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Die Burg gibt ein weiteres Geheimnis preis

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Von: David Schahinian

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Mit blühender Fantasie wurde unlängst darüber spekuliert, wie das „Scharfe Eck“ auf der Kronberger Burg zu seinem Namen gekommen ist. Höchste Zeit also, einen Experten zu kontaktieren.

Es sorgte für einige Lacher bei der jüngsten Mitgliederversammlung des Burgvereins, das „Scharfe Eck“ am alten Bollwerk der Kronberger Burg. Zum einen, weil es eben nicht scharf ist, sondern rund, und zum anderen, weil flugs die wildesten Spekulationen ob der Herkunft des Namens ins Kraut schossen.

Scharfes Eck ist rund

Apropos Kraut: „Die Behauptung, dass dort anno dazumal Pfeffersträucher wuchsen, konnte wenig überzeugen“, findet Dorothea Peukert, im Verein für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Charmant, aber gleichfalls kaum plausibel erschien, dass dort ein lauschiges Plätzchen für Schäferstündchen gewesen war – welches im Sprachgebrauch der Protagonisten zum „Scharfen Eck“ mutierte. Der Volksmund sagt in solchen Fällen: Wenn die Geschichte nicht stimmt, ist sie zumindest gut erfunden.

Die darauffolgende Internetrecherche brachte viele scharfe Ecken ans Tageslicht: Hotels, Gasthäuser, Motorrad-Freunde gleichen Namens in Burkardroth und ein türkisches Spezialitäten-Restaurant in Kirchheim-Teck. Die gesuchte Antwort blieben sie jedoch alle schuldig.

Auch Peukert ließ die Frage keine Ruhe, und so wandte sie sich an Dr. Gerd Strickhausen vom gleichnamigen Burgenbüro. „Er kennt die Burg Kronberg wie kein Zweiter“, weiß sie, und in der Tat erwies sich die Spur als Volltreffer.

„Die Bezeichnung ,Scharfes Eck‘ findet man im Burgen- und Befestigungsbau sehr häufig. Auch auf der Königsteiner Burg, wo ich derzeit forsche, bin ich einem Ort dieses Namens begegnet“, antwortete er. Er weise auf eine bastionsförmige Verteidigungseinrichtung hin, eine Dreiecksspitze. „Vermutlich aus Erdreich aufgeschüttet, ohne massives Mauerwerk, reichte diese kleine Anlage für die Verteidigung durch Infanteristen aus – wenn sie denn jemals gebraucht worden wäre, doch auf Burg Kronberg war das nie der Fall“, berichtet Peukert weiter von seinen Ausführungen.

Es wurde nicht gebraucht, es ist nicht zu sehen – gab es das ominöse Eck in Kronberg überhaupt einmal? Strickhausens kurze Antwort lautete: „Schauen Sie mal bei Kraus 1803 nach.“ Die lange: „Wegen der Leichtbauweise verschwanden die sichtbaren Spuren des Scharfen Ecks. Unterirdisch mag es noch welche geben, doch die Bezeichnung für den Ort blieb.“ Irgendwann sei sie auf das dahinterliegende runde Bollwerk, das heute noch teilweise zu sehen ist, übertragen worden.

Die Antwort liegt nah

Auf einem kolorierten Kupferstich von Georg Melchior Kraus aus dem Jahr 1803 ist das Eck deutlich zu erkennen. Das Original befindet sich im Besitz des Historischen Museums in Frankfurt. Nun ist es im Leben oftmals so, dass die Antworten auf – mehr oder weniger – wichtige Fragen direkt vor der eigenen Nase liegen, ohne dass man sie erkennt. Ein Foto des Kupferstichs mit dem „Scharfen Eck“, angefertigt von Horst Ziegenfusz, hängt seit langer Zeit im zweiten Obergeschoss der Burg, schräg gegenüber dem Lehrerzimmer.

„Es kann im Zuge einer Burgführung betrachtet werden“, sagt Peukert. Wer genau hinschaut, sieht darauf auch einen Schäfer und eine holde Maid, die sich tief in die Augen schauen. Aber keine Pfeffersträucher.

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