Oberursel: Per App ohne Auto mobil sein

Das Rathaus stellt ein neues Online-Instrument für Wechselwirkungen von Gebäuden und Mobilität vor.
Oberursel -Mobilitätsforscher haben die Entwicklung schon lange im Blick, ebenso Städteplaner: Um schnell, sicher und bequem, noch dazu möglichst umweltschonend von A nach B zu kommen, wählen immer mehr Menschen Fahrrad, E-Bike, Busse, Bahnen oder, wenn’s nur um die Ecke ist, auch die eigenen Füße.
Das Auto ist zwar nicht abgemeldet, rutscht in der Gunst der um Mobilität bemühten Menschen aber stetig weiter ab, bis hinunter in Tiefgaragen, deren Bau immer unwirtschaftlicher wird, weil es immer weniger Nachfrage nach den zum Teil sündhaft teuren Unterflurparkplätzen gibt.
Auch in den Fahrschulen bleiben zunehmend Plätze frei, weil viele junge Leute, jedenfalls im urbanen Umfeld, für sich entscheiden, ohne Auto durchs Leben zu fahren und deshalb auch keinen Führerschein mehr brauchen.
Teure Autostellplätze kaum noch gefragt
Beim Bau dringend benötigten Wohnraums können Investoren nur auf Genehmigung hoffen, wenn sie den Stellplatzsatzungen folgend Parkplätze schaffen, von denen sie wissen, dass sie kaum mehr gebraucht werden.
Ein Dilemma bahnt sich an, allerdings eins, das Klima- und Umweltschutz in die Karten spielt und das alle an diesem Spiel beteiligten Protagonisten nach der Quadratur des Kreises suchen lässt. Auch in Oberursel hat man dieses geometrische Problem in den Blick genommen und einen Teilerfolg erzielt: Bürgermeisterin Antje Runge (SPD) und Dr. Uli Molter, Chef der Verkehrsplanung im Rathaus, haben jetzt gemeinsam mit Martina Güttler, Architektin und Referatsleiterin Immobilien und Stadtentwicklung beim Gewerbeverein Fokus O, sowie dem Web-Designer Deja Pantic ein Online-Tool vorgestellt, das mit „Mobilitätsberatung zu Gebäuden“ viel harmloser heißt, als es in Wirklichkeit ist.
Im Netz aufrufbar unter www.oberurselimdialog.de/mobilitätsberatung bietet die innerhalb eines Jahres im Frankfurter Designstudio Mutig, dessen Geschäftsführer Pantic ist, entstandene App zahllose Möglichkeiten, als Bauherr, Investor oder auch nur interessierter Oberurseler Bürger zu erfahren, wie man in der Stadt ohne Auto von A nach B kommt.
Aufgelockert wird die App durch zahlreiche kleine Gimmicks. So findet sich an einer Hauswand der Eintracht-Adler, auf einer anderen wird momentan „Fassenacht“ annonciert, später im Jahr dann das Brunnenfest, der Herbst- oder Weihnachtsmarkt.
Mit Nachbarstädten vernetzbar
Nun gut, der Kran dreht sich nicht, aber vielleicht kommt das ja noch, wenn Deja Pantic wieder mal ans Updaten geht und es dann vielleicht auch Vernetzungen mit den Nachbarn Steinbach und Bad Homburg gibt. Dass sich ihre Amtskollegen Steffen Bonk aus Steinbach und Alex Hetjes aus Bad Homburg (beide CDU) die App sehr genau anschauen werden, das glaubt Antje Runge jedenfalls sicher.
Das Tool, das für Erweiterungen durch andere städtische Abteilungen wie Umwelt und Stadtplanung offen ist, soll dazu animieren, sich mit den Wechselwirkungen von Gebäuden und Mobilität auseinanderzusetzen.
Entlang einer virtuellen Straße auf dem Bildschirm, in der verschiedene Elemente, etwa der Bahnhof, an Oberursel erinnern, können Nutzer verschiedene Punkte anklicken und dazu Informationen einholen.
Am Bahnhof gibt es Informationen zum ÖPNV, eine Anzeige in einem virtuellen Hausflur zeigt Echtzeitabfahrten von Bussen und Bahnen an. Ein Button „Elektromobilität“ verweist auf Beratungsleistungen der Stadt Oberursel, Ladepunkte und Fördermöglichkeiten. Fußverkehr, Barrierefreiheit, Digitalisierung und Klimaschutz verbergen sich hinter anderen Schaltflächen.
Bewusstseinswandel unumkehrbar
Weg vom Auto und hin zur intelligenten Mobilität: Dass der Trend, der derzeit vielleicht noch von den Nachwehen der Pandemie getrieben ist, nachhaltig sein wird, davon ist Martina Güttler fest überzeugt: „Diesen Bewusstseinswandel dreht niemand mehr zurück“, sagt sie.
Rathauschefin Runge betont, dass die Stellplatzsatzungen der Kommunen, die derzeit Wohnungsbau mit ihren hohen Anforderungen eher hindern als fördern, dieser Entwicklung folgen müssten.
In Oberursel tut die Satzung das bereits. Seit 2019 in Kraft muss sie bis 2025 novelliert werden, bietet aber schon heute Reduktionsmöglichkeiten. So darf man Pkw-Stellplätze abziehen, wenn man dafür jeweils sechs Fahrradstellplätze schafft.
Dass es Oberursel ernst meint mit alternativer Mobilität, zeigt auch die Bereitstellung eines Jobtickets. 384 von 625 Beschäftigten der Stadtverwaltung nutzen das Angebot bereits auch in ihrer Freizeit. „Das funktioniert aber auch nur so gut, weil wir im ÖPNV hervorragend aufgestellt sind“, betont Runge