-Jährige sogar ein musikalisches Feuerwerk.
Entrücktes Lächeln,
verklärter Blick
Die sich steigernde Dramatik und den nie versiegenden Einfallsreichtum Bachs brachte Klöckner mit entrücktem Lächeln und verklärtem Blick dem Auditorium ganz nahe. Die überbordenden Melodien stellte er tänzerisch federleicht in den Raum, die bizarren, kraftstrotzenden, später burlesken Klangwelten präsentierte Klöckner nicht minder famos. Den krönenden Abschluss des offiziellen Teils bildete die festlich-prachtvolle Suite Nr. 6 D-Dur. In diesem für ein fünfsaitiges Cello komponierten Highlight begeisterte der Neuwieder, seit 2014 Künstlerischer Leiter des von ihm gegründeten Internationalen Musikfestivals Koblenz, die Zuhörerschaft mit seiner rhythmisch zupackenden und zugleich erhaben-anrührenden Version. Genau passend für die mit so vielen Verzierungen gespickte, hoch anspruchsvolle Nummer sechs.
Doch wie ist es für einen Künstler von Rang, in einer so intimen Atmosphäre aufzutreten? "Auf jeden Fall ist es eine ungewöhnliche Situation", erzählte der sympathische Topcellist nach dem Konzert. Normalerweise befinde er sich auf einer großen Bühne, quasi in seiner "eigenen Welt". Ein solch direkter Kontakt sei für ihn eine intensive Erfahrung, die ihm auf der einen Seite zwar gefalle, weil er sein Publikum fühle, die auf der anderen Seite aber auch eine große Herausforderung sei. "Ich muss besonders konzentriert sein."
Ungewöhnliche
Situation
Klöckner, der sein Publikum auch mal ausblenden muss, um den Fokus auf die Musik richten zu können, beschrieb das Konzert aber auch als "eine gemeinsame Reise, die man macht, und auf der man sich kennenlernt".
Die Musikfans, die sich noch über zwei Zugaben freuen durften, waren auf jeden Fall begeistert. Viele Bravo-Rufe waren zu hören, und viele suchten nach dem Konzert und bei einem Glas Wein noch das Gespräch mit Klöckner, der schon mit vielen großen Orchestern gespielt und mit weltberühmten Dirigenten zusammengearbeitet hat.
Und schon zum zweiten Mal am Brunhildensteg aufgetreten ist. Aber auch sonst haben Esther und Ralf Groh keine Probleme, den Konzertkalender mit den Namen großer Musiker zu füllen. Das Publikum hält dem Paar weiter die Treue, wie sich an diesem Abend zeigte, als es angesichts des 70. Kammerkonzertes für fünf besonders treue Gäste ein kleines Geschenk gab. Brigitte Wenzl zum Beispiel führt die Liste an und ist quasi schon von Anfang an dabei, also seit 2014. Für sie war es am Samstagabend bereits das 41. Konzert. "Ich mag es, den Künstlern so nahe zu sein, und ich finde das vielfältige Programm sehr gut", erklärte die Riedelbacherin und freut sich jetzt ganz besonders auf ein für Ende des Jahres geplantes Beethoven-Konzert.