Oberursel: Die genagelten Friedensgebote des Günther Uecker

Mehr als 50 Arbeiten des Künstlers sind noch bis Anfang Dezember in der Kunstgalerie Hofmann zu sehen. Er gilt als einer der bedeutendsten zeitgenössischen deutschen Maler und Objektkünstler.
Oberursel -Nägel, überall Nägel. Unzählige Tonnen davon hat Günther Uecker im Verlauf seines langen Künstlerlebens schon verarbeitet. Auf den ersten Blick wirken manche Werke unscheinbar, etwa die Serie „Wie weiß ist Wissen“. Prägedrucke auf weißem Büttenpapier, auf dem sich Nagelköpfe reliefartig abzeichnen.
Dass sie trotzdem ihren Preis haben und Uecker zu einem der bedeutendsten zeitgenössischen deutschen Maler und Objektkünstler gemacht haben, hat seinen Grund. Er erschließt sich, wenn man die aktuelle Ausstellung „Günther Uecker - Friedensgebote“ in der Kunstgalerie Hofmann in Gänze auf sich wirken lässt. Wie die Werke hat auch ihre Interpretation mehrere Dimensionen. „Der Nagel hat für mich eine zutiefst existenzielle Bedeutung“, sagte Uecker im Jahr 2015 in einem Interview mit der Wirtschaftswoche.
Anfang 1945 habe er versucht, seine Mutter und seine beiden Schwestern vor der Gewalt sowietischer Soldaten zu schützen, die seine Heimat Wustrow besetzt hatten: „Ich habe das Haus verbarrikadiert, von innen alle Fenster und Türen mit Holzplatten vernagelt.“ Gerade 14 Jahre war er da alt, mehrere Wochen ging das so. Er bezeichnet es als traumatische Erfahrung, die zur Autotherapie drängt.
In diesem Sinne können auch seine „Friedensgebote“ gesehen werden. Eine neunteilige Serie, in der sich Uecker künstlerisch mit dem Thema der Weltreligionen auseinandersetzt und die in Oberursel vollständig gezeigt wird. Auf jedem Blatt widmet er sich Szenen aus der Bibel, der Tora oder dem Koran. Manchmal abstrakt in einem Prägedruck, dessen Nägel auf die Dornenkrone Jesu verweisen. Manchmal sehr konkret, wenn er sich etwa auf Textstellen der heiligen Schriften bezieht.
Hingucker mit Hintergrund
Hingucker mit Hintergrund sind auch die beiden Nagelkreuze und ein Nageltisch. Letzterer zog bei der Vernissage besonders viel Aufmerksamkeit auf sich. Ein viereckiger Tisch, platziert in der Mitte des Raumes, wie er im Grunde auch in jedem Wohn- oder Arbeitszimmer stehen könnte. Aber: „Bitte nicht berühren“, mahnt ein Schild - und das nicht nur aufgrund seines Wertes.
Auf der Tischunterseite, sauber aufgereiht in geometrischer Schönheit, ragen große Nägel heraus, mit der Spitze nach unten. Kaum ein Alltagsgegenstand, den er nicht schon auf solche Weise bearbeitet hätte. „Da muss ein Nagel reingeschlagen werden, damit da Widerstand erzeugt wird, so dass Kunst eindringen kann in die Banalität von Leben“, wird Uecker zitiert.
„Wenn man anfängt, über den Nagel nachzudenken, dann ist man ganz nah bei der menschlichen Gestalt.“ Kein Zitat des Künstlers, sondern des Theologen Professor Dr. Dietrich Korsch, der bei der Vernissage treffend in die Ausstellung einführte. Er verwies unter anderem auf ein Werk Ueckers namens „Nagelskulptur“: ein einziger Nagel, 1,77 Meter groß: „Das ist genau Ueckers Körpergröße.“
Und auch, wenn der ganze Stahl, die Nägel zunächst martialisch erscheinen: Es gibt zum einen auch viel Farbe in der Ausstellung, etwa in der Serie „Geschriebene Bilder“, die ebenfalls vollständig zu sehen ist. Zum anderen, weil nicht nur für Korsch von den Werken ein Aufruf zum Frieden ausgeht: „Ich wüsste nicht, was gegenwärtig wichtiger wäre.“ Die Ausstellung „Günther Uecker - Friedensgebote“ mit mehr als 50 Werken des Künstlers ist bis Montag, 4. Dezember, in der Kunstgalerie Hofmann zu den regulären Öffnungszeiten mittwochs bis freitags 10 bis 18 Uhr, samstags 10 bis 14 Uhr des gleichnamigen Bilder- und Rahmengeschäfts in der Oberhöchstädter Straße 4a zu sehen.
