Noch ist die Lage im Griff

Kreisverwaltung hält Flüchtlingssituation noch für handhabbar - 21 Neuzugänge pro Woche
Hochtaunus -Die Nachbarn schlagen bereits Alarm. Weil er sich mit der Unterbringung von Geflüchteten zunehmend schwerer tue, hatte sich der Main-Taunus-Kreis jetzt mit einem von der gesamten Kreisspitze und allen Bürgermeistern unterzeichneten „Brandbrief“ mit der dringenden Bitte um Hilfe an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gewandt.
In Kopie ging der Brief auch an Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU). Landrat Michael Cyriax (CDU) verweist in dem Schreiben darauf, dass der Main-Taunus der flächenmäßig kleinste und mit 240 000 Einwohnern nach dem Kreis Mettmann der zweitdichtbesiedelte deutsche Landkreis sei und bereits 8599 Geflüchtete aufgenommen habe. Das entspreche ziemlich genau der Bevölkerung der kleinsten Kreiskommune, nämlich Liederbach mit rund 8700 Einwohnern. Zunächst hatten Medien berichtet, dass das Schreiben auch von der Hochtaunuskreis-Spitze unterzeichnet worden sei.
Pressesprecherin Andrea Nagell-Fuhl wies diese Darstellung zurück. „Damit haben wir nichts zu tun“, sagte sie. Auch die fürs Soziale zuständige Kreisbeigeordnete Kathrin Hechler (SPD) sowie die neue Leiterin des Ausländeramtes, Johanna von Arnim, erklärten auf Anfrage, dass es keinen Anlass gebe, sich dem Inhalt des Briefes anzuschließen, dazu seien die Verhältnisse und Umstände rund um dieses Thema in den beiden Kreisen auch zu unterschiedlich.
Gleichwohl habe man Verständnis für den Nachbarkreis und ja, es gebe auch im Hochtaunuskreis gewisse Probleme in diesem Zusammenhang. Die seien derzeit aber noch lösbar. „Eine ständige Belastung für das Ausländeramt bleiben sie wegen vieler Unwägbarkeiten dennoch“, so Hechler. Derzeit erreichten wöchentlich 21 Geflüchtete, vorrangig aus der Ukraine, den Hochtaunuskreis. Ihre Unterbringung habe sich bislang als unproblematisch erwiesen. Es handele sich dabei um die vom Regierungspräsidium Darmstadt für den Hochtaunuskreis errechnete Quote. Sie resultiere daraus, dass im Hochtaunus derzeit 3007 Geflüchtete leben.
Zahlen könnten ab März steigen
„Das ist momentan unser Bonus, der wird sich Ende März durch die Neuberechnung der Quote aber deutlich verringern“, sagte Hechler, die wie von Arnim davon ausgeht, dass es dann wöchentlich zwischen 50 und 70 Neuankömmlinge sein könnten, die wie im vergangenen Frühjahr von der Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen dem Hochtaunuskreis zugewiesen werden. Die meisten der bislang im Hochtaunus angekommenen Geflüchteten seien inzwischen in privaten oder von den für die dauerhafte Unterbringung zuständigen Kommunen angemieteten Quartieren untergebracht. Gewisse Aufnahmekapazitäten gebe es derzeit noch im Hochtaunus, sagte Hechler. Das auf 500 Geflüchtete eingerichtete ehemalige Ausbildungszentrum der Deutschen Bank in Kronberg habe noch etwa 200 freie Plätze. Auch die Gemeinschaftsunterkunft in der Erbismühle in Weilrod könne noch aufgestockt werden.
Ob das allerdings reicht, sei ungewiss: „Niemand kann sagen, wie sich der Krieg und die Versorgungslage der Bevölkerung in der Ukraine entwickeln und welche Auswirkungen der ukrainische Winter auf den Flüchtlingsstrom noch haben wird“, sagte Hechler. Und Johanna von Arnim fügte hinzu: „Viele Ukrainerinnen sind auch wieder in ihre Heimat zurückgereist, von ihnen sind aber die ersten schon wieder hier.“
Welche Notfallpläne der Hochtaunuskreis im Einzelnen hat, wollte Hechler im Detail nicht sagen. Nur so viel: Der Krisenstab tagt nach wie vor alle zwei Wochen, um die jeweils aktuelle Situation zu evaluieren und Planungen bei Bedarf an die Entwicklung des Fluchtgeschehens anzupassen. Man habe auch diverse Räumlichkeiten und Liegenschaften im Blick, die kurzfristig in Notunterkünfte verwandelt werden könnten. Welche das sind, sagte Hechler indes nicht.
„Ausschließen, dass bei erneut extrem hohen Zahlen und kurzfristigen Unterbringungsvorgaben auch wieder Turnhallen belegt werden müssen, können wir zwar nicht, es ist aber unsere oberste Priorität, dies aus Rücksicht auf den Schul- und Vereinssport zu verhindern“, erklärte die Kreisbeigeordnete. Sie erinnerte daran, dass der Kreis im vergangenen Frühjahr nur 36 Stunden Vorlaufzeit hatte, um Unterbringungsmöglichkeiten für 1000 Geflüchtete zu schaffen. Anzeichen dafür, dass sich das wiederholen könnte, gebe es nicht, weshalb man sich auch „gewappnet“ fühle.