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Kastanienstreit endet kurios

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Die Kastanienbäume hinter den Grundstücken der Astrid-Lindgren-Straße stehen, aber die Anwohnergemeinschaft bleibt bei ihrer kritischen Einstellung. Zumal in einem Urteil darauf verwiesen wird, dass derzeit keine Beeinträchtigung stattfinde, wenn dies aber in Zukunft geschehe, die Eigentümer dann dagegen vorgehen könnten.
Die Kastanienbäume hinter den Grundstücken der Astrid-Lindgren-Straße stehen, aber die Anwohnergemeinschaft bleibt bei ihrer kritischen Einstellung. Zumal in einem Urteil darauf verwiesen wird, dass derzeit keine Beeinträchtigung stattfinde, wenn dies aber in Zukunft geschehe, die Eigentümer dann dagegen vorgehen könnten. © burger

Staat schützt sich vor Klagen. In 20 Jahren droht Bäumen die Säge.

Grävenwiesbach -Die ganze Geschichte endet - oder auch nicht - sehr kurios. Bei heftigen Minustemperaturen - was einige Bäume auch nicht so recht vertrugen - hat die Straßenverkehrsbehörde Hessen Mobil noch vor einer Tagung eines Akteneinsichtsausschusses Nägel mit Köpfen gemacht und die strittigen Kastanien hinter die Grundstücke der Astrid-Lindgren-Straße gesetzt. Gegen die Planung hatten Anwohner geklagt - vor dem Amtsgericht ging man leer aus respektive zog sich zurück, weil sich das Gericht nicht als zuständig ansah. „Man hat uns zum Rückzug geraten, denn der Richter sah keine Chance, den Fall zu verhandeln“, so Armin Eschenhof als ein Sprecher der Anwohner. Und: „Das Amtsgericht hat den Verstoß gegen den Bebauungsplan durch die Bäume durchaus gesehen, sah aber eben keinen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch.“

Probleme sind nur verschoben

Beim Verwaltungericht hatten die Bürger keinen Erfolg, denn, und nun wird’s kurios, der sogenannte Drittschutz greift. Und das muss man erst einmal verstehen. Da spielen Bebauungspläne und ihre Wirkung, die Betroffenheit Einzelner und vieles mehr eine Rolle. Salopp formuliert: Gegen den Staat kann ein Einzelner hier nicht klagen. Das ist zwar möglich, aber nur als Verband (Verbandsklage) oder Gemeinschaft oder Kammer - etwa Handwerkskammer. In den Rechtsvorschriften wird die sogenannte Klagebefugnis sehr deutlich beschrieben.

Und weil es gern noch kurioser werden darf: Die Bäume, so sehen es die Richter durchaus richtig, stellen derzeit noch keine Beeinträchtigung der Anwohner dar. Ganz anders sei dies dann aber, wenn die Wurzeln die Grundstücke erreichen oder die Äste über die Häuser ragen. Bei den rund vier Metern Abstand ist das absehbar. Kastanien wachsen etwa 50 Zentimeter pro Jahr. Wenn also die jetzigen Kinder der Anwohner in 15 Jahren Äste am Fenster haben, können sie der Gemeinde Auflagen stellen. Was dann die heutigen Entscheider nicht mehr interessiert.

Eschenhof nimmt das Ganze schon fast mit Galgenhumor. Auch Mitstreiter Stefan Höfer weiß, dass es in dem Streit längst nicht mehr „um die Sache, sondern ums „Rechthaben“ geht. Unstrittig sei doch, dass das Angebot der Anwohner, statt 30 Meter hohe Stämme zu setzen eine Streuobstwiese selbst anzulegen und diese zu pflegen, vom Naturschutz aus viel sinnvoller gewesen sei. Und das Angebot, den Streifen seitens der Anwohner zu kaufen und als Grünland zu pflegen, hätte der Gemeinde viel Geld gespart. „Aber die FWG wollte ja nicht einmal mit uns reden, die anderen Parteien waren noch gesprächsbereit.“

Richtig enttäuscht sind sie von Bürgermeister Roland Seel (FWG). „Erst sagt er, wie sollen die Grundstücke kaufen und pflegen, dann gilt das alles nicht mehr.“ Und: „Man sollte als Bürger alle Veröffentlichungen der FWG auf der Homepage mit Vorsicht genießen. Da werden viele halbgaren Inhalte verbreitet. So hatten wir durchaus angeboten, die Kosten für Obstbäume und Pflege zu übernehmen, mitnichten wären der Gemeinde Kosten entstanden. Im Gegensatz zu jetzt“, so Eschenhof.

Eine Anzeige steht noch aus

Gerichtlich ist die Sache nun durch - na ja, fast. Ein Anwohner hat Strafanzeige gestellt, weil die Grünarbeiter ein Biotop planiert und mit der Kastanie bepflanzt haben. Zudem wurde eine im Bebauungsplan schützenswerte Hecke plattgemacht. Kollateralschäden nennt sich das wohl.

Bei den Bürgern bleibt die Erkenntnis, dass die Politik mitnichten für Bürger gemacht werde, sondern fürs Parteiinteresse. „Die kommende Generation darf sich dann damit erneut befassen, wenn die Kastanien weg müssen, weil sie die Grundstücke beeinträchtigen. Die Wurzeln breiten sich in den oberen Bodenschichten aus. Sie können zehn bis 15 Meter breit werden, bis zu acht Meter wachsen sie in die Tiefe. Bei rund vier Metern Abstand steht dann der nächste Streit vor der Tür.

Und damit dürfte sich auch der von der SPD einst geforderte Akteneinsichtsausschuss erledigt haben. Denn bei der Sachlage wäre es eine reine ABM-Maßnahme. Von Andreas Burger

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