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Risiken und Nebenwirkungen der Firmengründung

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Gedankenaustausch: Die Schüler Jannik (links) und Tom besprechen ihre Vertriebsstrategie.
Gedankenaustausch: Die Schüler Jannik (links) und Tom besprechen ihre Vertriebsstrategie. © KSP

Abschlussklasse der Feldbergschule hat ein anspruchsvolles Unternehmensplanspiel ausprobiert.

Oberursel -Die erste Bilanz ihrer Firma „Outdoor-Tent“ sieht nicht gut aus. „Der Umsatz war nicht so gut wie erwartet“, sagt Tom. „Aber jetzt geben wir Gas“, so der 18-Jährige. Woran es gelegen hat und was jetzt besser gemacht werden soll, will er nicht verraten. Die Konkurrenz hört schließlich im Klassenraum mit. „Wir hoffen, dass es bergauf geht und wollen unter anderem mehr Werbung machen“, so Tom. Fest steht: Ihn und sein Team hat der Ehrgeiz gepackt. Denn die Konkurrenz am Nebentisch steht nach der ersten Spielperiode - insgesamt gibt es sechs - besser da. „Wir haben uns bewusst für eine besondere Taktik entschieden, da wir uns von Anfang an mit unserer Strategie von den anderen abheben wollen“, berichtet Hubert. Das habe gut funktioniert.

Tom und Hubert gehören zu den über 140 Schülern der Abschlussklasse (Stufe 12) der Fachoberschule der Feldbergschule. Für sie steht in diesen Tagen statt regulärem Unterricht ein Planspiel an. In Kleingruppen gründen die Schüler jeweils innerhalb ihrer Klassen eine fiktive Firma, die Zelte vertreibt. Die fiktive Unternehmensgründung hat im Planspiel einen hohen Bezug zur Realität, wie Organisatorin und Wirtschaftskundelehrerin Annette Jassmann erläutert. Sie leitet das Planspiel. „Wie im echten Leben muss man Entscheidungen treffen, von denen man anfangs nicht weiß, wohin sie führen.“ Die Schüler müssen ein bestimmtes Produkt vermarkten und dabei alle markt-, produkt- und zielgruppenrelevanten Aspekte bedenken. „Dazu gehören beispielsweise die Erstellung komplexer Marktanalysen, differenzierte Kostenberechnungen sowie Werbemaßnahmen“, fasst sie zusammen. Immer im Blick müssen die Schüler die dazugehörigen Wirtschaftsnachrichten oder „Branchennews“ haben. Letztere können für Aufwind sorgen, wenn es darin heißt: „Zelten und Camping wird wieder ein beliebter Urlaubstrend, was zu einem erhöhten Kaufinteresse von Outdoor-Artikeln führt.“

Das kann sich aber schnell wieder ändern, wie Jassmann verrät. „Das sind alles Faktoren, auf die man keinen Einfluss hat und die nicht kalkulierbar sind, die aber auf alle Fälle Auswirkungen auf das Unternehmen haben“, meint sie. „Auch da erwartet die Schüler im Planspiel so manche Herausforderung und auch Krisen, beispielsweise sinkt der Absatz bei den Zelten, gleichzeitig werden Produktionskosten teurer.“ Das alles, so die Wirtschaftskundelehrerin weiter, sei bewusst Teil des Planspiels.

Überforderung und Stress sind gewollt

Es sei gewollt, dass sich die Planspieler auch überfordert fühlen. „Das ist Ziel des Spiels: Aus dieser schwierigen Phase lernen und es dann bei der nächsten Stufe besser machen“, bringt es Annette Jassmann auf den Punkt.

Zudem gehe es darum, Entscheidungen unter Zeitdruck zu treffen. Gleichzeitig spiele die Gruppendynamik eine große Rolle. Denn die Entscheidungen sind immer gemeinsame, so die Lehrerin. Erstmals konnte das Planspiel in diesem Jahr in der digitalen Version stattfinden. „Am ersten Tag gab es Startschwierigkeiten mit dem Server, und wir mussten wieder mit Papier arbeiten, aber am zweiten Tag lief alles wie geplant digital“, berichtet Jassmann.

Für sie ist jetzt der ideale Zeitpunkt für ein solches Projekt. „Bevor sie in wenigen Wochen die Schule mir ihrem Abschlusszeugnis verlassen können sie noch mal alles, was sie in den vergangenen Jahren bei uns intensiv in der Theorie zum Thema Geschäftsführung gelernt haben, anwenden“, befindet Jassmann. Die Schüler müssen vieles im Blick haben, erläutert sie. Seit vielen Jahren steht das Unternehmensplanspiel im Lehrplan der Fachoberschule. „Wir sind eine Art Vorreiter und merken jetzt, dass Planspiele im Trend liegen“, sagt Jan Kaiser, stellvertretender Schulleiter. „Das zeigt uns die Resonanz, die wir von Universitäten bekommen, die mit demselben Planspiel arbeiten und oft erstaunt sind, wenn unsere Schüler es schon kennen“, sagt Kaiser. Die Schüler fänden es spannend, weg vom traditionellen Unterricht zu kommen. Das Planspiel ist vom Stundenplan entkoppelt“, informiert er. Die Schüler können sich in ihren Gruppen in verschiedenen Schulräumen oder auch draußen auf dem Schulgelände zum Arbeiten aufhalten. „Sie müssen sich nur an die Deadlines halten und ihre Bilanz abgeben“, erklärt Kaiser. Am Ende des dreitägigen Planspiels werden die Ergebnisse der Schüler auch in ihre Note einfließen. Oft höre er nach dem Planspiel von Schülern den Satz: „Das war superanstrengend.“ Oft komme dann „es bringt uns was und hat auch Spaß gemacht“ hinterher, erzählt Kaiser.

Neues Leitbild: Vielfalt, Respekt, Toleranz, Teilhabe und Miteinander

Die Aktion „Planspiel“ passt bestens in das neue Leitbild, das die Feldbergschule Oberursel kürzlich erarbeitet und in der Gesamtkonferenz verabschiedet hat, wie der stellvertretende Schulleiter Jan Kaiser berichtet. Respekt und Toleranz im Umgang miteinander sei der rote Faden des 12-Punkte-Programms. „Wir sind stolz auf unser neues Leitbild, denn die Entwicklung war mit einem langen Prozess verbunden“, so Kaiser. „Das war eine aufwendige Sache, bei der wir zu jedem der Punkte innerhalb unseres 100-köpfigen Kollegiums lange Diskussion geführt haben“, sagt er. „Für uns sollen die Inhalte Leitplanken für unser alltägliches Miteinander sein, die uns Sicherheit geben soll, an denen wir uns aber auch messen lassen wollen, sei es von Schülern, Eltern oder den Betrieben“, betont er. „Das Planspiel gehört für uns zu einem der Projekte, die beweisen, dass unser neues Leitbild eben nicht nur auf dem Papier steht, sondern mit Leben gefüllt wird.“ Regelmäßig wolle die berufliche Schule das Leitbild überarbeiten.

„Das Leitbild soll weiterentwickelt werden“, erklärt er. „Dazu wollen wir auch Umfragen zu den verschiedenen Punkten des Programms machen, beispielsweise bei den Betrieben“, berichtet Kaiser. Denn für ihn steht fest: „Das neue Leitbild ist nichts, das in Stein gemeißelt ist.“ Zu den Grundsätzen des Leitbilds gehören folgende Ziele: Die Vielfalt in der Schulgemeinde soll genutzt, eine positive, wertschätzende und offene Kommunikation gepflegt und Raum für Austausch und Partizipation geschaffen werden. „Wir unterstützen und inspirieren einander“, ist im Programm nachzulesen. Zudem vertrete die Feldbergschule eine klare Haltung gegen Diskriminierung. „Wir fördern eigenverantwortliches Handeln in Beruf und Gesellschaft durch zeitgemäßen kompetenz- und berufsorientierten Unterricht“, heißt es weiter. Und: „Wir stärken unsere Schüler mit individueller Beratung, Seelsorge und sozialpädagogischen Angeboten. Wir unterstützen unsere Schüler auf ihrem Weg zu Qualifikationen und Abschlüssen.“ Außerdem bewerte man Leistungen transparent und nachvollziehbar.

„Wir verstehen Digitalisierung als Chance und fördern einen verantwortungsvollen Medieneinsatz. Wir vernetzen uns aktiv durch Kooperationen, Veranstaltungen und Projekte im regionalen Umfeld und fördern Innovationen und lösungsorientierte Prozesse.“ ksp

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