Erste Kirchen-App im Landkreis online

Digitales Wohnzimmer: Die Kirchengemeinde Grävenwiesbach geht neue Wege, um ihre Mitglieder zu erreichen.
Wenn die Gläubigen nicht mehr so oft in die Kirche kommen, muss die Kirche öfter zu den Gläubigen kommen. Auf diesem Weg schreitet die evangelische Kirche Grävenwiesbach voran. Denn seit Dezember 2022 ist im Kirchspiel die erste Gemeinde-App für Smartphone und PC freigeschaltet.
Pfarrer Till Schümmer und der Vorsitzende des Kirchenvorstandes Horst Mader stellten nun im Gemeindehaus die neue App vor, mit der der digitale Kontakt zur evangelischen Kirchengemeinde hergestellt wird. So kann man sich über Termine und Veranstaltungen informieren sowie generell das Angebot zur Vernetzung nutzen.
Soziale Netzwerke bewusst ausgespart
Schümmer betonte, die Entscheidung sei bewusst für die App und gegen soziale Netzwerke wie Facebook oder WhatsApp gefallen. Einerseits sollten die Zugangshürden gering sein und gleichzeitig sei im Unterschied zu Facebook die Missbrauchsschwelle hochgesetzt. Zudem solle keine Werbeplattform geboten werden. Schümmer betont: „Wir wollen keine kommerzielle Nutzung und keine Preisgabe von Benutzerprofilen. Seelsorgearbeit findet nicht auf dem Marktplatz statt.“
Bisher informierte sich die Kirchengemeinde in Papierform, im sogenannten Kirchenblättchen. Jedoch nutzt neben der jüngeren Generation auch die Altersstufe Ü 60 immer mehr die Möglichkeiten, sich kurzfristig über Terminänderungen und Ausfälle online zu informieren. Die App kann man sich aus dem App Store oder mit einem Besuch der Webseite www.evangelisch-graevenwiesbach.de auf sein Smartphone laden. Mit Zustimmung der Eltern können Kinder ab zwölf Jahren die App über jedes internetfähige Gerät nutzen; für den persönlichen Zugang wird generell ein Antrag bei der Kirchengemeinde gestellt, der per Brief beantwortet wird.
Die evangelische Landeskirche tut sich mit dem digitalen Einstieg schwer und so ist das Kirchspiel Grävenwiesbach Vorreiter im Usinger Land und im Dekanat Hochtaunus. Aktuell hat die Gemeinde-App circa 50 User. „Die App ist eine Ergänzung und soll einen Teil der Gemeinde erreichen, der das möchte und davon profitieren will“, umriss Mader für den Kirchenvorstand den digitalen Einstieg, der seiner Überzeugung nach nicht dazu führen werde, dass herkömmliche Kommunikation abgeschnitten werde. Das Kirchenblättchen werde es weiterhin geben.
Zudem solle die Basisarbeit durch mehr Austausch gestärkt werden. „Wir wollen Menschen noch mehr zusammenbringen“, umschrieb Schümmer sein Bild von Kirche. Aktuell bietet sich die Nutzung der App bei einer Kerzenaktion an: Die evangelische Kirchengemeinde sammelt Kerzenreste für die Ukraine und hat mit der kurzfristigen Ankündigung über die App in drei Tagen einen erstaunlichen Sammel-Erfolg errungen.
Predigten vorab abrufbar
Künftig wird Pfarrer Schümmer seine Predigten vorab online einstellen, um den interaktiven Dialog und eine Demokratisierung der Predigt zu fördern. Im etwa 2200 Mitglieder zählenden Kirchspiel Grävenwiesbach wünschen sich Schümmer und Mader mittelfristig rund 20 Prozent Mitglieder als Benutzer der App: „Wir brauchen ein gemeinsames soziales Wohnzimmer, und dies kann auch der neue, geschützte spirituelle Raum der App sein.“ VON ANDREAS ROMAHN