Herausforderung für Künstler und Publikum

Schmitten-Oberreifenberg. Goldberg am Feldberg, der Konzert-Untertitel bot sich diesmal an, denn im jüngsten Feldbergkonzert in Oberreifenberg erklangen die Goldberg-Variationen. Die musikalische Bergtour war allerdings eine Herausforderung für Künstler und Publikum, denn die 30 Varianten - eingeleitet durch das Grundthema und das Finale jeweils als Aria - wurden ohne Rast durchgespielt und das dauerte eineinhalb Stunden.
Eineinhalb Stunden nonstop
Das war nicht nur eine Herausforderung für die Künstler, sondern auch für das Publikum. Wer sich dabei dem Genuss des Zuhörens hingab, für den verging die Zeit auf den mit Kissen gepolsterten Klappstühlen allerdings schnell, und beim »Nachhall« konnten die Beine vertreten werden. Der Nachhall ist die sich anschließende Bewirtung der Konzertgäste mit einem hausgemachten Büfett und Getränken, vom Eistee bis zu Rot- oder Weißwein. Eine Gelegenheit, sich über das Gehörte auszutauschen oder sogar mit den Künstlern ins Gespräch zu kommen.
Dies waren Maryana Osipova an der Violine, Dmitry Hahlin an der Bratsche und Michael Preuß am Violoncello. Zusammen waren sie ein aus ihrer vierköpfigen Stammbesetzung, dem »Eliot Quartett«, ausgekoppeltes Trio. Für dieses Format haben sie sich den Namen »Trio 3/4« gegeben. »Sie führen das mathematische Paradoxon vor, wie aus drei Vierteln ein Ganzes wird«, stand vielsagend im Programmheft.
Auftragswerk der besonderen Art
Als Ganzes standen, wie schon angedeutet, die Goldberg-Variationen von Johann Sebastian Bach, BWV 988. Das Werk ist weltbekannt und den meisten Bach-Liebhabern sind auch die Hintergründe seiner Entstehung bekannt: Es ist ein Auftragswerk der besonderen Art, denn wie eine Anekdote berichtet, hatte Bach es im Auftrag eines Grafen für dessen jungen Cembalisten Johann Gottlieb Goldberg geschrieben, damit dieser seinen Dienstherrn in schlaflosen Nächten damit aufheitere.
»Vergessen Sie Glenn Gould«
Mit den Goldberg-Variationen verbinden viele auch den Namen Glenn Gould, der das Werk auf dem Klavier berühmt gemacht hat. »Vergessen Sie alles, was Sie von Glenn Gould kennen«, sagte Gastgeber Ralf Groh in seiner Einleitung - und meinte damit, dass die Variationen des Trios mit der Interpretation Goulds nichts gemeinsam haben und gedanklich nicht verknüpft werden sollten. Im Grunde sind diese selbst schon eine Adaption des für das zweimanualige Cembalo geschriebenen Werks an das Klavier. Aber auch Bach selbst hat zahlreiche Werke, die für andere Instrumente geschrieben wurden, für Cembalo transkribiert.
Nun aber die Goldberg-Variationen für Streicher, da durfte man gespannt sein, wie sich die Tasten-Versionen auf die drei Streicherstimmen und ihr polyphones Potenzial verteilten. Gespannt verfolgen ja, aber die meisten werden sich wohl der sinnlichen Rezeption überlassen haben. Dennoch gibt die Systematik der Komposition vor, unterschiedliche Stimmungslagen zu generieren, und das verstanden die Musiker. Die wiederholte Form des Kanons war dabei eine Orientierungsgröße mit Spaßfaktor, der darin bestand zu verfolgen, welches Instrument sich gerade des Themas angenommen hatte. Dann wieder getragene Stimmung, verbreitet von den tiefen Stimmen des Cellos.
Die Musiker verwoben, jeweils mit eigenem Profil, die komplexen Strukturen meisterlich und, um das Zitat aus dem Programmheft zu transkribieren, sie formten aus dem differenzierten Werk einen Mix von Einzel-Transkriptionen ein ganzheitliches Genussmittel, wie Hahlin erklärte.
Man hatte stets das Gefühl, erstklassigen Musikern gegenüberzusitzen. Das kam nicht von ungefähr, denn das 2014 gegründete und in Frankfurt ansässige Eliot Quartett ist Preisträger zahlreicher Wettbewerbe.