Oberursel: Das Stöffche nicht als „Äppler“ veräppeln

Die Hessische Apfelweinmeisterschaft 2023 geht an den Wehrheimer Kultkelterer Heiko Bohris. Aber auch die anderen eingereichten Apfelweine zeichnen sich durch hohe Qualität aus.
Oberursel -Wenn rund 320 Tester auf der Suche nach dem besten hessischen Apfelwein mit den Zungen abstimmen, dann muss am Ergebnis was dran sein. Drei Tage lang haben sie sich bei Temperaturen um die 30 Grad im Hof von „Alt Orschel“ tapfer und im Versprechen, danach nicht mehr zu fahren, der Mühe unterzogen, 21 Schoppen durchzuprobieren und den Hessenmeister 2023 zu küren. Wer sich dabei selbst nicht ganz vertraute, konnte seinen Autoschlüssel beim Ausrichter abgeben. Vorsichtshalber.
Vom ersten Schluck an konnte es eigentlich nur eine Erkenntnis geben: Schlechte Schoppen sollten keine darunter sein, schließlich handelte es sich allesamt um Siegerschoppen vorangegangener lokaler Meisterschaften. Wenn man so will, kamen also nur „Königstropfen“ ins Gerippte. Und da ist dann eben der Bessere der Feind des Guten, wie die dicht beieinander liegenden Punkte am Ende gezeigt haben.
Zu erwähnen, dass es dabei natürlich trotzdem Geschmackssache bleibt, kam Oberursels Schoppepapst Jockel Döringer bei der Siegerehrung nicht umhin. Aus seiner Sicht notgedrungen geht der Mainstream-Geschmack beim Äppelwoi nämlich in Richtung lieblich, das ist nicht seins, er mag es lieber „kräftig“. Da kam dann noch erschwerend hinzu, dass die Äpfel letztes Jahr zu viel Sonne und zu wenig Wasser abbekommen haben, was zwangsläufig zu lieblicheren Schoppen führte. Und der Macher der 2011 zum Hessentag erfundenen Meisterschaft hat noch eine Unsitte ausgemacht: Immer mehr Menschen sprechen von „Äppler“, damit wird aber nach Jockels Meinung der güldne Trunk vom hohen Ast nur eins: veräppelt. Dabei gibt es so viele klangvolle Namen für Hessens Volkstrunk: Schoppe, Äbbelwei, Hohenastheimer, Stöffche...
Aber machen wir’s kurz: Hessenmeister 2023 ist, tatatataaaaa: Wehrheim-Sieger Heiko Bohris! Mit 1231 Punkten hatte er Angelo Ciampa, den „König vom Hessenpark“, auf Platz 2 verwiesen, Daniela Strickert und Frank Grimmer, Orschel-Sieger 2022, kamen mit 1174 Punkten auf den Bronzeplatz.
Jockel Döringer hatte die „Hessische Apfelweinmeisterschaft“ landesweit ausgeschrieben und alle Regionalsieger dazu eingeladen. 21 von ihnen fühlten sich berufen, in den Tagen vor dem Wettbewerb jeweils 30 Liter ihrer aktuellen Kreation im Hof der Gebrüder Stedten abzuliefern, wo sie bis zur Verkostung im Kühlhaus gelagert wurden. Am Freitag dann wurden sie in die bereitstehenden Glasballons gefüllt, mit nassen Handtüchern gekühlt und zum Verkosten freigegeben.
Dezenter Hinweis am Eingang
15 Euro mussten dafür berappt werden, was die Tester aber klaglos schluckten, denn 21 Schoppen gibt es zu diesem Tarif in keiner Wirtschaft. Die meisten Tester waren mit Bedacht, das Gerippte in der Hand, an die Sache herangegangen, gab es doch Spielregeln: Gültig war ein Stimmzettel, auf dem die Güteklassen von 1 bis 5 angekreuzt werden mussten, nämlich nur, wenn man alle 21 probiert hatte.
Der dezente Hinweis am Eingang zum Schoppe-Parcours („Die Vertestigung ist kein Flatrate-Saufen“) war von den allermeisten auch beherzigt worden. Allerdings gab es schon den einen oder anderen, der unter der Hand das eher zierliche 0,25-er-Probierglas gegen den mitgeführten XXL-Becher, natürlich auch mit Rautenmuster, tauschte.
Die ganz Harten stellten sich auf dem Weg in den Garten auch ein zweites Mal an, weil sie, hinten bei der „21“ angekommen, schon vergessen hatten, wie vorne die „1“ geschmeckt hat. Jockel Döringer wollte nicht als Geizhals dastehen, begründete den Hinweis auf den sparsamen Umgang aber auch: „Blöd, wenn eine Sorte vor dem Ende ausgetrunken wäre, dann wäre die ganze Meisterschaft für die Katz’.“ Die Gefahr bestand aber nicht, denn am Ende war fürs Restetrinken noch immer genug Stöffche in den Ballons.
Unters Publikum gemischt hatte sich auch die eine oder andere Hoheit im vollen Ornat: Brunnenkönigin Felicitas I mit Brunnenmeister Steff Schummer, Wehrheims Apfelweinkönigin Larissa und ihre Frankfurter Kollegin, auch Larissa. Auch Bürgermeisterin Antje Runge war da, hat allerdings nicht mitgetrunken, sondern bei der Siegerehrung Hand angelegt. Traditionell gab es für den Hessenmeister einen von Orschels Kultkünstler Hendoc am Rand vergoldeten Bembel und einen jungen Apfelbaum vom Stamme der Bohnäpfel, die, so Jockel Döringer, in keinem Schoppen fehlen sollten.
Die zehn Platzierungen
Die 320 Juroren konnten pro getesteter Apfelweinsorte fünf Punkte - einen für „schmeckt mir nicht“ und fünf für „schmeckt mir am besten“ - vergeben. Die Punkte wurden zusammengezählt und ergaben dann zum Schluss das Ranking, wobei Cheforganisator Jockel Döringer bei der Siegerehrung nur die besten zehn zum Urkundenempfang nach vorne gebeten hat.
Dass zwischen den Plätzen 1 und 10 bei 320 Testtrinkern nur 292 Zähler lagen, war für Döringer Beleg für das insgesamt sehr hohe Qualitätsniveau der eingereichten Schoppen.
Auf Platz 1 kam Wehrheim-Sieger Heiko Bohris, Wehrheim. Silber ging an Angelo Ciampa, den „König vom Hessenpark“, Bronze erhielten Daniela Strickert und Frank Grimmer, Orschel-Sieger 2022, Oberursel.
Die weiteren Platzierungen:
4. Keltergemeinschaft Hohenastheimer (Meister Bergen-Enkheim);
5. Klaus Etzel (Wehrheim, Hessenpark-Sieger);
6. Keltergemeinschaft Usingen-Michelbach (Sieger Michelbach);
7. Keltergemeinschaft Heckstedter Krönchen (Sieger Niederhöchstadt);
8. Bernd Bücher (Sieger Dr. Bembel Onkel Maggus);
9. Apfelweinkartell (Sieger Hegheim/Rodenbach); 10. Rene Völker (Sieger Streuobstverein Wiesbaden). as