Was Triathleten verbindet

Sommerzeit ist Triathlonzeit. Der sportliche Dreikampf aus Schwimmen, Radfahren und Laufen hat seine ganz besonderen Reize. Die Athleten des SC Oberursel haben sich gründlich auf die Saison vorbereitet.
Einmal beim Ironman auf Hawaii mitmachen – davon träumen viele Triathleten. Der Dreikampf aus 3,86 Kilometern Schwimmen bei Wind und Wellen im offenen Meer, 180 Kilometern Radfahren in der sengenden Sonne und mit ebenfalls viel Wind sowie zum Abschluss einem Marathonlauf über 42,195 Kilometer lockt Jahr für Jahr mehr als 2000 Profi- und Amateursportler nach Big Island. Wer es schafft, die Ziellinie auf dem Ali’i Drive in Kona in einer Zeit unter 17 Stunden zu überqueren, hat den sportlichen Ritterschlag erhalten.
Bei den Triathleten des SC Oberursel (SCO) winkt auf Hawaii die Aufnahme in die „Hall of Fame“. Denn elf Männern und Bianca Grosse als einziger Frau ist es bereits gelungen, den berüchtigten Ironman zu beenden. Rekord-Hawaii-Finisher des SCO sind Jochen Diedrich und Sascha Krücke, die gleich sechsmal auf Hawaii mit dabei waren.
Glücksgefühle im Ziel
Im Gegensatz zu Stars wie Jan Frodeno oder dem Darmstädter Patrick Lange sind die Oberurseler alle Amateursportler. Was treibt einen Menschen dazu, neben Beruf und Familie zwischen 12 und 20 Stunden wöchentlich zu trainieren und nicht selten sogar den Urlaub ganz dem Sport zu widmen?
„Man rutscht da so rein“, lacht Jürgen Bork. Der 50-Jährige startet in der Mastersliga-Mannschaft des SCO, die beim Saisonauftakt in Fulda mit einem dritten Platz überzeugte und inzwischen auf Rang vier dieser hessischen Triathlon-Liga liegt.
Für Christian Dittrich (45), der die Triathleten seit April im Vereinsvorstand vertritt, ist sein Sport ein wichtiger Ausgleich zum Berufsstress: „Schon bei der Vorbereitung zu einem Wettkampf, wenn man alles zusammenpackt und sein Material vorbereitet, schaltet man komplett ab. Und wenn man dann im Ziel ankommt, ist man nur noch völlig happy“, erzählt er.
Es sind die Glücksgefühle beim Überqueren der Ziellinie, mit denen sich die Triathleten für monatelange harte Arbeit belohnen – das gilt für Amateure und Hobbysportler genauso wie für die Profis.
Auch für Benedikt Küstermann, der über das Schwimmen zum Triathlon kam, liegt ein besonderer Reiz in den kräftezehrenden Wettkämpfen. „Triathleten sind spezielle Charaktere“, findet er. „Im Wettkampf pusht man sich gegenseitig.“ Auch die Vielseitigkeit und Abwechslung durch das Training auf dem Rad, auf der Tartanbahn oder im Schwimmbecken schätzt er.
Der 37-jährige Küstermann gehört der Vorzeigemannschaft des SCO an, die auch 2018 wieder in der Herren-Regionalliga startet. Eigentlich könnte das Team als Meister dieser Liga 2017 sogar in der 2. Bundesliga antreten, auf den möglichen Aufstieg verzichteten die Oberurseler jedoch.
„Der Zeitaufwand wäre einfach zu hoch“, erklärt Trainer Mario Schmidt-Wendling. Außerdem benötige man für die zweithöchste Klasse ein Team von acht oder neun Athleten mit dem entsprechenden Potenzial, um auch konkurrenzfähig zu sein.
Für den Ligabetrieb bereitet der Profitrainer seine Athleten auf den Sprint und die Olympische Distanz (siehe Extratext) vor. Daneben schreibt Schmidt-Wendling aber auch Trainingspläne für diejenigen, die sich in der Saison ein oder mehrere Ironman-Rennen vorgenommen haben. „Das sind völlig verschiedene Sportarten“, erklärt der Übungsleiter.
Zehnmal 800 Meter
Einmal wöchentlich treffen sich alle Oberurseler Triathleten auf der Laufbahn des Sportplatzes an der Erich-Kästner-Schule. Neben dem Lauf-Abc, einer Schulung für Lauftechnik und Körperwahrnehmung, stehen hier vor allem Tempoläufe auf dem Programm. In der Wettkampfvorbereitung etwa müssen die Frauen und Männer 800 Meter laufen – nicht einmal, sondern gleich zehnmal innerhalb eines Trainings, dazwischen dürfen sie jeweils zwei Minuten verschnaufen. Das Tempo kann individuell gewählt werden.
Benedikt Küstermann und die anderen Athleten der Regionalliga-Mannschaft schlagen auf der Tartanbahn an der Bleibiskopfstraße ein flottes Tempo an, laufen zu dritt dicht hintereinander. Trainer Mario Schmidt-Wendling marschiert in entgegengesetzter Richtung und korrigiert, wo es nötig ist. „Viele machen zu lange Schritte, dann passt die Frequenz nicht“, bemängelt er. Außer dem Lauftraining geht es dreimal pro Woche ins Schwimmbecken im Taunabad. Das Radtraining regelt jeder für sich individuell. Im Winter, der größtenteils wettkampffreien Zeit, bittet der Trainer zusätzlich zum Athletiktraining.
Gegründet 1986
Unter den Triathlonvereinen zählt der SC Oberursel zu den Urgesteinen. 1986, als die Sportart noch in den Kinderschuhen steckte (der Boom setzte in den 90er-Jahren ein) fand sich innerhalb des Schwimmclubs eine Triathlongruppe zusammen. Heute sind mehr als 100 Sportler aktiv, rund 80 Prozent nehmen auch aktiv an Wettkämpfen teil, die meisten sind Männer.
Zu den wenigen Frauen gehört Claudia Richter. Die 43-Jährige ist Mannschaftskapitän der in die Regionalliga aufgestiegenen Damenmannschaft und gespannt, wie sich das Team in der neuen Klasse schlagen wird: „Wir hatten die Möglichkeit, als Tabellenzweiter der Hessenliga aufzusteigen. Diese Chance haben wir genutzt und wollen jetzt einfach mal gucken, was geht.“ Im ersten Rennen wurden die Orscheler Damen Fünfter unter sechs Teams.
Triathleten als Mannschaftssportler – ja, das kann man durchaus so sehen. Obwohl im Wettkampf jeder für sich alleine gegen die Uhr kämpft, sind den meisten Athleten das gemeinsame Training und ein aktives Vereinsleben sehr wichtig. Man kennt sich, trifft sich zu Festen und arbeitet Hand in Hand.
Mithelfen im Team
Vorstandsmitglied Christian Dittrich vom SC Oberursel lobt das „funktionierende Miteinander eines eingespielten Teams“. So helfe jeder mit, wo und wie er könne. Alles Organisatorische sei auf mehrere Köpfe verteilt. Was den Oberurseler Triathleten fehlt, ist eine Jugendabteilung. Junge Menschen, die sich im Ausdauersport der Herausforderung eines Dreikampfes stellen, zieht es eher zu anderen Traditionsvereinen wie Eintracht Frankfurt oder dem MTV Kronberg.
Für Trainer Mario Schmidt-Wendling ist dies aber kein Manko seines Vereins: „Man muss sich nicht schon mit zwölf auf Triathlon festlegen“, findet er. „In dem Alter sollten die Kinder besser noch klassisch turnen oder zur Leichtathletik gehen, als sich aufs Rennrad zu setzen. Das schult die allgemeine Beweglichkeit viel besser“, so sein Rat.
Oft genügt dann dem klassischen Läufer, Schwimmer oder Radfahrer eine Disziplin nicht mehr. Wie sagte es Jürgen Bork: „Man rutscht da so rein.“ Und nach dem Adrenalin-Kick beim Zieleinlaufs eines Triathlons will man auch so schnell nicht wieder „raus“.