„Session Pale Ale“ ist in Oberursel Spitze

Ein Engländer gewinnt den „1. Oberurseler Hausbrauer-Wettbewerb“
Oberursel -Es schadet nie, Ahnung zu haben von dem, über das man schreibt. Alte Journalistenweisheit. In meinem Arbeitsleben habe ich bereits Spargel gestochen, bin mit Windradflügeln im Nacken im Schritttempo durch den Taunus gefahren, habe staugeplagten Autofahrern als „Gelber Engel“ Tee gereicht, einen Tag in die Gerichtsmedizin hineingeschnuppert und die Nacht zum Rosenmontag auf der Polizeistation verbracht. Das Arbeiten in der ersten Reihe hält für meine Zunft tiefe Einblicke bereit, birgt bisweilen aber auch die Gefahr, sich Muskelkater und Schlafentzug auszusetzen oder, wie beim jüngsten Beispiel, unterm Tisch zu landen. Als man mich fragte, ob ich Lust hätte, Teil der Jury beim „1. Oberurseler Hausbrauer-Wettbewerb“ zu werden, war er sofort da, mein Sprachfehler: Ich kann nicht nein sagen. . . Ich, der keine Muttermilch, sondern gleich Äbbelwei bekommen hat, sollte also Biertester werden.
Klar, Essen und Trinken sind meine Leib- und Magenthemen. Und was sollte auch schon passieren. Was ich zu dem Zeitpunkt aber noch nicht wusste, war, dass 13, in Worten dreizehn Biere Hausmacher Art zur Verkostung anstanden, und dass ich abends noch einen Termin bei der Oberemser Feuerwehr hatte. Wie sollte das bei nur einem Führerschein funktionieren?
„Nippen, du darfst halt nur nippen“, riet mir eine innere Stimme, mich diesem gnadenlosen Selbstversuch, noch dazu in aller Öffentlichkeit zu unterziehen.
Meine acht Mitjuroren waren Ihre Lieblichkeit, die Brunnenkönigin Felicitas nebst Brunnenmeister Steffen und Stadtkämmerer Jens Uhlig (CDU), aber auch ausgewiesenes Fachpersonal wie der Brauerei-Ingenieur Dr. Georg Eiselt, Hopfen- und Malz-Profis wie Thomas Studanski, Rainer Henrici und die Wettbewerbsorganisatoren Brian Gillard und Marcus Rauschmann. Sie alle mussten nach Abgabe der Stimmzettel „nicht mehr fahren“. Das trieb mir dann doch Schweißperlen auf die Stirn.
Doch nur dabei und nicht mittendrin? Auch im Journalismus ist weniger oft mehr. Eingedenk eines berühmtes Heißgetränks machte ich den Rühmann: „Von jedem nur einen wönzigen Schlock“. Wirklich ein Jammer. In homöopathischen Dosen rollte ich die Mini-Portiönchen genüsslich unterm Gaumen hin und her in der Erkenntnis, dass 13 „wönzige Schlocke“ am Ende doch nur in etwa das „eine Bier“, dass sich Menschen meiner Gewichtsklasse leisten können, um noch fahren zu dürfen, ergeben. Dazu die 0,1 Promille Abbau pro Stunde. .
„Bitte ein freundliches Gesicht machen“
Für den Geschmack sollte es reichen. Immerhin gab es ja noch weitere, fahrtechnisch unbedenkliche Bewertungsparameter: Geruch, Optik, Kreativität, Handwerkskunst und schließlich der Gesamteindruck. 25 Punkte konnte ein Bier maximal erreichen. Das hat zwar keins geschafft, die meisten hatten am Ende aber doch die „zwei“ vorne. Den einen oder anderen Extrapunkt für Kreativität gab es sicher dafür, dass einer der Brauer aus dem Treber sogar noch Brot backt und ein anderer seine Kreation in Dosen verpackt hat. . .
Natürlich schaut man als Juror auch schon mal nach links und rechts und lauscht den Kommentaren der Kollegen. So konnte ich aufschnappen, dass sich Thomas Studanski Sorgen machte, ob bei dem sehr engen Feld im oberen Punktesegment am Ende überhaupt ein Sieger zu ermitteln sein würde, denn schlechte Biere waren nicht dabei, alles war mit Liebe, Professionalität und Stolz gebraut.
Am Ende war das Bessere mal wieder der Feind des Guten. Insofern war die Bitte von Brian Gillard zu Beginn, beim Probieren doch bitte ein freundliches Gesicht zu machen, um den Teilnehmern nicht durch schmerzverzerrte Mienen den Mut zu nehmen, völlig unnötig. Dass Martin Federer, der das Rennen um 15.11 Uhr mit dem ersten „Plopp“ der Bügelflasche eröffnete, seine Kreation „Martins Kesselplörre“ nannte, war eher bestimmt das Angeln nach Komplimenten, als Selbsterkenntnis. Die „20“ von mir war ihm jedenfalls sicher.
Leichte Schinkennote
Und auch der bekennende Engländer Gavin Stuart Mennie, dessen aromatisches „Session Pale Ale“ mit einem Punkt Vorsprung zum Sieger ausgerufen wurde, hatte es gar nicht nötig, den Juroren Brei ums Maul zu schmieren, indem er Oberursel die „schönste Stadt Europas“ nannte, wenn auch mit einer kleinen Einschränkung: “. . jedenfalls seit Liverpool nicht mehr dabei ist!“ Englischer Humor halt. Congratulation, Gavin, du warst auch meine Nummer 1! Als Hauptgewinner darf er im Oberurseler Brauhaus einen kompletten Sud des Siegerbieres brauen.
Platz 2 ging mit einem Punkt dahinter an Bernd Ortner und sein Orscheler Hausbrauerteam für ein „Whisky Brown Ale“. Ein sehr komplexes, aber auch besonders praktisches Bier, wie er selbst erklärte. Man brauche kein Extraglas, denn der Whisky sei schließlich schon drin, was wohl auch die leichte Schinkennote erklärte.
Der 3. Rang ging an Christopher Schott, der uns von der Jury mit seinem „Double IPA Pale Ale“ überzeugen konnte.
