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Löwenstarke Grundschüler trotzen Lernrückständen

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Von: Katja Schuricht

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In der Grundschule Köppern arbeiten die Schüler- wie hier in einer vierten Klasse - seit der Pandemie regelmäßig mit den neuen Medien.
In der Grundschule Köppern arbeiten die Schüler- wie hier in einer vierten Klasse - seit der Pandemie regelmäßig mit den neuen Medien. © KATJA SCHURICHT

Fachliches Niveau kaum gesunken - Bei der Sozialkompetenz werden Defizite bemerkt

Hochtaunus -Schulschließungen, Wechselunterricht, Homeschooling, abgesagte Klassenfahrten, ausgefallene Sportfeste und Projektwochen - gefühlt ist es schon lange her, dass für Kinder und Jugendliche das gewohnte Schulleben aus den Fugen geraten war.

Doch auch wenn glücklicherweise alles im Schulalltag wieder so ist wie vor der Pandemie, blitzt kurz vor der Ausgabe der Halbjahreszeugnisse am Freitag das Schreckgespenst „Lernrückstände“ in den Köpfen auf. Aber: Wie sieht es tatsächlich aus an den Schulen im Hochtaunuskreis? Haben die Leistungen wirklich nachgelassen? Sind Lerndefizite noch immer eine Herausforderung oder läuft alles wieder in ruhigem Fahrwasser?

Aufholprogramm und Hausaufgabenhilfe

Wir haben uns an vier Grundschulen umgehört, um einen Eindruck von der Post-Pandemie-Stimmung in den Klassenzimmern zu bekommen. Kein Grund zur Sorge heißt es zum Thema Lernrückstände aus der Grundschule Köppern. „Wir nehmen schon immer Stichproben von Klassenarbeiten und vergleichen diese mit Arbeiten früherer Jahrgänge“, erklärt Schulleitern Ute Kühn. „Das Niveau ist genauso wie vor Corona“, kann Kühn vermelden. Dafür, dass die Schüler aufgefangen werden und bei Bedarf Unterstützung bekommen, habe auch das Programm „Löwenstark - der Bildungskick“ des Kultusministeriums gesorgt. „Löwenstark“ ist ein „Corona-Aufholprogramm“, das der hessische Kulturminister Alexander Lorz (CDU) aufgelegt hat. Die Schulen erhalten seit dem Schuljahr 2021/2022 ein zusätzliches Budget und können selbst entscheiden, welche Projekte sie damit umsetzen oder ob sie sich zusätzliche personelle Unterstützung an ihre Schule holen. „Wir haben die Mittel sinnvoll eingesetzt und können damit noch bis zu den Sommerferien viel Gutes tun, beispielsweise, indem wir einzelne Schüler gezielt fördern“, so Kühn.

Um Lernrückstände aufzufangen habe man außerdem die von Ehrenamtlichen gestemmte Hausaufgabenbetreuung wieder aktivieren können. Bei der Förderung helfe im Schulalltag auch die digitale Technik. „Bereits 2021 ist jede Klasse mit sieben iPads ausgestattet worden, die wir regelmäßig im Unterricht einsetzen“, betont Ute Kühn.

Auf einem guten Weg sieht sich auch die Grundschule Oberursel-Mitte. „Wir sind mittlerweile aus der Pandemie und ihren Auswirkungen auf unser Schulleben ganz gut herausgewachsen“, sagt Schulleiter Clemens Steden. Auch in Oberursel war „Löwenstark“ dabei ein entscheidendes Werkzeug. „Wir haben verschiedene Programme auflegen können, etwa extra Schwimmkurse. Dank der finanziellen Mittel konnten wir Kooperationen eingehen, beispielsweise mit der Volkshochschule. So waren bei uns AGs in Englisch oder Bewegungsförderung im Angebot.“ Alles werde gerne angenommen, sagt Steden. Er hofft, dass es die Sondermittel auch in den kommenden Monaten noch geben wird. „Dann könnten wir die Angebote weiterhin organisieren.“ Lernrückstände, fügt der Schulleiter hinzu, habe man bei den Schülern nur in geringem Maß festgestellt. „Es gab wegen der Pandemie im vergangenen Schuljahr bei uns keine schlechteren Empfehlungen für die weiterführenden Schulen.“

Schüler haben vor allem Ausdauerprobleme

Beim Stichwort Defizite lenkt Jenny Strobel, Leiterin der Kronthalschule in Kronberg, im TZ-Gespräch die Aufmerksamkeit in ihrer Schule auf das Fach Sport. „Beim Thema Bewegung spüren wir bei vielen Kindern sehr stark die Auswirkungen der Pandemie“, sagt Strobel. Die Rückmeldung der Sportlehrer sei, dass es vielen Kindern vor allem an Ausdauer fehle. „Auffällig ist bei den Erstklässlern auch, dass es zwei Extreme gibt“, meint die Schulleiterin. „Wir haben Kinder, die schon bei der Einschulung lesen und schreiben konnten und während des Homeschoolings bei ihren älteren Geschwistern mitgelernt haben. Und es gibt Kinder, die vor der Einschulung nicht im Kindergarten waren und so auch keine Schulvorbereitung genießen konnten.“ Die Lösung sei, den Mädchen und Jungen unterschiedliche Lernmaterialien anzubieten. „So gelingt es uns, diese großen Unterschiede gut aufzufangen.“

Wissenslücken in Mathe und Deutsch seien die eine, Defizite im Bereich der sozialen Kompetenz und der Konzentration die andere Nachwirkung der Pandemie. Diese Erfahrung habe zumindest das Kollegium an der Grundschule Dornholzhausen gemacht. „Für viele unserer Kinder ist es seit der Pandemie schwerer als vorher, den Kopf fürs Lernen frei zu bekommen“, berichtet die Leiterin der Schule Monika Arens. „Dabei hilft uns nach wie vor das Förderprogramm ,Löwenstark‘“, erklärt Arens. „Damit finanzieren wir zusätzliches Personal, mit dem wir in bestimmten Klassen eine doppelte Besetzung gewährleisten können, um diesen Kindern Hilfe anbieten zu können.“

Lernrückstände seien an ihrer Schule nicht das Problem, sagt Arens. „Das ist nicht so gravierend, denn was das betrifft, haben wir unter unseren Eltern viele, die ihre Kinder zu Hause unterstützen.“ Was ihr mehr Sorge bereite sei die Entwicklung, dass es mehr Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten gebe. Und diese bräuchten Hilfe außerhalb der Schule, beispielsweise in Form einer Therapie. „Wir alle wissen, dass genau das problematisch ist, da es nicht genügend Plätze gibt“, meint Arens. Die könne auch niemand so schnell aus dem Hut zaubern. „Das heißt für uns aber auch, dass Hilfe für die betroffenen Kinder spontan nicht möglich ist.“

Langfristige Folgen befürchtet

Der Blick des Kreiselternbeirats auf die Situation ist ein optimistischer. „Die Grundschulen waren sehr bemüht, die Pandemie-Folgen nach Kräften in den Griff zu bekommen“, sagt die Vorsitzende des Kreiselternbeirats Havva Sanli auf Nachfrage. „Das ist im Großen und Ganzen, bei allen Einschränkungen, gut gelungen. Die Lehrerinnen und Lehrer standen vor einer großen Herausforderung, der sie sich weitgehend mit großem Engagement gestellt haben.“ Wie erfolgreich Defizite abgebaut werden konnten, hing aber, sagt sie, auch sehr stark davon ab, in welchem Umfang Eltern sich eingebracht haben - sei es durch eigene Förderung ihrer Kinder oder durch Finanzierung von Nachhilfe.

Mit Blick auf das nun startende zweite Schulhalbjahr erklärt sie: „Ich bin zuversichtlich, dass der Rückstand bei der Vermittlung des Lernstoffs in absehbarer Zeit aufgeholt werden kann. Allerdings halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass die Pandemie sich langfristig auf das Lernverhalten und die Sozialkompetenz der Kinder auswirkt.“ Aus diesem Grund sei sie mit den Grundschulvertretern im Kreiselternbeirat im Austausch, so dass bei Bedarf einzelne Aspekte noch vertieft werden können.

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