Mit Kampfgeist und Rückendeckung
Freundschaft, Familie, eigener Wille und Glück: Wie wichtig diese Dinge sind, wenn soziale Sicherungssysteme nicht ausreichend helfen. Darüber unterhielten sich Heiner Brand, Joey Kelly, Rolf Heggen und Joachim Deckarm auf Einladung der Montagsgesellschaft im Ascara-Saal des Falkenstein Grand Kempinski-Hotels.
Von Patrick Bauer
Joachim Deckarm: Er war einst einer der besten Handballer der Welt. 1978 wurde er mit der deutschen Mannschaft Weltmeister. Dann kam der Unfall: In einem Spiel in Ungarn im März 1979 erleidet er nach einem Zusammenstoß mit einem anderen Spieler und einem harten Sturz ein schweres Schädel-Hirn-Trauma. Er fällt ins Koma. Nach 131 Tagen wacht er wieder auf. Nichts ist mehr, wie es war. Der erfolgreiche Sportstar ist mit einem Mal auf Hilfe angewiesen. Ohne Freunde und Familie hätte er es nicht zurück ins Leben geschafft.
Handball-Familie half
Heiner Brand, damals Deckarms Mannschaftskamerad und später erfolgreicher Handball-Nationaltrainer, erzählt aus dieser Zeit: „Wir haben uns damals als Handball-Familie entschieden zu helfen und finanzielle Unterstützung organisiert und einen Fonds gegründet.“ Brand war im Weltmeisterteam von 1978 und hat mit Deckarm beim VFL Gummersbach gespielt. Er ist eng verbunden mit Deckarm, nennt ihn immer „Jo“. Der Unfall sei ein starker Einschnitt gewesen – auch für ihn persönlich, so Brand, „Wir haben danach unser Leben und den Sport ganz anders eingeordnet und mir wurde klar: Es gibt Wichtigeres als den Sport: Gesundheit, Familie und Zusammenhalt.“ Diese Erfahrung nimmt er später als Trainer mit. „Eine Mannschaft aufstellen, die zueinander passt, und eine gute Atmosphäre und Teamgeist fördern.“ Das sei die Kunst des Trainers.
Rolf Heggen begleitete Joachim Deckarm erst als Journalist, später als Freund. Er hat vor der Veranstaltung bei der Montagsgesellschaft mit Deckarm gesprochen. Deckarm selbst nennt Heggen seinen „Pressesprecher“. „Ich habe Joachim Deckarm zunächst als überragenden Sportler kennengelernt. Er war ein Teamspieler und hat immer der Mannschaft gedient. Nach dem Unfall hat die Mannschaft dann ihm gedient“, erzählt Heggen.
Ohne den Einsatz der Mannschaft hätte Deckarm es nicht geschafft. Auch finanziell waren Handballspieler damals noch nicht ausreichend versorgt. „Als Welthandballer von dort oben nach ganz unten, auf den Nullpunkt zu fallen, das kann nicht jeder verkraften. Dazu braucht es Freunde und Familie: Bei Joachim die Handball-Familie.“
Dass Familie einen besonderen Zusammenhalt herstellt, weiß auch Joey Kelly. Der Musiker und Extremsportler sprach über seine Zeit in der Kelly Family. „Mein Vater hat die Kelly Family geführt und zusammengehalten. Nachdem er 2002 nicht mehr da war, fehlte der Motor der Familie“, sagt er.
Freunde und Familie sind enorm wichtig, da waren sich alle Teilnehmer der Diskussion im Ascara-Saal des Falkenstein Grand Kempinski einig. Für einen erfolgreichen Weg braucht es aber auch einen starken Willen. Auch der erfahrene Extremsportler Joey Kelly muss immer wieder den inneren Schweinehund überwinden. „Aber wenn man durchs Ziel geht, dann weiß man, warum man das gemacht hat“, sagt er. „Ziele erreicht man nicht ohne Disziplin.“
„Ohne Kampfgeist geht es nicht“, sagt auch Rolf Heggen über Joachim Deckarms Regeneration nach dem Koma. „Joachim musste nach dem Handball die Ergotherapie zu seinem neuen Leistungssport machen“, sagt er. „Aber den inneren Schweinehund kann man besser in einem guten Umfeld bestreiten.“ Für Joachim Deckarm, so Rolf Heggen, gehören dazu insbesondere auch „die jungen Menschen vom Freiwilligen Sozialen Jahr, die Deutsche Sporthilfe und seine Trainer“.
Die beste Absicherung
In der Frage „Was ist Glück?“ fassen es die vier Gäste noch mal zusammen. „Familie, Gesundheit und Rückendeckung“, sagt Joey Kelly, sei sein Glück. Joachim Deckarm selbst sagt: „Ich habe das Glück, in so einer Mannschaft, wie sie es war, gespielt zu haben. Ich möchte diese Zeit nicht missen.“ Aus seiner Mannschaft wurden Familie, Freunde und Unterstützer. Alles zusammen, so die Gäste, sei das beste soziale Sicherungssystem, was ein Mensch haben kann, und besonders wichtig in Zeiten, wenn staatliche Sicherungssysteme nicht ausreichen.