Oberursel: Streifen für Herz, Bauch und Genuss

Das "Filmfest Oberursel" startet in einer neuen Aufmachung im Rahmen des Orscheler Sommers. Cineastischer und kulinarischer Genuss sollen dabei verschmelzen.
Oberursel - Alexander Mereien, Thomas Aichelmann, Simone Schwarz, Peter Köster und fünf andere haben eine Mission, die gar nicht unmöglich ist: Sie wollen die Filmkultur zurück nach Oberursel bringen. Nach zwei Jahren Pause - einmal wegen Corona und einmal, weil niemand zum Organisieren da war - steckt die Truppe in diesen Tagen mitten in den Vorbereitungen auf den Spätsommer: Von Montag, 29. August, bis Samstag, 3. September, soll das Filmfest Oberursel 2022 stattfinden.
Beim Treffen im Jugend- und Kulturzentrum Portstrasse darf die kleine rote Popcorn-Maschine nicht fehlen. "Sie ist das Symbol des Filmfests", sagt der Oberurseler Alexander Mereien, der eigentlich freiberuflicher Kommunikationsberater ist und im Sommer dann ehrenamtlicher Festivaldirektor. "Möchten Sie probieren?" Der süße Snack aus Mais bleibt der elften Auflage erhalten, anderes verändert sich: Tim Lukas Leinert und Shahzad Islam Talukder, die das Kurzfilm-Event 2010 ins Leben riefen, aber auch Ludwig Kempf, der es 2016 übernahm, machen heute andere Dinge. Das Fest heißt nicht mehr Orscheler-Sommer-Filmfestival oder Orscheler Filmfest, sondern Filmfest Oberursel, was seriöser klingt. Aus einem Abend werden mehrere Tage mit - Stand heute - drei oder vier Veranstaltungen, die ganz unter dem diesjährigen Motto - auch das ist neu - stehen sollen, nämlich: "Vom Essen, Leben und Lieben". Der Schwerpunkt soll die "Sinnlichkeit des Lebens transportieren, Dinge, die Spaß machen und Bauch und Herz berühren", sagt Thomas Aichelmann, und zwar abseits ausgetretener Streamingdienst-Pfade.
Aichelmann denkt auch an "Genussabende": "Gern finden wir noch Gastwirte oder Hotels, bei denen wir Vorführungen organisieren können, mit zu den Filmen passendem Essen." Mereiens erster Kurzfilm, "Wunscherfüllung", ist schon länger abgedreht und hat einen Preis in Cannes gewonnen. 2021 flimmerte er beim Orscheler Sommer des Vereins Kunstgriff über die Leinwand. Vorsitzender Dirk Müller-Kästner habe ihn dann gefragt, ob er nicht Lust habe, weiterzumachen, erinnert sich Mereien.
Ins Boot holte der 56-Jährige Filmfans und Kreative, die unterschiedliche Funktionen innehaben: Thomas Aichelmann etwa wird als Sprecher der mehrköpfigen Jury fungieren, Simone Schwarz sucht Sponsoren. "Wir werben Geld ein, weil wir möglichst viele Zuschauer gewinnen wollen. Dafür müssen wir Werbung machen und Social Media bespielen", erklärt Schwarz. Wenn dann noch etwas übrig ist, möchte das Team dem ein oder anderen Filmemacher die Anreise finanzieren. Ein Restaurant und einen Sponsor hat die 52-Jährige schon an der Angel. Wer will, kann auch einen der Preise stiften - die von der Jury, aber auch vom Publikum vergeben werden.
Unter freiem Himmel und kostenfrei
Das Filmfest findet auch 2022 im Rahmen des Orscheler Sommers statt, also auch kostenfrei und an verschiedenen Veranstaltungsorten unter freiem Himmel. Man kooperiere weiter mit dem Kunstgriff, betont Direktor Mereien. Dennoch wolle man das Event "aus der Nische holen" und als eigenständige Veranstaltung bekanntmachen, die Publikum weit über die Stadtgrenzen hinaus anlockt. "Es geht auch darum, Oberursel wieder mehr als Kulturstadt zu etablieren", sagt Mereien.
Die Kurzfilme aus aller Welt, ausgewählt von ihm und den anderen, werden dazu beitragen: Das Filmfest Oberursel steht seit Kurzem auf einer internationalen Plattform, über die Filmemacher ihre Werke für die Veranstaltung hochladen können. "35 stehen schon fest, außerdem haben wir 30 Anfragen. Es können aber ruhig 100 Filme werden", sagt Simone Schwarz. Der kürzeste Film ist 65 Sekunden lang, unter 25 Minuten müssen sie alle liegen. "Die Werke sind sehr unterschiedlich. Wir haben Dramen, Filme über den Tod oder Naturkatastrophen, Komödien und intellektuelle Filme", berichtet Schwarz.
Die Streifen stammten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, aber auch aus den USA, Neuseeland, dem Iran, Afghanistan und der Türkei. "Man bekommt ein Gefühl für die Andersartigkeit der Kulturen und des Denkens", sagt Thomas Aichelmann, der schwärmt: "Wir haben einen Film aus der Schweiz dabei, über einen Leichenwäscher. Der ist überhaupt nicht voyeuristisch, er berührt. Wir richten unseren Blick auf etwas, womit wir alle einmal konfrontiert sein werden." Die Filme, so das Team, sollen den Horizont erweitern, unterhalten, bewegen, inspirieren und zum Nachdenken anregen.
Auch IT-Manager Peter Köster hat schon mal einen Film gedreht, eine Doku. "Es ist besonders schön, diese Kunst in einer Stadt unter die Menschen zu bringen, in der es kein Kino gibt", sagt der 43 Jahre alte Frankfurter. "Es ist immer sinnvoll, den Film zu unterstützen." Vor allem nach einer kulturell trockenen Zeit in der Pandemie, wie Aichelmann sagt. Das Filmfest Oberursel soll künftig wieder jährlich stattfinden - Kontinuität und Beharrlichkeit, darauf komme es an. "In drei Jahren sind wir so bekannt wie das Rheingau-Musik-Festival", sagt Aichelmann und lächelt. "Das ist das erklärte Ziel."