Friedrichsdorfer Förster: "Ich schlage keinen Baum, wenn ich nicht muss"

Zum Tag der Nachhaltigkeit informierten sich Besucher über Rodungen und Aufforstung im Spießwald
Friedrichsdorf -Dem Wald soll nur so viel Holz entnommen werden, wie nachwächst. Das fordert das Nachhaltigkeitsprinzip. "Aber mit dem Schadholz werden sich die Zahlen signifikant ändern", sagte Revierförster Philipp Gerhardt von Hessen-Forst. Vor allem Fichten mussten wegen Trockenheit und Borkenkäferbefalls gefällt werden. Am Tag der Nachhaltigkeit führte der Förster gemeinsam mit seiner Kollegin Mandy Gantz vom Forstamt Königstein, durch einen Teil des rund 200 Hektar großen Friedrichsdorfer Spießwalds.
Gerodeten Flächen waren da zusehen, aber auch zarte, nachwachsende Gewächse sowie hohe Buchen, Eichen und Eschen und auch jungen Lärchen und Ahornbäumen. "Auf der einen Seite sind Schäden der Trockenheit zu sehen, auf der anderen Sturmschäden." Der Wald stehe unter Stress. "Der Spießwald ist eigentlich nährstoffreich und nass", fuhr der Förster fort, vor etwa 90 Jahren müsse er sich aus einem Niederwald gebildet haben, vermutet er, bis auf wenige Ausnahmen, sei der Bestand etwa 83 Jahre alt. Doch das notwendige Nass lässt bekanntlich auf sich warten, es hätte dieses Jahr durchregnen müssen, um die Wasserreserven wieder aufzufüllen. Und was macht man nun mit den gerodeten Flächen?, wollten die Teilnehmer des Waldspaziergangs wissen: "Wir setzen zum Teil auf Naturverjüngung", so Gerhardt.
Das heißt, man überlasse die gerodeten Flächen sich selbst und schaue was nachkommt: "Natürlich kann ich als Förster nicht nichts tun", ergänzte er schmunzelnd, er schaue immer nach, was auf den Flächen nachwachse und halte unter anderem Brombeersträucher in Schach.
Die Buche ist typisch für Hessen
Überließe man den Wald ganz sich selbst, dann würden sich Buchen etablieren, vermutet der Förster. "Die Buche ist ein typischer Baum für Hessen." Die ,Fagus', so der lateinische Begriff, mit ihrer glatten Rinde, liefere zwar ein gut geeignetes Holz für Möbel und Parkett liefern, doch im Wald wächst sie zu hoch, lässt ihre Krone weit ausufern und nimmt so anderen Bäumen das Licht: "Deswegen werden wir die Buchen etwas zurücknehmen", erklärte der Förster. Die Eiche, "stark in Friedrichsdorf vertreten", gibt es auch im Spießwald und ihr werde man gleichermaßen den nötigen Raum gewähren: "Eichenholz ist zurzeit sehr gefragt", für Möbel, Parkett und Weinfässer.
Gerhardt ist bemüht die Balance zu halten zwischen Wirtschaftswald und Naturwald, wobei er klare Prioritäten setzt: "Wir haben jahrelang vom Wald genommen, jetzt ist es an der Zeit, ihm wieder was zurückzugeben und in ihn zu investieren." Damit meint er zwar einerseits eine Aufforstung, aber eben auch, dem Wald die notwendige Ruhe zu geben, sich zu erholen: "Das was nachwächst, kommt mit den Gegebenheiten gut klar." Dann erzählte Gerhardt von seltenen Käferarten, wie dem Eremit-Käfer, der im Totholz entdeckt worden ist, das einem Konzept folgend, im Wald zum Verrotten belassen wird. Totholz liefere nicht nur wichtige Nährstoffe für den Boden, wie Gantz ergänzte, sondern sei ein wichtiger Lebensraum für Insekten, Pilze und andere Kleinlebewesen.
Auf der Fläche, auf der einst viele Fichten standen, stehen jetzt noch vereinzelt hohe Lärchen. Warum? "Ich schlage keinen Baum, wenn ich nicht muss." Er zeigt auf die große krautig bewachsene Fläche: Junge Birken, Ahorne und Eschen finden sich hier, einzelne Eichen wurden gepflanzt. "Fichten werden wir auch wieder pflanzen, aber nicht mehr in dem Maße wie bisher." Auch hier gilt das Nachhaltigkeitsprinzip: Das, was man jetzt an Holz erntet, sollen auch nachfolgende Generationen erwirtschaften können, also auch Fichten.
Natürlich dauere es viele Jahre, bis ein Baum eine robuste Größe erreicht habe: "Im Forst braucht man einen langen Atem." Auf was für Bäume möchte man in Zukunft zurückgreifen? Heimische? Mediterrane? "Was ist schon heimisch?", fragte Gerhardt.
Was nach der Eiszeit hier gewachsen ist
Die Douglasie komme aus Nordamerika, habe sich hier aber gut ins Ökosystem eingefügt und über die Esskastanie, die ebenfalls im Taunus zu finden ist, werde kontrovers diskutiert. Die Römer haben sie zwar einst nach Deutschland importiert, doch sie gehe nicht als heimischer Baum durch. Die Regel: Alles was nach der Eiszeit hier gewachsen ist, sei heimisch. Und weiter ging es beim Waldspaziergang: Die Esche, aus ihr werden Turnbarren gefertigt, weiß der Experte, habe derzeit auch mit einem Schädling zu kämpfen: Dem Falschen Weißen Stängelbecherchen, einem Pilz, der seinen Weg aus Asien nach Mitteleuropa gefunden hat. "Für den hat die deutsche Esche keine Abwehr."
Beim Spießwald, erläuterte der Experte, handle es sich um einen Freizeit- und Erholungswald, weniger um einen Wirtschaftswald, darauf lege die Stadt ihren Schwerpunkt: "Die Stadt setzt viel dran, dass alles in Ordnung gebracht wird, dass Wege ausgebessert werden und dass die Sicherheit für Spaziergänger gewährleistet ist."
Und: "An einer Stelle im Wald, die wegen des Sturms gerodet werden musste, werden von Bürgern Bäume gepflanzt. "Im Frühjahr wollten Philipp-Reis-Schüler eine Pflanzaktion starten, doch diese musste wegen der Coronavirus-Pandemie abgesagt werden." Aber die Aktion sei weiterhin geplant und die Stelle bestens dafür geeignet
Von Olivera Gligoric-Fürer.