Ein Stadtplan der Nachhaltigkeit für Oberursel

Ein Bürgerforum erarbeitet erste Kriterien und Ideen für eine „Wandelkarte“. Sie soll weit über fair Gehandeltes hinausgehen und etwa auch über nachhaltige Dienstleistungen und Freizeitgestaltung informieren.
Wandelkarten sind im Kommen: Darmstadt hat eine, Leipzig auch, ebenso Weimar, Erfurt und Jena, nur Oberursel hat keine. Noch nicht, aber bald. Bürgermeisterin Antje Runge (SPD) hatte am Freitag zu einem Bürgerforum in den Saal des Rathauses eingeladen, mit dem Ziel, in Gruppenarbeit die bereits geborene Idee, für die Brunnenstadt eine Wandelkarte zu erarbeiten.
Gut ein Dutzend interessierter Oberurseler waren der Einladung gefolgt und hatten sich von Jens Gessner, Nachhaltigkeitsbeauftragter der Stadt, und Franz Schneider, in der „Eine Welt“- und der Agenda-Bewegung seit Jahren unterwegs, in das Thema einführen lassen. Zweck solcher Wandelkarten, die auch auf den Namen „nachhaltige Stadtpläne“ hören, ist es, Bedarfe und Bedürfnisse in einer Stadt ressourcen- und klimaschonend erfüllen zu können. Damit nachhaltiger Konsum alltagstauglich und flächendeckend möglich wird, werden Initiativen und Angebote, Orte und Austauschmöglichkeiten erfasst und in der Karte dargestellt.
Dazu gehört nicht nur der Erwerb von Artikeln des täglichen Bedarfs, so dieser die Grundsätze der Nachhaltigkeit erfüllt, „Bio“ ist oder das Label „Umweltfreundlich“ verdient. Auch gastronomische Angebote für Vegetarier und Veganer und sogar Vereine mit besonders nachhaltigen Konzepten, Reparatur-Cafés, Verkaufsautomaten mit lokalen Produkten, insektenfreundliche Gärten und Orte mit besonderen Erholungsstandards können in der „Wandelkarte“ Aufnahme finden.
Die Karte kann Fragen wie „Wo kann ich meine Trinkflasche mit Wasser auffüllen?“ oder „Wer bringt mir fleischloses Kochen bei?“ beantworten. Sie soll, so Runge, solche Angebote einfach auffindbar machen und dem sozialökologischen Wandel Wege in und um die Stadt frei machen.
Genau darin sahen die Teilnehmer des Workshops aber auch schon das erste Problem. Oberursel in seiner langgezogenen Form grafisch so auf einem DIN-A 3-Blatt unterzubringen, dass auch noch Platz für die Stadtteile bleibt, in denen Wandel ebenso stattfinden kann wie in der Kernstadt, ist gar nicht so einfach. Online, sagten einige, sei das viel einfacher, weil man die Karte dort mit dem Cursor in die gewünschte Position schieben kann. Auf Papier sei das nicht möglich.
Gleichwohl sagte Schneider, dass ein Stadtplan auf Papier kommunikativer ist als ein Monitor. Die Herausforderung an die „Arbeitsgruppe Gestaltung“ ist groß. Fest steht aber bereits, dass es die Karte nicht nur auf DIN-A 5 gefaltet für die Hosentasche gibt, sondern auch interaktiv online
Mehr Inhalt als nur Fairen Handel
Die Idee zur „Wandelkarte“ stammt ursprünglich aus der Steuerungsgruppe des Fairtrade-Prozesses, für den Oberursel bereits einen Preis gewonnen hat. „Da die Wandelkarte aber wesentlich mehr Themen als den Fairen Handel aufnehmen soll, wollen wir die Basis der Projektbeteiligten erweitern“, erläuterte Runge die Hintergründe des nachhaltigen Stadtplans und den Ansatz des Bürgerforums, bei dem auch bereits existierende Karten anderen Städte vorgestellt wurden und inspirierend sein sollten.
In den Arbeitsgruppen wurde auch besprochen, welche Grundkriterien für Projekte die „Präambel“ enthalten soll. Die Karte, so Gessner, soll für Oberurseler ebenso hilfreich sein, wie für Gäste der Stadt. Über den Maßstab der dabei anzulegenden Messlatte wurde lange diskutiert. Auf vielen Produkten im Lebensmittelhandel stehe heute „Bio“ drauf. Wer es aber als Markt auf die Karte schaffen will, muss mehr bieten, als nur ein paar Meter „Bio“-Regal.
Darmstadt, war sich die Arbeitsgruppe einig, sei da besonders streng und habe die Latte bei 90 Prozent aufgelegt. „Ziemlich hart“, hieß es. Schließlich wolle man mit der Wandelkarte Anbieter auch motivieren, gewisse Voraussetzungen zu erfüllen und sie nicht gleich abschrecken. Die Karte, darüber herrschte ebenfalls Einigkeit, soll den Blick dafür schärfen, dass das Konsumverhalten erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt und faire Bedingungen in den Produktionsländern hat. Dazu gehöre dann aber auch Transparenz, für die Anbieter und für den Konsumenten. Unter welchen Arbeitsbedingungen etwa Kaffee im kolumbianischen Hochland produziert wird, sieht man den Packungen nicht an. Selbst für Verkäufer dürfte es schwer sein, die Erzeugungsstandards zu ermitteln. Erste Ergebnisse oder vielleicht schon eine erste Auflage der Karte sollen im September beim „Herbsttreiben“ vorgestellt werden.