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Oberurseler zeigen göttlichen Betriebsausflug ins Tiefgeschoss

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Pluto (Peter Steffan, rechts) tritt im Götterstadl auf. Der langlockige Mars wird von Carsten Höfer verkörpert, neben ihm in Lila steht Minerva (Daniela Weiß).
Pluto (Peter Steffan, rechts) tritt im Götterstadl auf. Der langlockige Mars wird von Carsten Höfer verkörpert, neben ihm in Lila steht Minerva (Daniela Weiß). © jp

Musikschule präsentiert Jacques Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“ mit furiosem Cancan

Oberursel -„Hölle, mein Weib.“ Alles andere als charmant begrüßt der zerfurchte, sichtlich abgelebte Orpheus (Martin Engel) des Morgens seine Gemahlin. Eurydike (Christina Maul) zeigt sich mindestens genauso unerfreut ob der lästigen Gegenwart des Gatten. Verzögert sie doch das innige tête-à-tête mit dem Schäfer Aristeus (Peter Steffan). Dass es längst heftig knarzt und knirscht zwischen dem einstigen Traumpaar antiker mythologischer Gefilde, darauf hatte die Zuschauerschar eine ganz und gar unaufdringliche Person auf ihre dezente Art vorbereitet. Zu erläutern und zu kommentieren sei schließlich ihre Aufgabe, stellte sich „die öffentliche Meinung“ (Isabell Schäfer-Fricke) auf der Bühne der Taunushalle vor. Eine leichte Untertreibung, denn die kaum zu fassende Größe zeigte sich an Scharnierstellen durchaus als Lenkerin und Leiterin der Handlung.

Die verquickt munter das sagenhafte Personal des alten Griechenlandes mit dem leichtfüßigen Pariser Leben des späten 19. Jahrhunderts. Ludovic Halévy und Hector Crémieux bürsteten die klassische Vorlage kräftig karikierend und persiflierend gegen den Strich, Jacques Offenbach steuerte eine genial deliziöse Musik bei: „Orpheus in der Unterwelt“ hält sich bis heute auf den Spielplänen der Theater und Opernhäuser.

Zu unterschätzen sei die Operette freilich nicht, wie Holger Pusinelli vor Beginn der Aufführung anmerkte. Rund neun Monate arbeiteten der Geiger und Leiter der Oberurseler Musikschule mit dem vielköpfigen Team unter Regisseur Frank Günthers künstlerischer Gesamtleitung daran, das anspruchsvolle Werk in Szene zu setzen. Das gelang bei der Premiere am Sonntagnachmittag weit mehr als ansprechend. Dazu trugen Witz und Spielfreude der Akteure auf der Bühne ebenso bei wie das kammermusikalisch besetzte Instrumentalensemble unter Leitung von Hanno Lotz. Mitunter delikat kostete die Gruppe Offenbachs geistreiche melodische Erfindungen aus. Währenddessen entspann sich die tragikomische Handlung.

Das vermeintlich harmlose Gspusi Aristeus entpuppte sich nämlich als Pluto, Gott der Unterwelt. Betäubt von einem Schlangenbiss, landete Eurydike im Reich der Schatten. Jubel bei Orpheus, mahnend-missgestimmtes Augenrollen dagegen bei Volkes Stimme, die deutlich an Marlene Dietrich der 1920er-Jahre erinnerte. Eine Anspielung auf die Weimarer Republik und die Pressefreiheit.

Schön gezeichnete Charaktere

Bevor es in den tiefsten Keller ging, führte die Handlung in höchste Höhen, auf den Olymp, wo die Götter genüsslich ihr verantwortungsloses Dasein feierten. In sorgfältig vergifteten Worten rieb der versammelte Götterstadl seinem Häuptling Jupiter (Marcus Papp) all seine Liebschaften unter die Nase und führte ihm damit den Verlust seiner Autorität vor Augen. Dass er dem nicht gerade geschickt agierenden dritten Napoleon stark ähnelte, erwies sich als kluger Einfall der Regie.

Schön gezeichnet schienen die Charaktere der olympischen Familie, die laszive Venus (Claudia Himberg), die keusche, aber etwas vertrocknete Diana (Irene Kuhne), die akademisch-altkluge Minerva (Daniela Weiß), der altfränkische Mars (Carsten Höfer), der vorwitzige Cupido (Sabrina Kuhne) und die maliziös-eifersüchtige Juno (Nora Bewer).

Ziemlich schlecht vorbereitet hatte indes der bleichgesichtige Pluto seinen Putsch gegen den lichten Vetter. Der ließ sich von Orpheus samt „öffentlicher Meinung“ davon überzeugen, Eurydike aus der Unterwelt zu befreien. Göttlicher Betriebsausflug ins Tiefgeschoss ward spontan angesagt, folglich herrschte in der Hölle bald Hochbetrieb. Von wegen betulicher „Reigen seliger Geister“ wie noch weiland bei Gluck. Die verlockenden Töne kündigten ihn an, das Publikum freute sich auf den furiosen Cancan, den Schlager schlechthin dieser Operette. Glückliches Ende? Das blieb in der Schwebe. Jupiter, der Orpheus-Gattin wohl selbst nicht ganz abgeneigt, führte sie in den Kreis des rotbäckigen Weingotts Bacchus (Rainer Dörry), Orpheus zog allein von dannen. Die Regie baute manch liebevolles Detail ein, die grünschimmernde Schlange beispielsweise, die so gar nichts Bedrohliches an sich hatte, oder die schwungvolle Ballettszene. Köstlich aber auch der einsame knöcherne Hans Styx, der „laufende Leierkasten“, den Michael Meiners wunderbar monoton-melancholisch verkörperte. Ja, „als ich noch Prinz war von Arkadien“. Langanhaltender, herzlicher Beifall lohnte die Leistung aller Beteiligten, der sichtbaren wie der unsichtbaren, die für eine gelungene Aufführung sorgten.

Weitere Vorstellungen sind für Samstag, 4. November, um 19 Uhr und Sonntag, 5. November, um 17 Uhr vorgesehen, beide in der Taunushalle Oberstedten.

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