Showdown auf dem Waldparkplatz
Schmitten. Sich mit Alkohol ans Steuer zu setzen, kann ebenso den Führerschein kosten wie das Fahren unter gesundheitlichen Mängeln, etwa einer Unterzuckerung. Bei einem Schmittener war das zur Überzeugung des Königsteiner Amtsgerichts beides der Fall - und mehr: Unfallflucht, Sachbeschädigung, gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr, Bedrohung, Nötigung.
Zum Prozess war es nur gekommen, weil ein 22-jähriger Zeuge mit viel Zivilcourage den Angeklagten verfolgt und bei seiner Flucht blockiert hatte. Der Angeklagte bestreitet alles, was ihm aber nichts nutzte, denn das Gericht verurteilte ihn zu 180 Tagessätzen à 45 Euro (8100 Euro). Gerne hätte die Richterin auch den Führerschein für 18 Monate einkassiert. Da die Tat aber bereits am 14. Oktober 2020 verübt worden war, mussten vier Monate Fahrverbot reichen.
Rechtskräftig ist das Urteil noch nicht, wird es wohl auch so schnell nicht, denn die Verteidigerin hatte Freispruch gefordert. Nichts, aber auch gar nichts von dem, was in der Anklage stehe, stimme. Die Anwältin drehte den Spieß sogar um: Der Verfolger habe ihren Mandanten wegen des puren Verdachts, er könne Alkohol getrunken haben, blockiert und in eine psychische Ausnahmesituation gebracht. Er habe sich der Nötigung schuldig gemacht, indem er das Recht der vorläufigen Festnahme (Paragraf 127 Strafprozessordnung) zu großzügig ausgelegt habe, noch dazu mit Duldung der Polizei.
Lange Flucht endet zu Fuß im Wald
Die ganze Geschichte: Der Mann soll auf der Siegfriedstraße in Oberreifenberg erst mit seinem Geländewagen einen Linienbus gerammt haben und danach weitergefahren sein. Der Zeuge hatte das mitbekommen, war dem Mann hinterhergefahren und konnte ihn zur Umkehr bewegen, aber nicht zum Bleiben, denn als der 59-Jährige beim Austausch der Personalien mit dem Busfahrer gewahr wurde, dass die Polizei in Anmarsch war, hatte er es plötzlich eilig und suchte erneut das Weite, was erst nach hektischem Rangieren klappte, denn der Zeuge hatte ihn etwas zugeparkt, um ihn an der Weiterfahrt zu hindern, weil er Alkoholgeruch festgestellt hatte.
Wieder fuhr ihm der Zeuge, im Telefonkontakt mit der Polizei, während seine Freundin alles mit dem Handy filmte, hinterher, bis zu einer Schranke an einem Waldweg an der Gertrudiskapelle. Der Verfolgte versuchte erfolglos, die Schranke zu öffnen. Nach Aufgeben war ihm aber nicht. Dreimal stieß er mit seinem Geländewagen zurück, offenbar, um den hinter ihm stehenden Audi seines Verfolgers wegzuschubsen und so Platz zum Wenden zu bekommen. Allerdings ging die Fortsetzung der nun doppelten Unfallflucht zulasten des linken Vorderreifens, dem an einem überrollten Felsen die Luft ausging. Fahrbereit war der SUV dennoch. Die Fahrt mit dem beim Wenden durch Kontakt mit einem Gartenzaun nun auch hinten, inzwischen wirtschaftlich totalbeschädigten Verfolgerfahrzeug im Schlepptau, ging weiter bis zu einem Waldparkplatz, wo es zum Showdown kam: Die Verfolger hatten sich festgefahren und mussten tatenlos mit zusehen, wie der SUV-Fahrer ausstieg, auf sie zuging und sie mit einer Waffe oder etwas, was wie eine Waffe aussah, bedrohte und zu Fuß in den Wald lief.
Richterin von der Schuld überzeugt
Das alles stand zur Überzeugung der Richterin fest, sie glaubte dem Angeklagten kein Wort und hielt ihm Verantwortungslosigkeit im Umgang mit seiner Diabetes-Erkrankung vor. In diesem Zustand der Unterzuckerung, die auch eine medizinische Sachverständige für sehr wahrscheinlich hielt, hätte er nie fahren dürfen, und dass er noch Alkohol getrunken habe, stehe für sie auch fest.
Die Verteidigerin sah das alles anders. Ja, ihr Mandant leide unter Diabetes, habe sich an dem Tag aber fahrtüchtig gefühlt, und, als es im schwummerig wurde, drei »Mon Cherie«, die er im Auto gefunden hatte, zu sich genommen. Sein Zucker-Scanner habe nicht funktioniert, der Handy-Akku sei leer gewesen. Dafür, dass der Busfahrer die ihm vom Angeklagten gegebene Handynummer ausprobiert und es bei ihm trotzdem geklingelt hat, hatte der Angeklagte allerdings keine plausible Erklärung. Das müsse wohl »Reststrom« gewesen sein.
Obwohl der Unfallsachverständige von der Bemerkbarkeit des Spiegelkontakts mit vier Seitenscheiben des Busses ausging, behauptete der Angeklagte, dass er nichts bemerkt habe, das Auto sei so laut. Also keine Fahrerflucht. Er habe das Pärchen auch nicht mit einer Pistole bedroht. Zwar besitze er eine, die sei aber zeitnah und ohne dass er sie nach der Tat hätte zurücklegen können, von der Polizei bei einer Durchsuchung bei ihm zu Hause im Wohnzimmerschrank gefunden worden.