Erfolgreich tischt der Märchenerzähler die Geschichte vom Märchenforscher auf

Gut geschwindelt! Für seinen Fernsehauftritt bei „Sag’ die Wahrheit!“ kommt dem Autor Peter H. Goebel seine Erfahrung mit Medien zugute.
Glashütten -Nein, aufgeregt sei er nicht gewesen, sagt Peter H. Goebel, als die Taunus Zeitung ihn nach seinem Fernsehauftritt am Telefon erwischt. Goebel war einer der Gäste von Moderator Michael Antwerpes. In der SWR-Rateshow „Sag’ die Wahrheit“ saß der 70 Jahre alte Schloßborner als einer der drei Kandidaten einem Rateteam gegenüber, zu dem unter anderem der Deutsch-Rapper „Smudo“ und die Sängerin Kim Fisher gehörten. Die Sendung gewinnt ihren Reiz durch die Frage: Wer lügt, wer sagt die Wahrheit?
Mit professoralem Blick und Fachkenntnis verwirrte Goebel in der Rolle des Märchenforschers Holger Ehrhardt die Jury. Vor laufender Kamera setzte er seine Pokermiene auf. Goebel, als Unternehmensberater, Coach und erfolgreicher Buchautor tätig, sagt im Gespräch mit unserer Zeitung vergnügt, ihm sei die Medienbranche bekannt: „Ich habe schon einiges in meinem Leben gemacht.“ Er verweist auf seine langjährige Tätigkeit beim WDR. „Ich komme also aus der Medienlandschaft und kann sagen, dass ich Kameraerfahrung habe.“ Das ist wahrhaft ein Vorteil.
Er schreibt Science-Fiction-Bücher
Die Bewerbung für die Rateshow habe ihn gereizt, erzählt er. Warum nicht auch mal als „Lügner“ vor der Kamera stehen? Goebel: „Ich dachte mir, ich reiche da mal eine Geschichte ein. Mein Leben hat viele Facetten.“ Es fiel dem Bürger aus dem Hochtaunus also nicht schwer, eine Anekdote aufzuschreiben und dem Sender zuzuschicken. „Es hat Monate gedauert, bis eine Antwort kam. Danach ging es recht schnell. Zuerst hatte ich ein Videocasting. Das geht heute alles online.“ Irgendwann sei er in den Kreis der drei Personen aufgenommen worden, die in der Sendung dieselbe Identität vorgaukeln. Goebel wurde zum Märchenforscher Holger Ehrhardt, der an Uni Kassel mit dem Schwerpunkt Brüder Grimm lehrt und forscht. Diese Person existiert also.
Ausgestrahlt wurde die 30-minütige Sendung am Montagabend. Als Kandidat Nummer 2 stellte Rapper „Smudo“, bekannt aus der Band „Die fantastischen Vier“ und Jurymitglied, die entscheidende Frage: „Wer sind Sie wirklich, Nummer 2?“ Peter H. Goebel antwortete, ohne rot zu werden: „Ich bin Holger Ehrhardt, der Märchenforscher.“ Klar, das ist geschwindelt, denn Peter H. Goebel ist Peter H. Goebel. Nur fürs Fernsehen wurde er zum Märchenerzähler. Aber irgendwie stimme das mit dem Märchenforscher ja, sagt der Mann aus dem Glashüttener Ortsteil Schloßborn der TZ-Reporterin und erläutert, wie er diese Anmerkung meint: „Ich habe vor etwa zehn Jahren begonnen, Bücher zu schreiben, eine Science-Fiction-Saga.“ Drei Bücher seien bisher unter seinem Synonym „Jan de Canthus“ erschienen. Die Bücher sind gefragt. Goebels Literatur wird im In- und Ausland gelesen. Auf Wunsch signiert er Bücher und schickt sie wie kürzlich wieder „bis nach Fuerteventura“, einer der kanarischen Inseln. Science-Fiction-Geschichten seien ja „moderne Märchen“, sagt der Autor. Goebel überzeugte mit seiner Darstellung und verwirrte die Jury. Das Rateteam kaufte ihm die vorgegaukelte Lebens- und Berufsgeschichte ab. Des Rätsels Lösung erfuhren die verblüfften Zuschauer etwa zehn Minuten später. Der echte Märchenforscher Holger Ehrhardt, Dozent am Institut für Germanistik der Universität Kassel, war Kandidat 1. Ehrhardt und Goebel kannten sich da bereits. Am Vorabend des Drehtags in Baden-Baden tauschten beide Herren ihre Kontakte aus. Peter Goebel kannte zwar die Biografie des Märchenforschers durch die Vorbereitung auf die Sendung. Ehrhardt interessierte sich jedoch mindestens genauso für die Arbeit des Schloßborners.
Der TV-Auftritt sei mal wieder eine interessante Erfahrung gewesen, bilanziert Goebel. Als 14-Jähriger habe er übrigens schon einmal als Gymnasiast bei einer SWR-Wissensshow vor der Kamera gestanden, verrät er gegen Ende des TZ-Telefonats. Neue Auftritte im Fernsehen plane er aber nicht. Weihnachten steht vor der Tür. Deshalb schreibt „Jan de Canthus“ derzeit lieber wieder an „IOAN - Die Sage von Antagora“. Die Leser freuen sich schon auf neue Fantasy-Märchen.
