Bürgermeisterwahl: Die Kandidaten zeigen Kante
Es war spannend: Bei der Podiumsdiskussion der Taunus Zeitung zur Bürgermeisterwahl ging es um einige heiße Eisen. Und die Kandidaten schenkten sich in der Diskussion nichts.
Die Klingen haben sie schon gekreuzt. Titelverteidiger Hans-Georg Brum (SPD) und Herausforderer Thorsten Schorr (CDU) hatten sich bei der Wahl der Waffen für die TZ-Podiumsdiskussion zur Bürgermeisterwahl aber auf das leichte Florett verständigt, die Schwerter blieben im Schrank. Auch beim Outfit bewiesen beide denselben Geschmack: dunkelblauer Anzug, hellblaues Hemd, roter Schlips – bei Brum ohne, bei Schorr mit blauen Streifen . .
In der zweieinhalbstündigen Debatte hatten die TZ-Moderatorinnen Martina Jensong und Stefanie Heil am Donnerstag zwar viele Themen – Vereine, Stadtentwicklung, Ortsteile, Handel und Gewerbe – angesprochen, aber einen klaren Sieger nach Punkten gab es zumindest nach diesem verbalen Schlagabtausch nicht: Auf der einen Seite ein teilweise recht abgeklärt wirkender, souveräner Amtsinhaber, auf der anderen der selbstbewusste und in seiner Rolle als Herausforderer naturgemäß angriffslustigere Schorr.
Es waren durchaus unterschiedliche Standpunkte beider Kandidaten erkennbar – vor allem bei dem den Wahlkampf beherrschenden Thema Bommersheim Süd.
Von der Idee der Moderatorinnen, auf die klassische Vorstellungsrunde zu verzichten und stattdessen die Kandidaten den jeweils anderen präsentieren zu lassen, waren diese weniger begeistert, als die fast 300 Oberurseler im Saal. Die Zuschauer staunten jedenfalls nicht schlecht, als beide die Vita des jeweils anderen fast auswendig kannten.
Oberursels Vereine
Brum unterstrich die Bedeutung des Ehrenamtes für das gesellschaftliche Leben und die Lebensqualität in Oberursel am Beispiel Brunnenfest. Dieses sei ein „Fest der Vereine“ und damit der Bürger. Leider hätten es Vereine heute aber immer schwerer, ehrenamtliche Helfer für Großevents zu finden. Ohne finanzielle und personelle Hilfen könne das nicht mehr funktionieren. Für das Brunnenfest hält er eine Neuausrichtung nach 30 Jahren für überfällig. Brum versprach, sich für eine Verdoppelung des Zuschusses für den Vereinsring auf circa 20 000 Euro einzusetzen.
Auch Schorr sieht in den Traditionsfesten tragende Säulen des gesellschaftlichen Lebens. Bei der Vereinsförderung will er einen Schwerpunkt und Prioritäten setzen, aber nicht „mit der Gießkanne“. Dazu gehöre es, Ungleichbehandlungen abzustellen, es könne nicht sein, dass einigen Vereinen BSO-Leistungen in Rechnung gestellt würden, anderen aber nicht.
Beim Thema Stadtentwicklung schieden sich die Geister. Brum will eine behutsame Weiterentwicklung. Oberursel müsse eine Stadt im Grünen bleiben. Die Grundstücksreserven gingen zur Neige. Bei ihrer Entwicklung müssten alle Kräfte gebündelt werden, damit auch bezahlbarer Wohnraum für alle Bevölkerungsschichten geschaffen werde.
Günstige Wohnungen
Auch mit dem Kreis müsse geredet werden, um auf freiwerdenden Schulgeländen wie dem der Hans-Thoma-Schule Siedlungsprojekte zu entwickeln, ähnlich wie auf dem Areal des alten Krankenhauses in Bad Homburg, wo 20 Prozent der Wohnungen preisgünstig sein müssen. Wenn, wie vom Mitbewerber favorisiert, Bommersheim Süd aus dem Flächennutzungsplan herausgestrichen werde, führe dies zu „desaströsen Folgen am Markt“ – sprich, weil dann noch weniger Entwicklungsfläche zur Verfügung steht. Gleichwohl wolle er Bommersheim Süd nicht „in den nächsten sechs Jahren bebauen“, es aber auch nicht ohne Not auf alle Zeiten als Option streichen.
Als kontraproduktiv bezeichnete Brum, keinen Geschosswohnungsbau für Sozialwohnungen und Bezieher kleinerer Einkommen zuzulassen und stattdessen Villengrundstücke auszuweisen, das sei „anachronistisch“ und der „größte Frevel überhaupt“. Dass die Preise immer weiter steigen, liege nicht zuletzt auch daran, dass der Kämmerer höhere Erlöse fordere.
Häuser wie Kasernen
Die von der CDU und Schorr immer wieder geäußerte Kritik an der angeblichen „Kasernierung“ der Hohemarkstraße wies Brum erneut zurück. Auch ihm sei die Bebauung zu schnell gegangen, sie sei in der zeitlichen Verdichtung aber ein Zufallsprodukt. Alle drei Areale seien gleichzeitig auf den Markt gekommen. In diesem Tempo könne es jedoch nicht weitergehen. Die Riegelbebauung sei jedoch keine Idee der jetzigen Stadtregierung, die Bebauungspläne seien bereits unter seinem Vorgänger Gerd Krämer von der CDU initiiert worden.
Schorr sah sich zu Unrecht als „Kostentreiber“ bezichtigt, er sei der einzige, der Nein zum Bau des Hallenbads gesagt habe. Über den Verkauf des Altkönigsportplatzes habe das Projekt finanziert werden müssen.
Mietpreisbremse
Er nannte zudem Brums Einschätzung zu Bommersheim Süd irritierend, erst wolle er, dann wolle er nicht und jetzt wolle er plötzlich wieder. Das im Übrigen verkehrstechnisch überhaupt nicht erschlossene Areal müsse als Erholungsraum und wertvolle Fläche für die Landwirtschaft erhalten bleiben. Nachdem zwölf Jahre beim Sozialwohnungsbau nichts passiert sei, trete er nun mit Nachdruck für die Schaffung preiswerten Wohnraums mit Mietpreisbremse ein. Dabei müsse die Stadt den Investoren aber vorgeben, was sie wo wolle, nicht umgekehrt. Jungen Familien könnten Erbpachtgrundstücke angeboten werden. Durch die Bebauung entlang der Hohemarkstraße habe Oberursel leider einen Teil seines Flairs verloren. Schorr räumte erstmals öffentlich ein, dass auch die CDU dafür eine Mitverantwortung trage, indem sie – allerdings in dem im Nachhinein irrigen Glauben, die Bürger würden einbezogen – zum Teil mitgestimmt habe. Das sei ein Fehler gewesen. Es gebe aber auch eine Reihe von Beispielen, etwa das Fischlein-Gelände und „Jandorfs Fabrik“, bei denen die CDU nicht mitgestimmt habe.
Einig waren sich beide Bewerber darin, dass es auf Sicht wohl kaum mehr neue Siedlungsflächen in der Stadt gibt, die im Bieterverfahren ausgeschrieben werden sollten.
Beide Kandidaten räumten ein, dass es beim Erscheinungsbild der Ortsteile, insbesondere der Grünpflege, Defizite gibt, die es durch bessere Personalplanung abzustellen gelte. So werde er im Falle seiner Wahl dafür sorgen, dass die Mitarbeiter dort eingesetzt werden, wo ihre Stellen geführt würden, etwa auf den Friedhöfen, meinte Schorr. Es könne nicht sein, dass die Stadt von den Bürgern die schnelle Beseitigung von Laub auf den Gehwegen verlangt, dieses in den städtischen Anlagen und auf den Friedhöfen aber bis Februar liegen bleibe.
Mehr Personal?
Auch Brum will mehr Sauberkeit in den Ortsteilen und künftig mehr auf die Grünpflege achten. Dafür müssten dann aber auch, ähnlich wie bei der Stadtpolizei, genügend Kräfte zur Verfügung stehen. Brum will die Kommunikation zwischen Stadt und Bürgern verbessern, vor allem sollen sie bei Straßenbaumaßnahmen, den damit verbundenen Sperrungen und Umleitungen, frühzeitiger informiert werden.
Südumgehung
Grundsätzlich einig sind sich beide Kandidaten darin, dass der Bau der Südumfahrung für Weißkirchen und Stierstadt von essenzieller Bedeutung ist. Leider sei das Projekt in seiner Priorität vom Land zurückgestuft worden, wofür Schorr allein die FDP verantwortlich macht, Brum hingegen die seinerzeit „CDU-geführte Landesregierung“. Oberursel und besonders er habe sich da nichts vorzuwerfen. Er sei von der Entwicklung enttäuscht, gebe die Hoffnung aber nicht auf. Für die Zwischenzeit müsse man sich intelligente Lösungen, wie „Tempo 30“ und ein Lkw-Verbot in der Kurmainzer Straße einfallen lassen.
Handel und Gewerbe
Der Themenschwerpunkt „Handel und Gewerbe“ fokussierte sich auf die Überlegungen auf ein „City-Outlet-Center“. Thorsten Schorr äußerte starke Sympathien für ein solches Konzept, will die Innenstadt damit aber „nicht auf den Kopf stellen“. Veränderungen gebe es natürlich, die seien aber auch gewollt. Vorerst sei es nur eine Idee, die Innenstadt zu beleben und dem Handel neue Wachstumsimpulse zu geben. Er wisse selbst nicht, ob es funktioniert, regte aber eine offene Diskussion darüber an. Die Bürger müssten dabei „mitgenommen“ werden. Den zusätzlichen Verkehr könne Oberursel verkraften. Es würden auch nicht so viel zusätzliche Parkplätze notwendig wie bei vergleichbaren Projekten, da Oberursel hervorragende Anschlüsse an den ÖPNV habe. In der Diskussion sei dann ja auch noch das Parkhaus am Bahnhof.
Auch Brum will eine ergebnisoffene Diskussion, hat aber Sorge, dass die Stadt von den erwarteten 1 Million Besuchern pro Jahr überrannt werden könnte. Die in der Diskussion genannten 1000 Stellplätze seien lediglich der Anfang. Brum geht, anders als Schorr, davon aus, dass nur wenige Kunden mit der Bahn kommen werden. Auch dürfe der mittelständisch geprägte Charakter der Stadt keinen Schaden nehmen. Letztlich müssten aber die Oberurseler nach einer Bürgerversammlung und einer Bürgerbefragung darüber entscheiden.
Weit auseinander lagen die Kandidaten bei der Bewertung des Gewerbegebietes „Drei Hasen“. Die Entwicklung sei planlos, sagte Schorr. Entstanden sei eine „Automeile“. Für das Areal zwischen der Nassauischen Straße und der S-Bahn gelte es, so etwas zu vermeiden. Schorr favorisiert hier die Ansiedlung von Dienstleistern, vorzugsweise aus der Finanzbranche.
Brum will die für Gewerbe noch zur Verfügung stehenden Flächen „zielgerichtet entwickeln“, so könne auf dem MKW-Gelände am Kraftwerk ein Büropark entstehen, Interessenten dafür gebe es. Auch rund um den Bahnhof stelle er sich „primär Büros“ vor, ohne sich auf eine Branche zu fokussieren. Die Kritik Schorrs am Gewerbegebiet „Drei Hasen“ wies er zurück. Es sei für die Stadt sehr wichtig, allein wegen der Schaffung neuer Arbeitsplätze.
Dass die Anbindung der Weingärtenumgehung als Entlastung für „Handel und Wandel“ in der Stadt von elementarer Bedeutung ist, sehen beide Kandidaten so. Beide gehen auch davon aus, dass bis zum Bau der Straße noch etliche Jahre ins Land gehen werden.