Balou zeigt, wie das mit der Suche eines "Vermissten" funktioniert
Wenn ein Hund, die Nase am Boden, im neongelben Leibchen seinen Menschen hinter sich her zerrt, ist das kein Zeichen von schlechter Erziehung. Im Gegenteil – dann arbeitet der Hund. . .
Da liegt er faul in der Sonne – Balou hält Siesta. Um ihn herum tobt am Obernhainer Löschteich das Sommerfest des 2015 gegründeten, schon 42 Mitglieder zählenden Vereins „Mantrailing Hochtaunus e.V.“ (). Das ist Balou wurscht und die Würste auf dem Grill sind es auch. Doch dann kommt Bewegung in das aus Berner Sennenhund und Deutsch Drahthaar zusammengesetzte Kraftpaket.
Showtime für Balou
Frauchen Pia Hermann-Elflein kommt mit dem neongelben Trailgeschirr, darauf der Aufdruck „Suchhund“, um die Ecke. Es ist Showtime, exclusiv für die TZ. Und plötzlich sind 40 Kilo Hund putzmunter: „Endlich arbeiten, wird aber auch Zeit. . .“ Die tausend Sonnen am Himmel kümmern Balou nur am Rande. Das einer fehlt, Jens Navisotschnig, hat er glatt verpennt, macht aber auch nichts – er findet ihn ohnehin. Jens Navisotschnig hat zwar keinen Hund, ist für die Mantrailer aber trotzdem unverzichtbar als „Versteckperson“, ohne die Mantrailing, die hundenasegestützte Suche nach Menschen, nicht möglich wäre.
Und während sich Balou startklar macht, hockt Navisotschnig 200 Meter weiter oben auf der Wiese bereits im hohen Gras hinter einem Apfelbaum. Derweil hat drunten am Parkplatz der Vierbeiner einmal kurz am Schlüsselbund der Versteckperson geschnuppert und gibt sofort Gas, Frauchen Pia muss die Beine in die Hand nehmen, um bei straff gespannter Suchleine hinterherzukommen. „Die Leine muss straff sein, sonst meint er, es geht Gassi“, sagt Henning Meister, Vorsitzender des Vereins.
Der Mischling schnuppert mal nach links, mal nach rechts, meistens aber geradeaus. Man hört das hechelnde Beschleunigen der Atemfrequenz. „Hunde atmen bei der Suche bis 400 mal pro Minute, mega anstrengend“, erzählt Meister und Volker Schwarz, sein Vize, ergänzt: „300 Meter trailen ist für sie so anstrengend wie drei Stunden wandern.“
Im Turbogang
Schwarz hat einen der hierzulande seltenen Lagotto Romagnolo, die in Italien wegen ihrer Nase beim Trüffelsuchen helfen. Umberto ist also die Idealbesetzung beim Mantrailen, auch ohne Trüffel.
Balou ist schon fast am Apfelbaum und schaltet den Turbo ein. Frauchen macht am anderen Ende der Leine einen Satz. Alle drei, Jens, Balou und Pia, freuen sich wie Bolle über das Wiedersehen, Balou noch etwas mehr, denn es gibt ein Leckerli.
„Mantrailen macht den Hunden Spaß, zumal es immer eine Belohnung gibt“, sagt Meister.
Besucher des Sommerfestes zum Tag des Hundes und auch die TZ erfahren, dass sich alle Hunde zum Mantrailen eignen. Je ausgeprägter die Nase ist, desto besser. Die einen haben den Bogen schon nach zwei Schnupperstunden raus, andere erst nach fünf – gelernt hat es bis jetzt aber noch nimmer jeder. Das Alter spielt höchstens insofern eine Rolle, als dieser Sport anstrengend ist. Ältere Semester lassen es eben langsamer angehen. Spielerisch angefangen werden kann schon im Rackeralter von 12 Wochen.
Die Treffen der Mantrailer sind Lesestunden: Die Hunde lernen, die Fährte, die jeder Mensch, und sei er auch noch so frisch geduscht, mit tausenden winziger Hautschuppen legt, zu lesen und die Führer lernen, ihren Hund „zu lesen“.
Gute Hunde finden die Spur noch nach vier Tagen. Wenn sich der Hund bei der Suche quer stellt, bedeutet er seinem Führer damit: „Du bist auf dem Holzweg, das wird nichts“. Und wenn er sich ganz stolz vor die flache Hecke setzt, dann sollte man ihm glauben, dass darunter bäuchlings der Vermisste hofft, bald gefunden zu werden weil es allmählich zwickt. Mantrailing ist Teamsport.
Und während wir das alles für die TZ-Leser zu Protokoll nehmen, liegt Balou schon wieder dösend im Schatten, zuckt, von einem Hasen träumend, mit den Füßen. Manchmal möchte man auch als Mantrailer einmal sein eigener Hund sein. . .