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Oberursel: Bauernproteste gegen Umspannwerk

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Zwischen 100 und 150 Menschen demonstrieren am Dienstagabend auf dem Rathausplatz als die Netzvertreter, als sogenannte Vorhabenträger hinter verschlossenen Türen Bürgermeisterin sowie Magistrats- und Ausschussmitglieder über ihre Pläne informieren.
Zwischen 100 und 150 Menschen demonstrieren am Dienstagabend auf dem Rathausplatz als die Netzvertreter, als sogenannte Vorhabenträger hinter verschlossenen Türen Bürgermeisterin sowie Magistrats- und Ausschussmitglieder über ihre Pläne informieren. © caro

Die Bommersheimer Landwirte, ihre Kollegen aus Nachbarkommunen und viele Bürger demonstrieren vor dem Rathaus gegen Pläne der Stromnetzbetreiber in der Feldgemarkung.

Oberursel/Bommersheim -20 Hektar, Lößboden und achtzig von hundert möglichen Bodenpunkten, die auf die Güte der Krume hinweisen. Wie viel mehr sich hinter diesen scheinbar nüchternen landwirtschaftlichen Fachbegriffen verbirgt, das kundzutun war Anliegen von 100 bis 150 Landwirten aus Bommersheim und Umgebung sowie von vielen Bürgern bei einer Demonstration am Dienstagabend vor dem Rathaus.

Anlass für die Schlepperparade war das geplante Umspannwerk im Bommersheimer Feld, das schon im Vorfeld für gehörig Unruhe sorgt. „Mit dem Bau dieses Umspannwerks entziehen wir bestes Ackerland für immer der Produktion“, fasst Hans-Georg Kofler, Landwirt aus Oberstedten zusammen und ergänzt: „Die Verhältnisse stimmen nicht mehr.“ Das sieht auch Michael Klein, Ortslandwirt aus Bommersheim so. „Vielen ist wahrscheinlich gar nicht bewusst, dass unentwegt Ausgleichsflächen geschaffen werden müssen für Baumaßnahmen, und zwar in aller Regel auf landwirtschaftlich genutzten Flächen.“

Auch die Kompensation für das Umspannwerk fordert ein Vielfaches der eigentlichen Baufläche. Trockenmauern, Hecken und Gehölze beispielsweise sind typische Elemente, die je nach Umfang der auszugleichenden Maßnahme mittels eines Punktesystems, bei dem Ackerland besonders schlecht wegkommt, eingesetzt werden, um die Biodiversität zu erhöhen, die anderswo beispielsweise einer Versieglung zum Opfer gefallen ist.

„Schon lange diskutieren wir diese Vorgehensweise, das Punktesystem sollte wesentlich gelockert werden, damit nicht noch mehr wertvolles Ackerland verloren geht“, argumentiert Klein und verweist zugleich auf den vielfältigen Nutzen einer ackerbaulichen Landbewirtschaftung.

„Beispielsweise erfolgt die höchste Grundwasserneubildungsrate auf Ackerflächen“, beschreibt Klein einen Effekt, der gerade in einer dicht besiedelten Region unter den Vorzeichen eines sich stark wandelnden Klimas von enormer Bedeutung ist.

Wie berechtigt die Sorge der Landwirte vor weiterem Flächenverlust ist, bringt Landwirt Martin Trapp aus Stierstadt auf den Punkt: „Bei einer durchschnittlichen Betriebsgröße von 35 bis 40 Hektar hier in der Region reden wir bei dem geplanten Umfang des Umspannwerks von einem halben Betrieb, der wegfällt.“

Feldgemarkung wird erneut zerschnitten

Auch hat die Landwirtschaft in den vergangenen Jahren einen starken Wandel erfahren, immer größere Maschinen sind im Einsatz, um effizient arbeiten zu können. Wo noch vor zehn Jahren viele kleine Höfe wirtschafteten, haben die Betriebe dank geschicktem Flächentausch größere Felder zusammenlegen können, mit dem Neubau droht eine erneute Zerschneidung der Feldgemarkung.

Die Kritik am Vorhaben eint Landwirte und Bürger, viele haben sich eingefunden, um im Vorfeld der nicht öffentlichen Sitzung die Gelegenheit zu nutzen, mit Bürgermeisterin Antje Runge und Vertretern von TenneT und Amprion, den zuständigen Übertragungsnetzbetreibern zu diskutieren.

Als besonders unglücklich haben viele der Anwesenden, darunter auch Stefan Wagner, Vertreter des Bauernverbandes und Landwirt aus Bad Homburg, Vorgehensweise und Zeitpunkt empfunden, mit denen TenneT in Verkaufsverhandlungen mit den Eigentümern der Flächen eingestiegen ist. „Man kann sich eine Meinung auch kaufen“, ist die Einschätzung von Falk Krammich vom Falkenhof in Bommersheim, der sich gut vorstellen kann, dass die Resonanz angesichts der scheinbar attraktiven Kaufangebote gut ist. „Das haben wir auch kritisch gesehen und um Unterbrechung der Anfragen in dieser Phase gebeten“, stimmt Bürgermeisterin Antje Runge (SPD) zu, die auch die Gelegenheit nutzt, das allgemeine Prozedere in einem solchen Prozess zu skizzieren.

Kritik an fehlender Transparenz

„Wir haben hier verschiedene Rollen, es gibt die Bürger, die Politik und die Vorhabenträger“, stellt eine sichtlich auf Ausgleich setzende Bürgermeisterin fest. Letztere seien auf die Stadt zugekommen, nur erfolge mit der Sitzung am Abend eine Information der Politik, anschließend werden Eigentümer und Landpächter eingebunden. Den Wunsch einer Vorabinformation durch den Maßnahmenträger habe sie wahrgenommen, welche Einflussmöglichkeiten der Stadt es noch gebe, müsse geprüft werden. Immer wieder ist auch die Frage nach dem Standort zu hören, gibt es den Appell, die Auswahl noch einmal zu überdenken und nach Alternativen zu suchen.

„Wenn das Umspannwerk kommt wie geplant, dann ist vom Bommersheimer Feld, wie ich es kenne, nicht mehr viel übrig“, befürchtet auch Katharina Bluhm, die zugleich auch wie viele andere an diesem Abend die mangelnde Transparenz in der Kommunikation kritisiert. Dass die schriftliche Anfrage hinsichtlich möglicher Grundstücksaufkäufe nicht optimal war, das geben auch die Vertreter von TenneT und Amprion zu.

„Die Auswahl des Standorts beruht auf einem komplexen Verfahren, auf Studien zum Energiebedarf, Gutachten und der Einschätzung von Experten“, erläutert Reinhold Kliegel, Programmdirektor Netzausbau Central bei Tennet. Und Teil der Wahrheit ist auch, dass mit dem Ausstieg aus den fossilen Energien und dem stetig steigenden Energiebedarf einer wachsenden Region Anstrengungen notwendig sind, um weiter Versorgungssicherheit bieten zu können.

„Die Folge davon könnte aber auch gleich wieder die Ausweisung des nächsten Industriegebiets sein, womöglich ganz in der Nähe des neuen Umspannwerks“, gibt Steffen Wolf (OBG), Landwirt und Ortsvorsteher aus Bommersheim zu bedenken und unterstreicht damit, wie wichtig es wäre, über einen Standortwechsel nachzudenken.

„Über die Notwendigkeit des Umspannwerks kann man sicherlich diskutieren, aber dafür hochfruchtbaren, tiefgründigen Boden für immer zu versiegeln, das ist einfach Frevel“, macht Richard Bickert aus Weiskirchen den Standpunkt der Landwirte deutlich.

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