Hessens Kommunalverfassung ist eine Besonderheit

Während in vielen Bundesländern der Bürgermeister den sprichwörtlichen Hut in der jeweiligen Stadt oder Gemeinde auf hat, gilt hierzulande das Primat des Parlaments.
Hochtaunus -Wenn die Bürger am 14. März zur Wahlurne schreiten (oder Briefwahl genutzt haben), steht fest, wer in den nächsten fünf Jahren in den hessischen Kommunen die Geschicke bestimmen wird.
Gewählt werden in diesem Bundesland die Gemeindevertretungen respektive Stadtverordnetenversammlungen, Kreistage und die Ortsbeiräte - und im Fall Hessens auch die Ausländerbeiräte, so sie denn eingerichtet sind. Die Amtszeit beginnt jeweils am 1. April.
Das hessische Wahlsystem hat sich übrigens 2001 von Bayern und Baden Württemberg das Kumulieren und Panaschieren abgekupfert. Es besteht also die Möglichkeit, die Stimmen zwischen den Bewerbern verschiedener Listen zu verteilen, einzelne Bewerber von den Listen zu streichen oder ihnen bis zu drei Stimmen zu geben. Die Wähler können so auf die Zusammensetzung der Fraktionen Einfluss nehmen.
Und so fand sich in der Vergangenheit manch 70-Jähriger, der eigentlich nur "pro forma" ganz unten auf der Liste stand und sich zurückziehen wollte, plötzlich an der Spitze wieder.
Das Kumulieren ist noch immer nicht ganz aus der Kritik. Zumal auch die Fünf-Prozent-Hürde fiel. Nach den Kommunalwahlen in Hessen 2016 führte Forsa im Auftrag der Frankfurter Neue Presse eine repräsentative Umfrage zum Kommunalwahlrecht durch. Hierbei sprachen sich 74 Prozent der Befragten für eine Vereinfachung des Wahlverfahrens aus und nur 24 Prozent unterstützen das derzeitige Wahlrecht. Diese breite Mehrheit fand sich in der Umfrage bei den Anhängern aller Parteien und in allen Bildungsschichten. Auch sprachen sich 58 Prozent für die Wiedereinführung einer Fünf-Prozent-Hürde aus. Aber eine Änderung ist nicht geplant.
Das Kommunalwahlgesetz lässt zwei unterschiedliche Wahlverfahren zu - Mehrheits- und Verhältniswahlverfahren. Die Mehrheitswahl wird angewendet, wenn es nur einen Wahlvorschlag gibt - was bei der Kommunalwahl nicht zutrifft, es kommt also die Verhältniswahl zum Einsatz. Hier ist nicht wichtig, eine Mehrheit der abgegebenen Stimmen zu erreichen. Nach dem Ende der Wahl wird die Anzahl der zu vergebenden Mandate unter die Vorschlagslisten entsprechend dem Erfolg der Listen bei den Wahlberechtigten, also verhältnismäßig, aufgeteilt.
Die kommunalen Regierungsformen sind übrigens bei weitem nicht einheitlich. Allen Kommunen gemein ist in den Ländern "Gemeinderat", auch Stadtverordnetenversammlung oder Gemeindevertretung genannt. Sie sind für die Entscheidungen zuständig. Auf jeden Fall in Hessen, das auf die sogenannte "Magistratsverfassung" blicken kann. Sie hat ihren Namen durch die "kollegiale Regierungsmannschaft" der Kommune - sprich vom Magistrat, bestehend aus dem Bürgermeister als Vorsitz und von den Fraktionen abgesandte Vertreter, also Magistratsmitglieder, die sich um die laufende Verwaltung kümmern. Bei Gemeinden nennt sich das Organ Gemeindevorstand. Deshalb nennt sich in Hessen die Kommunalverfassung auch Magistratsverfassung.
Nun gibt es aber einen deutlichen Unterschied in den Bundesländern, was die Zuständigkeiten und Freiheiten der einzelnen Ebenen betrifft. In Hessen hat das Stadtparlament das Sagen, der Bürgermeister als Leiter der Verwaltung muss ausführen. Will er in einer Sitzung reden, muss der jeweilige Vorsitzende das Wort erteilen - muss er aber nicht. Die Einführung der Direktwahl in Hessen für den Bürgermeister war also mehr Augenwischerei, denn inhaltlich begründet. Anders in Baden Württemberg.
Dort gilt die "Süddeutsche Bürgermeisterverfassung, auch Ratsverfassung genannt, die noch aufs Königreich Bayern, Großherzogtum Baden und dem Königreich Württemberg beruht. Hauptorgane ist auch dort der Gemeinderat sowie der direkt gewählte Bürgermeister, dem eine sehr starke Stellung eingeräumt wird.
Der Bürgermeister hat den Vorsitz im Gemeinde- oder Stadtrat, ist Leiter der Gemeindeverwaltung und beamtenrechtlich oberste Dienstbehörde der Beamten der Gemeinde. Zudem ist er oberster Repräsentant der Gemeinde. Und: Er leitet in der Regel auch die Ausschüsse des Gemeinderates. Seine Stellung ist damit viel stärker, zumal ein Einspruch von ihm aus Auswirkungen hat. Erhebt ein Bürgermeister in Hessen Einspruch gegen eine Entscheidung, dann kann das Parlament ihn anschließend erneut überstimmen, salopp formuliert.
Die Süddeutsche Ratsverfassung haben die meisten Bundesländer, die Magistratsverfassung ist für Hessen ein Alleinstellungsmerkmal. Und warum haben die Länder unterschiedliche Verfassungen? Weil die Besatzer nach dem zweiten Weltkrieg unterschiedliche Vorstellungen hatten - so einfach ist das. Welche Form nun tatsächlich besser ist - darüber streiten sich Fachleute seit langem .