Ein Lauf durch liberale Lieblingsthemen
FDP-Bundesvorsitzender Christian Lindner war am Samstagabend zu Gast bei den Hochtaunus-Liberalen. Im Oberurseler Rathaussaal sprach er eine Stunde über Flüchtlinge, Wirtschaftspolitik und die bevorstehenden Wahlen – mit markigen Worten ebenso wie mit Ironie.
Wer in den Bundestag will, muss Kilometer schrubben. Quer durch die Republik touren, in Stadthallen und Bürgerhäusern auftreten. Und im Sitzungssaal des Oberurseler Rathauses. Dort spricht Christian Lindner, Vorsitzender der Liberalen im Bund sowie in Nordrhein-Westfalen Partei- und Fraktionschef, auf Einladung der Hochtaunus-FDP. Lindners Mission ist die Rückkehr seiner Partei in den Bundestag 2017, daran wird er gemessen. Der Weg nach Berlin führt am Samstag über Melsungen, Wetzlar, Oberursel. Mutmachen im hessischen Kommunalwahlkampf.
Lindner kommt etwas später als angekündigt – an einem Wochenende, an dem er unter anderem wegen einer möglichen schwarz-rot-gelben Koalition nach der Landtagswahl in Baden-Württemberg im Gespräch ist. Er bleibt an der Saaltür stehen, blickt noch mal aufs Telefon, während die kommunalen Spitzenkandidaten das Wort haben. Oberursels FDP-Chefin Katja Adler wirbt für eines ihrer Kernthemen, einen Rathausneubau; Dr. Stefan Naas als Nummer eins auf der Kreistagsliste nennt ein Ergebnis wie 2006 – 9,5 Prozent – oder besser als Ziel; 2011 waren es nur 7 Prozent.
Trotz Verlusten bei der vergangenen Kommunalwahl: Der Hochtaunus ist immer noch eine FDP-Hochburg. Missmut oder Proteste muss Lindner hier nicht fürchten. Das liberale Lager hat den Saal bestens gefüllt, der Parteichef kann durch sein Programm laufen, reden, gestikulieren. Er braucht kein Papier, meidet Podest, Pult und Mikrofon. Die Stimmbänder müssen es allein richten, während der 37-Jährige wie ein Motivationstrainer vor den Zuhörern in der ersten Reihe auf und ab läuft.
„Am 6. März senden Sie auch ein Signal in die Bundespolitik“, wahlkämpft Lindner. Die Wahl der FDP sei ein Signal, das auch bei geschlossenen Fenstern im Kanzleramt nicht zu überhören sein werde, sagt der Mann, dessen Hände auch mal die Merkel-Raute formen, ehe die linke Hand wieder in der Hosentasche verschwindet und die rechte zum Fingerzeig ausholt.
Lindner weiß, woher beim bevorstehenden Urnengang Gefahr droht. Die AfD habe kommunalpolitisch nichts zu bieten, sagt er und warnt, wie schon in vorangegangenen Reden: „Das ist eine Partei, die völkisch denkt.“ Sie habe den Begriff der „Volksgemeinschaft“ zurückgeholt und dulde rassetheoretische Redner in ihren Reihen, sagt er in Bezug auf Björn Höcke. „Machen Sie den Rechtsstaat stark, aber nicht die Rechtspopulisten“ – diese Botschaft wird am Ende seines Auftritts stehen.
Es ist bekanntlich die Flüchtlingssituation, aus der die Rechtspopulisten Honig saugen. Lindner lobt das bürgerschaftliche Engagement im Land, spricht aber auch von einer „chaotischen Zuwanderungspolitik“, um kurz darauf die alte FDP-Forderung nach einem Einwanderungsgesetz zu bekräftigen. Das Chaos-Zitat hat er sich von Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) geholt. „Selten hatte ein Genosse so recht“, sagt Lindner.
Schutz vor Schokolade
Auch der CSU-Chef muss für einen Lacher herhalten. „Horst Seehofer hat Familie und Privatleben strikt getrennt“, sagt der erste Mann der Freien Demokraten und meint, dass es nicht immer gut sei, wenn alle Zahlungen übers Konto laufen – Stichwort Frau und Geliebte. Vor dem Hintergrund der Diskussion über eine Abschaffung des Bargelds hält Lindner ein Plädoyer für Scheine und Münzen und malt ironisch ein Bild der schönen bargeldlosen Welt, in der der Konsument „geschützt“ werden könne. „Wenn Sie übergewichtig sind, sperren wir auf Ihrer Kreditkarte die Möglichkeit, Schokolade zu kaufen.“ Eine üble Vorstellung von Überwachung, nicht nur für den freiheitsliebenden Freidemokraten, der den Staat aus dem Privatleben seiner Bürger raushalten will.
Lindner hat sein Publikum im Griff, es hört aufmerksam zu, lacht, applaudiert auch bei weiteren klassischen FDP-Themen. Stärkung des Mittelstandes, der Wirtschaft keine Knüppel zwischen die Beine werfen und die Motivation, seinen Lebenslauf selbst in die Hand zu nehmen – Schlagworte, die hier Gehör finden. Nach einer Stunde hat sich Christian Lindner durch die liberalen Kernthemen gearbeitet. Noch ein paar Selfies mit der Basis, dann hat er Feierabend. Bis zum nächsten Auftritt: Sein Kilometerschrubben geht weiter.