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Michael Riemenschneider, der Felix Krull der Sterneköche

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Er liebt schnelle Autos und teure Uhren: Der Koch Michael Riemenschneider, der im Taunus aufgewachsen ist, hat hoch gepokert und hoch verloren.
Er liebt schnelle Autos und teure Uhren: Der Koch Michael Riemenschneider, der im Taunus aufgewachsen ist, hat hoch gepokert und hoch verloren. © Heike Lyding

Teure Autos, protzige Uhren, kostspielige Reisen und schöne Frauen ? Michael Riemenschneider ist im Taunus aufgewachsen und hat das Leben in vollen Zügen genossen. Das Problem: Das Geld, das der Frankfurter Koch für seinen Lifestyle verprasste, war gar nicht seins.

Es ist die Geschichte von einem, der auszog, das Kochen zu lernen – dann aber irgendwie vom rechten Weg abgekommen ist. Er hinterließ eine Spur verunglückter Unternehmungen. Doch dann beschloss eine Frau aus London, der er nicht nur Geld, sondern auch das Herz gestohlen hatte, sich zu wehren. Michael Riemenschneider ist ein Kind des Usinger Landes. Aufgewachsen ist er im Wehrheimer Ortsteil Pfaffenwiesbach. Bei den Bambinis der TSG Pfaffenwiesbach auf der Sportanlage an der Kransberger Straße lernte er das Fußballspielen. Hier, vor den Toren Frankfurts, machte ihn seine Großmutter Wilma mit den Gerüchen und Gebräuchen der Küche bekannt. Gelernt hat der Bub aus Pfaffenwiesbach sein Handwerk in der Heimat, im Bad Homburger Steigenberger Hotel – von dort ging es in die große Welt hinaus, raus aus dem engen Wehrheimer Becken. Von Zeitungskollegen einst gefragt, wie ein junger Mann so schnell Karriere machen konnte, lautete seine Antwort: „Mit Ehrgeiz, beflügelt von Sprüchen wie ,Aus dem wird eh nix‘, 18 Stunden Arbeit am Tag und auch mit ein wenig Glück.“ Eine wichtige Komponente hatte der heute 36-Jährige in seiner Aufzählung allerdings vergessen: Geld, vornehmlich das Geld anderer Menschen. Es ist noch gar nicht lang her, Anfang Februar vergangenen Jahres, da kehrte der Koch nach Aufenthalten in Frankreich und England in seine hessische Heimat zurück. In Frankfurt, in der Schneckenhofstraße, eröffnete er das Atelier Wilma – benannt nach seiner inzwischen verstorbenen Oma. Die Mainmetropole stand kopf, freute sich über ihren neuen Sternekoch. Alle waren angetan von dem charmanten Sunnyboy, dessen Markenzeichen unterschiedlich farbige Schuhe, Luxuskarossen und teure Uhren waren. Selbst die Bild-Zeitung berichtet über die Heimkehr des verlorenen Sohnes und dessen dringendstes Problem in der Mainmetropole: zu wenig Parkausweise für seine 18 Nobelautos. Gut ein Jahr ist das her. Zwischenzeitlich hatte der 36-Jährige noch zwei weitere Restaurants eröffnet: den Tischlerwirt in Kitzbühel und Reinhold’s Enkel in Bad Homburg. Die beiden Lokale sind schon wieder zu, das Vermögen des Unternehmers weg. Riemenschneiders drittes Lokal, das Atelier Wilma, steht unter Insolvenzverwaltung und der Maître selbst soll aktuell angeblich in einem Männerwohnheim in Frankfurt leben. Wie konnte es nur so weit kommen? Erste Gerüchte, dass irgendwas an Riemenschneider nicht ganz koscher ist, gab es schon vergangenen Herbst. In London beklagte sich eine Frau, eine ehemalige Geschäftspartnerin, darüber, dass der deutsche Koch sie um viel Geld betrogen haben soll. Von 2,4 Millionen Euro war die Rede. Entsprechende Nachfragen (Mails und mehrere Anrufe) unserer Zeitung bei Riemenschneider blieben seinerzeit unbeantwortet.

Mehr Platz für den Hund

Doch erzählen wir die Geschichte von Anfang an, und die beginnt, wie sonst nur Märchen beginnen. Eine Frau lernt einen Mann kennen, sie verlieben sich und schmieden Pläne für die Zukunft – doch schnell, nur allzu schnell wurde aus diesem Traum ein Fall für Privatdetektive, Polizei und Gerichte. Flora Mascolo ist die Witwe des bekannten englischen Unternehmers Guy Mascolo, der gemeinsam mit seinen Brüdern in den 1970er und 80er Jahren die erfolgreiche Friseur-Kette „Toni & Guy“ etablierte. Guy Mascolo verstarb 2009 im Alter von 65 Jahren an den Folgen eines Herzinfarkts. Witwe Flora (50), eine gut aussehende Frau, setzt das unternehmerische Erbe fort, gründet eine Stiftung, deren Zweck sein soll, die Lebensqualität von Kindern zu erhöhen, und dazu die „Guy Mascolo Football Charity“, die mit Hilfe von Fußballtraining das Potenzial junger Menschen heben soll. Im September 2014 lernt sie Michael Riemenschneider kennen, der als Chefkoch in dem angesagten Restaurant Canvas im Londoner Stadtteil Chelsea arbeitet. Durch einen Zufall landet Flora Mascolo gemeinsam mit einer Freundin in der Küche des Restaurants und trifft dort auf den deutschen Koch. Der ist zunächst gar nicht glücklich über die Störung, taucht aber wenig später am Tisch der beiden Frauen auf – mit Champagner, um sich für sein ruppiges Benehmen zu entschuldigen. Und nur wenig später, so erinnert sich Flora Mascolo in einer eidesstattlichen Aussage, die der FNP vorliegt, sei man ein Paar gewesen.

Pikanter Aspekt am Rande: Im August 2014 hatte Riemenschneider im Gespräch mit dieser Zeitung noch von seiner Verlobten Amy geschwärmt, die er demnächst heiraten wolle. Von den Verlobten des Kochs wird später noch zu sprechen sein.

Von nun an geht alles rasend schnell – nachzulesen in einer mehrere Hundert Seiten umfassenden Gerichtsakte. Riemenschneider, so geht es aus der Aussage von Flora Mascolo hervor, wickelt die Witwe um seinen Finger. Die bewundert dessen Energie und ist von seinen Referenzen beeindruckt. Er wiederum gibt sich bescheiden, berichtet von Fehlern aus der Vergangenheit, die ihm Schulden eingebracht hätten. Aber aus diesen Fehlern habe er gelernt. Und so kommt es, wie es kommen musste: Riemenschneider und Flora Mascolo vereinbarten eine Zusammenarbeit. Zunächst übernimmt die aparte Londonerin einige aufgelaufene Kosten für das Canvas. Urlaube wie der auf den Seychellen und abendliche Aktivitäten – auch hier zahlt sie, nicht er. Im November 2014 spricht Riemenschneider erstmals davon, London zu verlassen und sein Glück in Deutschland zu versuchen. Von seinen Canvas-Investoren werde er nicht respektiert und wie ein Kochgehilfe behandelt, beklagt er sich. 500 000 britische Pfund (rund 580 000 Euro) brauche er, um in Frankfurt ein Restaurant zu eröffnen. Im Blick hat er das Caracol in der Schneckenhofstraße 11. Und so wird die Idee geboren, dass man nicht nur privat, sondern auch geschäftlich ein Paar ist. Ihr Beitrag soll die Finanzierung sein, seiner die tägliche Geschäftsführung des neuen Restaurants. Den Gewinn will man sich teilen. Allerdings: Es wird nicht direkt ein Geschäftsplan unterschrieben. Jedoch sollen Textnachrichten auf Flora Mascolos Handy die getroffenen Vereinbarungen belegen.

Riemenschneider macht den Mietvertrag mit dem Restaurant in Frankfurt klar. Geplant ist zudem, dass er in die ebenfalls angemietete Einzimmerwohnung (1350 Euro Monatsmiete) einzieht. Dazu kommt es allerdings nie. Der Koch teilt seiner Lebensgefährtin mit, dass er für seinen Hund mehr Platz brauche und zieht mal eben in ein dreistöckiges Haus mit vier Schlafzimmern – die Miete dort: 5000 Euro. Doch das ist zu diesem Zeitpunkt noch kein Problem. Das Paar ist glücklich, einen Namen für die Investition – aus dem Caracol wird das Atelier Wilma – gefunden zu haben, und träumt bereits von einer internationalen Expansion in Richtung USA und Japan.

Im Dezember 2014 zieht Riemenschneider also wieder nach Deutschland – und damit nimmt die Tragödie ihren Lauf. Im Januar 2015 möchte Flora Mascolo die geschäftliche Seite ihrer Beziehung in vertragliche Form gießen, doch mal kann Riemenschneider ihre Berater nicht leiden, mal sind ihm die Anwälte zu teuer und wieder ein anderes Mal hat er gerade keine Zeit. Lästige Nachfragen blockt er mit der Gegenfrage, ob ihm denn die Freundin nicht vertrauen würde. All die Gespräche hat die Witwe aus den Verlaufsprotokollen ihres Handys rekonstruiert. Im Februar 2015 gehen dann erste Geldforderungen bei Flora Mascolo ein. Bis Ende des Monats fließen 250 000 Euro von London in Richtung Frankfurt. Doch die Forderungen brechen nicht ab – mal wird Geld für Handwerker benötigt, mal für die Kücheneinrichtung, mal für Tische, Stühle oder Weine. Ärgerlicherweise stellen die Handwerker auch immer wieder Nachforderungen und immer wieder springt die Lebensgefährtin ein. Wofür Riemenschneider zu einer Zeit, da sein Restaurant noch gar nicht offen war, Löhne bezahlen musste (oder besser Flora Mascolo), bleibt bis heute ein Geheimnis. Die Bitte seiner Freundin, doch mal einen Blick in das Restaurant werfen zu dürfen, lehnt Riemenschneider ab. „Es soll eine Überraschung für dich werden“, sendet er gen London. Und in der Tat wartet noch eine große Überraschung auf die Witwe. Im Nachhinein, so Mascolo, sei das wohl ein deutliches Warnsignal gewesen, doch damals schöpfte sie noch keinen Verdacht. Gegen Mitte des Jahres zaubert der Koch dann sein nächstes Projekt aus dem Hut: Er will auch noch das Restaurant Zum Tischlerwirt in Kitzbühel übernehmen. Und schwupps, ist der Mietvertrag unterschrieben – allerdings ohne das Okay seiner „Investorin“. Dafür entschuldigt er sich kleinlaut und verspricht, aus dem Tischlerwirt einen Erfolg zu machen. Bis in den Herbst 2015 bittet Riemenschneider immer weiter um Geld – mal sind es 26 000 Pfund, mal nur 1455 Euro. Mal geht es um das Atelier Wilma, mal um den Tischlerwirt. Natürlich werden auch regelmäßig die Mieten für die Läden überwiesen. Später gesteht sich die Witwe ein, in dieser Zeit die Übersicht verloren zu haben. Das ist die Zeit, in der Vertraute Flora Mascolo raten, die Zusammenarbeit mit dem Deutschen jetzt doch mal in eine vertragliche Form zu bringen. Dieser Ratschlag hat die wohl größte Serie an Unglücksfällen zu Folge, die einem Koch je untergekommen ist. Ein Besuch in London Anfang Oktober 2015, bei dem über die vertraglichen Details gesprochen werden soll, wird schon nach wenigen Stunden abgebrochen – Einbrecher sollen die Wohnung Riemenschneiders heimgesucht haben. Anfang November dann wieder der Ruf nach mehr Geld, Fliesen seien zu bezahlen, knapp 40 000 Euro fällig. Doch zurück zur schier unglaublichen Unglücksserie: Ende November, nur einen Monat nach dem Einbruch, stürzt das Dach seines Hauses ein, zwei Tage später, am 22. November, Riemenschneider soll an diesem Tag nach London kommen, erhält Flora Mascolo mal wieder eine Textnachricht: Riemenschneiders Mutter soll einen Herzinfarkt erlitten haben. Tagsdrauf trudeln neue Geldforderungen ein. 64 000 Euro für das Atelier, 17 000 Euro für den Tischlerwirt. Wie kann man nur so blind sein, fragt man sich als Außenstehender. Tatsache ist, dass Liebe wohl mitunter blind macht. Flora Mascolo hofft trotzdem noch auf eine gemeinsame Zukunft mit dem vermeintlichen Traumprinzen. Aufkommende Zweifel der Witwe zerstreut Riemenschneider bei einem Kurzurlaub in Dallas, man schmiedet Pläne für ein gemeinsames Weihnachtsfest. Doch einer macht dem fröhlichen Treiben einen Strich durch die Rechnung – Flora Mascolos engster Berater. Er äußert nun ernsthafte Bedenken an dem Millionen-Invest. Zu diesem Zeitpunkt hat ihm die Witwe gezahlte Gelder in Höhe von rund 1 Million Pfund offenbart. Der Berater ist entsetzt, nennt diese Summe völlig überhöht. Er drängt die Investorin, eine Aufstellung ihrer bisherigen Ausgaben zu machen und nun endlich die Geschäftsbeziehung zu dem deutschen Koch zu dokumentieren.

Heiligabend in der Klinik

Nun, endlich, macht die Witwe Druck auf Riemenschneider, was prompt dazu führt, dass sich zum einen die schreckliche Serie von Unglücksfällen fortsetzt und zum anderen neuerliche Geldforderungen folgen. Aus dem gemeinsamen Weihnachten wird daher auch nichts, denn am 22. Dezember wird schon wieder bei Riemenschneider eingebrochen und an Heiligabend muss er erneut ins Krankenhaus – diesmal soll sich sein Souschef das Kreuzband gerissen haben. Erbost teilt er seiner Lebensgefährtin mit, dass „die Idioten letzte Nacht Skifahren“ gewesen seien, dabei sei es zu dem Unfall gekommen. Jetzt drängt sich der Witwe der Verdacht auf, dass sie einem Hochstapler aufgesessen sein könnte. Mitte Januar 2016 beauftragt sie daher Quest Global Limited, eine renommierte Privatdetektei in London, ihren Lebensgefährten unter die Lupe zu nehmen. Sie selbst taucht Mitte Februar überraschend in Frankfurt auf. Zwischenzeitlich hatte zumindest mal der Tischlerwirt eröffnet. Diese Tatsache und ein Gespräch mit Riemenschneider beruhigt die Londoner Investorin erst mal wieder. Im März macht dann auch das Atelier Wilma auf. Wenig später am 1. April überweist sie ihm das letzte Mal Geld. Die Forderung, sämtliche Buchhaltungsunterlagen vorzulegen, „kontert“ er mit einer schweren Erkrankung. So reagiert er immer, wenn es Druck gibt – die Mitleidsmasche. Und sie funktioniert. Im Juli folgt dann endgültig das böse Erwachen, Quest legt die Ergebnisse ihrer Ermittlungen vor. Die Detektei hat einen alten Haudegen auf Riemenschneider angesetzt: Julian L. arbeitet seit acht Jahren als Privatdetektiv, zuvor 31 Jahre für die Londoner Polizei, zuletzt im Range eines Detective Sergeant. Er folgt seinem Objekt quer durch Europa. Er reist mit Kollegen nach Kitzbühel und nach Frankfurt, er spürt in England ehemalige Geschäftspartner des Deutschen auf und trifft auf eine ganze Reihe Ex-Verlobter: Leah (2009), Chloe (2012), Stacey (2013) und Amy (2014). Hinzu kommt, dass der Koch mit Hang zum Jetset noch parallel zu Flora Mascolo eine Beziehung zu einer anderen Frau führen soll. Der Privatdetektiv hat den Koch und diese Dame bei seiner Stippvisite in Kitzbühel gesehen. Die beiden sollen in vertrauter Pose in dem Restaurant gesessen haben, bevor sie samt Mops wieder verschwanden. Doch das ist noch längst nicht alles. Julian L. findet heraus, dass Riemenschneider – entgegen seiner Angaben gegenüber Flora Mascolo – bis dato noch nie in einem Restaurant mit einem Stern gearbeitet hat, dass er eine „Spur gescheiterter Projekte und versenkter Investorengelder nach sich zieht“, dass er eine Flotte von Luxusautos besitzt. Eines davon, einen Ferrari, soll Riemenschneider am 8. Februar 2016 gekauft haben, einen Tag, nachdem er 100 000 Euro aus London überwiesen bekommen hat. Zudem erfährt Flora Mascolo, dass Riemenschneider ohne ihr Wissen noch ein weiteres Lokal übernommen hat: den ehemaligen Grünen Baum im Bad Homburger Stadtteil Kirdorf. Auch diesem Restaurant stattet der Detektiv einen Besuch ab. Seine bittere Erkenntnis, die er in einer eidesstattlichen Erklärung abgibt: „Herr Riemenschneider ist ein professioneller Hochstapler.“

Dazu passt die Chronik der in den Sand gesetzten Unternehmungen: 2008 hatte der Koch die Lokalitäten The Abbey und Juniper übernommen. Deren Besitzer investierte eine Million Pfund. Kurze Zeit später waren beide Läden dicht. 2009 folgte das Contena Hotel, von dem sich Riemenschneider nach einem Zerwürfnis mit dem Inhaber schnell wieder trennt. In das Pub The Highwayman investieren die Eltern seiner damaligen Verlobten im Mai 2010 15 000 Pfund, im November ist der Laden wieder dicht. Einen ähnlichen Verlauf recherchiert Julian L. für das Barcaldine Hotel in Schottland (2011) und das Broad Face in Abingdon (2013).

Noch während Julian L. in Riemenschneiders Leben forscht, prahlt der protzig in der Bild-Zeitung von seinem „Luxus-Problem“ – er hat nicht genügend Parkausweise für seinen Fuhrpark. Zu diesem Fuhrpark zählen zwischenzeitlich ein Aston Martin V 8 Vantage, ein Ferrari California, ein Dodge Challenger, ein Mercedes AMG GTD Carbon Keramik (den er sich für rund 150 000 Euro zulegt), ein Lamborghini Murcielago, eine Corvette C 6, ein Ferrari F 430 Spider, ein Ford Mustang, ein Land Rover und – man glaubt es kaum – ein Volkswagen Caddy sowie ein Smart. Alle Fahrzeuge führen ein Bad Homburger Kennzeichen. Auch bei den Uhren hält er sich nicht zurück – genießt Luxus pur. An sein Handgelenk kommen nur Breitling und Hublot wie zum Beispiel das Model „Spirit of Big Bang“ für schlappe 50 000 Euro. Später werden seine Anwälte eine Erklärung zu seinem Lebensunterhalt abgeben. Rund 14 100 Euro gibt Riemenschneider im Monat aus, unter anderem 1500 Euro für Kleidung, 500 Euro für Massagen und 200 Euro für den Friseur – und das bei einer 08/15-Frisur. Diesem Lebensstil frönt der Koch übrigens auch noch, als der High Court of Justice verfügt, dass der Deutsche keine Vermögenswerte (Restaurants, Autos und Uhren) mehr veräußern und nur noch 1000 Pfund im Monat ausgeben darf.

Alles in den Sand gesetzt

Nach den Enthüllungen durch den Privatdetektiv ist auch seiner Lebensgefährtin in London – wenn auch viel zu spät – klar, dass Riemenschneider wohl niemals erfolgreich gewesen ist, dass er in weiten Teilen gelogen und dass er einen Großteil ihres Geldes nicht für die gemeinsamen Projekte, sondern für seinen extravaganten Lebensstil ausgegeben hat. Und so zieht sie im Juli 2016 (ungefähr zur selben Zeit macht der Tischlerwirt in Kitzbühel dicht) die Notbremse. Vor dem High Court erwirken ihre Anwälte bereits erwähnte „Word Wide Freezing Injunction“. Doch was kratzt einen deutschen „Promi-Wirt“, was irgendwelche Richter in London beschließen, Riemenschneider macht einfach weiter. Ob er zu diesem Zeitpunkt endgültig den Bezug zur Realität verloren hat? Wir wissen es nicht, Anrufe und Anfragen per Mail bleiben über ein halbes Jahr unbeantwortet. Entweder ist das die berühmte Vogel-Strauß-Methode, oder der Mann ist zu sehr damit beschäftigt, trotz Verbots Vermögenswerte beiseite zu schaffen. Mascolos Anwälte stellen wenig später fest, dass Riemenschneider nach der gerichtlichen Verfügung 250 000 Euro von seinem Konto abgehoben hat. Im September 2016 berichtet das TV-Magazin „Mein Lokal, dein Lokal“ erneut über die Luxusschlitten des Kochs – der kann das Prahlen nicht lassen. Zwischenzeitlich wird in seinen Restaurants nur noch gegen Bares abgerechnet. Und was heißt hier Restaurants? Nach dem Tischlerwirt schließt auch das Reinhold’s Enkel seine Pforten – nach nur kurzer Zeit. Monatelang soll er seine Pacht nicht beglichen und auch sein Personal nicht ausgezahlt haben. Und die mehrfach aus London angeforderten Informationen über getätigte Investitionen und seinen Lebensstil bleiben ebenfalls aus. Ende Oktober meldet sich Riemenschneider aus Dubai, wo er sich angeblich geschäftlich aufhält. Aber auch diese Aussage hält einer Recherche der Mascolo-Berater nicht stand: In dem Luxushotel am Persischen Golf ist er als Stammgast, nicht jedoch als potenzieller Geschäftspartner bekannt. Zwischenzeitlich stellt sich heraus, dass der Freund PS-strotzender Boliden angefangen hat, seinen Fuhrpark unter der Hand zu Geld zu machen.

Zum Schluss ein Stern

Wäre die ganze Geschichte nicht so traurig und hinterhältig, man könnte fast darüber lachen, dass es Riemenschneider am Ende doch noch gelingt, einen Stern zu erringen. Anfang Dezember 2016 vergibt der Restaurantführer Michelin einen der begehrten Sterne an Riemenschneiders Atelier Wilma. Ende des Monats kündigt jedoch sein hochgelobter Küchenchef Alex Sadowczyk. Zu diesem Zeitpunkt liegt bereits der am 7. Dezember verkündete Beschluss des Landgerichts Frankfurt vor. In einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren wird Flora Mascolo ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 2,13 Millionen Pfund zuerkannt. Das Vermögen Riemenschneiders wird „in Arrest genommen“. Zudem ordnen die Richter an, den mittlerweile schon legendären Mercedes AMG GT s an den Gerichtsvollzieher herauszugeben. Am 9. Februar wird dann ein vorläufiges Insolvenzverfahren über das Vermögen von Michael Riemenschneider eröffnet. Der vorläufige Insolvenzverwalter wird ermächtigt, Bankguthaben und sonstige Forderungen Riemenschneiders einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen. Riemenschneider reagiert zum wiederholten Male nicht auf Anfragen dieser Zeitung. Er sei zudem seit Wochen auch nicht mehr in seinem Restaurant gewesen, heißt es im Gourmet-Magazin BISS. In London hat man die Hoffnung, dass Riemenschneider das Geld zurückzahlt, ohnehin längst aufgegeben. Der deutsche Anwalt von Flora Mascolo unterstützt jetzt den Insolvenzverwalter, um eine möglichst große Insolvenzmasse zu generieren. Aber den Schaden an Flora Mascolos gebrochenem Herz und ihrem Stolz kann ohnehin nur die Zeit heilen.

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