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Oberursel: „Lass’ dir nie das Zepter klauen“

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Von: Christiane Paiement-Gensrich

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Brunnenkönigin Verena I. und Brunnenmeister Andreas stehen vor ihrem (derzeit noch abgestellten) Brunnen am Alfred-Delp-Haus.
Brunnenkönigin Verena I. und Brunnenmeister Andreas stehen vor ihrem (derzeit noch abgestellten) Brunnen am Alfred-Delp-Haus. © Christiane Paiement-Gensrich

Die scheidende Brunnenkönigin Verena I. blickt auf ihre Amtszeit zurück.

Oberursel -Sie ist sicher die Oberurseler Brunnenkönigin mit der längsten Amtszeit: Die inzwischen 22 Jahre alte Verena I. (Schmidt) repräsentiert die Brunnenstadt seit 2020. Erst am kommenden Samstag endet ihre Regentschaft mit der Krönung ihrer Nachfolgerin.

„Verenas Krönungstermin war für den 21. März 2020 geplant, die Eintrittskarten waren gedruckt. Aber am 13. März ist das Leben stehen geblieben“, erinnert sich die stellvertretende Vereinsringsvorsitzende Christine Förder. „Wegen der Corona-Pandemie waren vom 16. März 2020 an keine Zusammenkünfte mehr erlaubt.“ Und das galt auch für das Krönungsfest, das abgesagt werden musste. Verena war damals so enttäuscht, dass sie ihre schönen Brunnenköniginnen-Kleider und alles, was sonst noch ans Brunnenfest erinnerte, nicht mehr anschauen wollte und aus ihrem Zimmer verbannte.

Einen kleinen Trost gab es dann aber fast drei Monate später: Am 5. Juni übergab die vorherige Brunnenkönigin Pia I. die Insignien Krone und Zepter an Verena. „Das wäre der Brunnenfest-Freitag gewesen“, berichtet Förder. „Wir haben uns damals spontan am Brunnen auf dem historischen Markplatz getroffen.“ Vereinzelte Open-Air-Termine folgten, allen voran Verenas Open-Air-Inthronisation am 23. August 2020 auf dem Gelände des Mittelalter-Vereins „Ursellis Historica“. „Treffen im Freien mit maximal 100 Personen waren zu dieser Zeit erlaubt.“ Verenas Stimmung war jetzt wieder gut, und die schönen Kleider kamen nach und nach zum Einsatz.

Außer dem spektakulären bordeauxroten Corsagenkleid mit sieben Lagen Tüll unter dem weiten Rock hatte sie für ihre offiziellen Auftritte noch ein schlichteres langes Kleid mit schwarzem Oberteil und blau-grau-grün schimmerndem Rock, außerdem zwei kurze und zwei lange Dirndl sowie zwei Hosenanzüge. Immer mehr Übung bekam sie im Frisieren. „Inzwischen brauche ich 15 Minuten, bis das Haar sitzt“, verrät sie. Wenn sie sich eine aufwendigere Hochsteckfrisur machen lässt, verbringt sie eine bis eineinhalb Stunden auf dem Friseurstuhl.

Weiter ging es im September 2020 mit einem Mini-Brunnenfest beim Karnevalverein „Frohsinn“ - und der ersten von sechs Einladungen zum Geflügelzuchtverein, denen Verena jedes Mal gern gefolgt ist. „Dann war erst mal nichts mehr außer Lichterketten-Aufhängen in der Vorweihnachtszeit“, sagt die Majestät, die im zivilen Leben Orthopädietechnik-Mechanikerin ist.

Feuer-Show auf der Bleiche

Am 14. Juli 2021 war sie immerhin beim Bürgerempfang der Stadt. Auch das Jubiläumsfest „60 Jahre Vereinsring“ konnte im gleichen Jahr gefeiert werden, wenn auch im kleineren Rahmen und unter Auflagen auf der Bleiche. Dort hatte Verena ihr langes Kleid gegen eine schwarze Hose und ein schwarzes T-Shirt getauscht und mit ihrer Feuershow die Gäste in ihren Bann gezogen. Nach Anbruch der Dunkelheit wirbelte sie Feuer-Pois (mit Lampenöl getränkte Kugeln aus feuerfestem Kunststoff an einer Kette) durch die Luft.

Im vorigen Jahr konnte sie endlich, nach zwei Jahren Corona-Pause, ihr Königinnen-Brunnenfest feiern. „Das war das tollste Brunnenfest überhaupt“, schwärmt sie. „Und wir hatten Spitzenwetter.“ Vor ihrer Eröffnungsrede auf der Marktplatzbühne sei sie sehr nervös gewesen, verrät sie. Außerdem habe ihre Mutter - die 1997 selbst Brunnenkönigin (Sandra II.) gewesen war - am selben Morgen noch die halbe Rede umgeschrieben. Aber dann lief alles wie am Schnürchen, der Marktplatz war rappelvoll und nach ihrer Rede habe sie unwillkürlich gedacht: „Die würde ich jetzt am liebsten gleich noch einmal halten.“ Kurzum, die Stimmung sei super gewesen. „Und die Nachfrage nach Getränken und herzhaften Speisen an den Ständen war schon am Brunnenfest-Freitag so groß, dass am Samstagmorgen fast alle Standbetreiber noch mal einkaufen gehen mussten“, erzählt Förder. Bei manchen Getränken hätten sogar die Getränkehändler Lieferschwierigkeiten gehabt.

Aber halt, wir dürfen auf keinen Fall den treuen Begleiter der Brunnenkönigin vergessen: Brunnenmeister Andreas (Schmidt). Die Namensgleichheit ist kein Zufall. Der 52 Jahre alte Programmierer ist Verenas Vater. Anfang September 2019, kurz vor ihrem Vorstellungsgespräch beim Vereinsring, hatte sie ihn gefragt, ob er die Aufgabe übernehmen wolle. Natürlich hat er das für seine Tochter gemacht und findet: „Es war eine entspannte Amtszeit.“ Sie erklärt: „Als Brunnenkönigin braucht man eine Person, der man zu 100 Prozent vertrauen kann. Da eignet sich niemand besser als der eigene Vater.“ Ganz ungewöhnlich seien solche Tochter-Vater-Gespanne nicht, erklärt Ex-Brunnenkönigin Carolyn Görge. Einmal sei sogar ein Großvater seiner brunnenköniglichen Enkelin als Brunnenmeister zur Seite gestanden.

Das Glas umdrehen

Übrigens war Verena damals nicht die einzige Bewerberin für das königliche Amt gewesen. Den Ausschlag habe dann gegeben, dass sie Mitglied im Bommersheimer Carneval Verein war, für den 2020 ein Jubiläumsjahr war: „Das 33-jährige Vereinsbestehen stand an“, erzählt sie.

Ihr anstrengendster Tag als Brunnenkönigin war der 4. September 2022. Da hatte sie insgesamt fünf Termine, im Stundentakt: Zuerst war sie bei den Geflügelzüchtern in Weißkirchen, dann beim Mühlenfest der Naturfreunde und anschließend bei „Swim and Run“ beim Schwimmclub. Es folgte ein Besuch auf dem Sommerfest des Alfred-Delp-Hauses, wo sich auch ihr Brunnenköniginnen-Brunnen befindet, und schließlich war sie noch beim Tag der offenen Tür der Freiwilligen Feuerwehr Oberstedten.

Doch nun naht das Ende ihrer Amtszeit. Was sie mit der vielen freien Zeit, die ihr künftig bleiben wird, geplant hat?

„Am liebsten würde ich mein Kleid auf eine Puppe ziehen und in meiner Wohnung aufstellen“, verrät sie. Vielleicht macht sie’s wirklich. Außerdem hat sie dann mehr Zeit für ihre Hobbys: Saxophon und Querflöte spielen, Schnorcheln und Tanzen. Unter anderem ist sie Gardetänzerin beim BCV.

Bleibt noch die Frage nach ein paar guten Tipps für ihre Nachfolgerin. Verena lächelt verschmitzt und sagt: „Wenn sie bei den Kerbeburschen in Stierstadt ist, sollte sie, wenn sie nichts mehr trinken will, auf jeden Fall ihr Glas umdrehen.“ Aber keine Angst, wenn jemand keinen Alkohol trinke werde das natürlich akzeptiert. Ein weiterer wichtiger Ratschlag: „Lasse dir nie das Zepter klauen, sonst wird’s teuer für den Brunnenmeister.“ Der muss den ehrwürdigen Stab nämlich auslösen, meistens indem er den Zepter-Dieb mit Hilfe alkoholischer Getränke besänftigt.

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