Oberursel: Mehr Tempo für Hochwasserschutz

Der Bau-, Umwelt und Klimaschutzausschuss stuft im Klimaanpassungskonzept die Priorität hoch. Man befindet sich damit im Spagat zwischen Versiegelungen durch Bebauungspläne einerseits und Entsiegelungen für Retentions- und Freiflächen andererseits.
Oberursel -Der dringend erforderliche Bau bezahlbaren Wohnraums einerseits, sofortiger wirksamer Hochwasserschutz andererseits, erst recht unter dem noch frischen Eindruck des verheerenden Stark- regenunwetters vom 16. August: Die Sitzung des Bau-, Umwelt- und Klimaschutzausschusses (BUKA) offenbart am Mittwochabend ein Dilemma gegenwärtiger Stadtpolitik. Der Bau bezahlbaren Wohnraums und die damit verbundenen Versiegelungen weiterer Flächen stehen Entsiegelung, Renaturierungen, naturnahen Freiräumen und mehr Retentionsflächen für Gewässer wie den Urselbach fundamental entgegen.
Schon mit der Tagesordnung hadern eingangs einige Ausschussmitglieder: 23 Punkte, darunter allein Beschlussvorlagen für fünf Bebauungspläne soll das Gremium abarbeiten. „Diese Tagesordnung ist eine Ohrfeige für die ehrenamtliche Politik“, empört sich von Claudia von Eisenhart Rothe (Klimaliste). „So lange wie in dieser Wahlperiode waren die Sitzungen noch nie. Unzumutbar! Viele Dinge können nicht mehr angemessen beraten werden“, beklagt Stephan Schwarz (Grüne).
Mit den Bebauungsplänen „Hammergarten“, „Mutter-Teresa-Straße“, „Frankfurter Landstraße 1-3“, „Landschaftspark Borngrund“ und „Zwischen Zimmersmühlenweg und verlängerter Stierstadter Straße“ stehen Punkte auf der Tagesordnung, die denen weiter hinten eigentlich widersprechen: Dort steht nämlich der Abschlussbericht des städtischen Klimaanpassungskonzepts und dessen Aktualisierung vor dem Hintergrund des 16. August. „Ich fühle mich wie im falschen Film“, entfährt es von Eisenhart Rothe. „Immer mehr Bebauung, immer mehr Versiegelung. Wie steht es um Leerstände, wie um die Umwidmung von Büroflächen?“, fragt sie.
Auf jeden Fall soll beim Hochwasserschutz jetzt mehr Tempo gemacht werden, Umsetzung am besten sofort. Bereits in der Bürgerfragestunde meldet sich Peter Cornel, Siedlungswasserwirtschaftsexperte der Lokalen Oberurseler Klimainitiative (LOK) eindringlich zu Wort: „Seit zwei Jahren machen wir Vorschläge. Wann werden sie endlich umgesetzt? Wie viele Hochwasser wollen wir noch abwarten?“
Gravierende Auswirkungen
Und so heißt es nun in der Beschlussvorlage der Verwaltung: „In Ergänzung des Beschlusses zum Klimaanpassungskonzept wird der Maßnahmenplan in seiner Priorisierung aktualisiert. Hierbei werden die Maßnahmen zum Thema Starkregen und Klimaschutz (Schaffung von zusätzlichen Retentionsflächen) der Prioritätsstufe 3 zugeordnet“. Und weiter: „Mit zunehmend gravierenderen Auswirkungen des Klimawandels ist auch Oberursel konfrontiert. Vor allem Starkregen und Überschwemmungen aber auch trockene und heiße Phasen im Sommer spielen dabei eine zentrale Rolle. Das Unwetter am 16. 08. 2023 hat dies nochmals verdeutlicht. Besonders die südlichen Stadtteile waren von dem Starkregen betroffen.“
Bürgermeisterin Antje Runge (SPD) steht hinter den Bebauungsplänen, bei denen es um Änderungen, Teiländerungen, Geltungsbereiche oder Verfahrenseinleitungen geht, weiß aber auch um das Dilemma: „Wir haben die Frage des Klimawandels, wir haben aber auch die soziale Frage: Menschen wollen und müssen in Oberursel bezahlbar wohnen können.“ Auch sie hatte sich kurz nach dem 16. August persönlich ein Bild von den Verwüstungen in den Kellern der Weißkirchener Straße gemacht.
Wolfgang Burchard (SPD) hält die Heraufstufung der Priorität für den Hochwasserschutz am Urselbach für einen „ganz wichtigen Schritt“, insbesondere wegen der Menschen in der Weißkirchener Straße, deren Keller nach 2021 ein zweites Mal und noch verheerender abgesoffen waren „Das Leid der Anwohner war bisher auf keiner Prioritätenliste.“
Dem kann sich Michael Reuter (CDU) nur anschließen und fordert, dass in dem „In der Au“ genannten Gebiet bei Weißkirchen schnellstmöglich und noch vor Vollendung eines Maßnahmekatalogs gebaggert werden sollte. Marion Unger (OBG) schlägt vor, die Werkgräben der ehemaligen Mühlen zu reaktivieren um bei Starkregen herabstürzenden Wassermassen auch hier Auslauf zu bieten. Angela Helbling-Marschall (Grüne) lobt das Klimaanpassungskonzept: „Sehr sorgfältig und gut mit der Expertise der LOK.“ Ebenso wie Dietrich Andernacht (Linke) mahnt sie aber, dass es immer aktualisiert werden sollte. Einig ist sich der BUKA letztlich darin, dass im Grunde Gefahr im Verzug ist und stimmt dem Klimaanpassungskonzept sowie dessen Aktualisierung der Prioritäten einstimmig zu.